Insolvenzrecht und Restschuldbefreiung in Europa - Teil 10 - Insolvenztourismus in Elsass - Mosel

2.2.5.5.6. Insolvenztourismus in Elsass - Mosel

Da man die Restschuldbefreiung in Frankreich schneller als in Deutschland erreichen kann, ist das Gebiet von Elsass – Mosel oft zum Ziel deutscher Schuldner geworden. Diese Insolvenzwelle wird durch die Entscheidung des deutschen Bundesgerichtshofs unterstützt, in der das Gericht feststellt, dass wenn sich ein deutscher Staatsangehöriger ins Ausland begibt und sich dort einem Verfahren zur Restschuldbefreiung unterwirft, welches den Regelungen der deutschen InsO grundsätzlich entspricht, eine dort erteilte Restschuldbefreiung auch im Inland anzuerkennen ist.

Das französische Recht wird nur dann anwendbar und der Insolvenzantrag kann in Frankreich nur dann gestellt werden, wenn der Mittelpunkt des hauptsächlichen Interesses des Schuldners in Frankreich liegt. Voraussetzung für die Feststellung, dass die hauptsächlichen Interessen eines Schuldners in dem jeweiligen Mitgliedstaat liegen, ist zunächst die Verlagerung des Wohnsitzes. Der Schuldner kann ein zahlreiches Angebot von Anwaltskanzleien finden, die ein „Servicepaket“ hinsichtlich der Verlagerung des Lebensmittelpunktes nach Frankreich anbieten. Da es in Frankreich keine Meldepflicht gibt, ist eine Anmeldung nicht notwendig und bei Gründung einer Gesellschaft, die offiziell als der Arbeitgeber des Schuldners funktioniert, kann der Schuldner in Frankreich ohne weiteres leben und arbeiten.

Laut der langjährigen Praxis sollte der Schuldner mindestens 6 Monate vor der Antragstellung in Frankreich wohnen, da die französischen Behörden sehr detailliert prüfen, ob nur eine vorgeschobene Wohnsitzverlegung erfolgt ist. Insbesondere prüfen die französischen Behörden nicht nur den Mietvertrag, wobei ein Untermietvertrag bereits auf Misstrauen stößt, sondern lassen sich auch Strom-, Heizkosten- und z.B. Telefonrechnungen vorlegen, um die Authentizität der angegebenen Wohnanschrift zu überprüfen. Der Schuldner wird sogar zu einer persönlichen Sitzung bei dem Richter eingeladen, wobei der Richter die bestehende Redlichkeit des Schuldners überprüft. Aus diesem Grund wird nun die Durchführung des Insolvenzverfahrens in Elsass- Mosel nur für diejenigen Schuldner empfohlen, die ernsthaft nach Frankreich ziehen oder sich zumindest jede Woche mehrere Tage dort aufhalten. Für Ausländer bzw. neu zugereiste Schuldner mit vorwiegend ausländischen Gläubigern ist der Beweis einer reellen Domizilierung immer schwieriger. Die französischen Gerichte erklären sich für unzuständig, wenn der Beweis nicht erbracht werden kann, dass die „Absicht einer endgültigen Niederlassung in den drei Départements vorliegt.“ Insbesondere aus wirtschaftlichen Gründen und wegen der extremen Dauer der Revisionsverfahren scheinen auf diesem Gebiet keine Entscheidungen der Cour de Cassation vorzuliegen, die zu dieser Ausdehnung der Erforderungen aus der E.U.Regelung Stellung genommen hätten.

Versucht der Schuldner den Eindruck einer tatsächlichen Verlagerung des Mittelpunkts seiner Interessen durch eine vorgeschobene Wohnsitzverlagerung zu erwecken, wobei die Erfüllung der formalisierten Missbrauchskriterien bei dem Fehlen der wirklichen Verlagerung des Lebensmittelspunkts unbeachtlich ist, riskiert er damit nicht nur die Durchführung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens im vorgeschobenen Wohnsitz Frankreich, sondern gefährdet er auch im Falle des Scheiterns an der französischen Missbrauchskontrolle auch die anschließende Durchführung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens im tatsächlichen Wohnsitzstaat.

 

Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch "Insolvenzrecht und Restschuldbefreiung in Europa - Ein Vergleich der Insolvenzordnungen der Länder der EU" von Harald Brennecke und Eva Otépková, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-05-2.

 


 

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Stand: März 2009


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Über die Autoren:

Harald Brennecke, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

Portrait Harald-Brennecke

Rechtsanwalt Harald Brennecke ist Gründer und Managing Partner der Kanzlei Brennecke & Partner. Er ist überwiegend im Bereich des Insolvenzrechts für Unternehmer und Unternehmen tätig.

Harald Brennecke ist seit 1999 im Bereich der Unternehmenssanierung tätig. Als Fachanwalt für Insolvenzrecht gestaltet er Sanierungen und begleitet Firmeninsolvenzen. Rechtsanwalt Brennecke berät insbesondere Geschäftsführer in der Unternehmenskrise hinsichtlich der für diese bestehenden  Haftungsrisiken sowie Gesellschafter im Interesse der Unternehmenssanierung unter dem Blickwinkel des Unternehmens als Vermögensbestandteil des Gesellschafters. Er vertritt bei unzulässigen oder unbegründeten Insolvenzanträgen. Rechtsanwalt Brennecke verhandelt mit Insolvenzverwaltern hinsichtlich des Erwerbs von Unternehmen aus der Insolvenz zum Zwecke der Unternehmensfortführung durch Investoren oder Familienangehörige. Weiter vertritt Rechtsanwalt Brennecke bei Ansprüchen des Insolvenzverwalters aus Anfechtung gegen Gesellschafter, Familienangehörige oder Dritte sowie bei (den häufig unterschätzten) Haftungsansprüchen gegen Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften.   

Er berät Insolvenzschuldner hinsichtlich der Erlangung der Restschuldbefreiung und der hierfür erforderlichen Obliegenheiten und vertritt im gesamten Insolvenzverfahren um sicherzustellen, dass der Schuldner die an ihn gestellten Obliegenheitsanforderungen zur Erlangung der Restschuldbefreiung (die über das hinausgehen, was ein Insolvenzverwalter vom Schuldner verlangt und verlangen darf) erfüllt. Der Irrtum, dass Insolvenzschuldner alleine dann schon Restschuldbefreiung erhielten, wenn sie alle Anforderungen des Insolvenzverwalters erfüllen, ist leider immer noch weit verbreitet.

Rechtsanwalt Brennecke berät Schuldner über das Vorgehen bei der Nutzung der Alternativen des europäischen Insolvenzrechts zur Restschuldbefreiung. In wenigen speziellen Fällen bietet ausländisches Insolvenzrecht Vorteile.

Er hat mehrere Bücher im Bereich Insolvenzrecht veröffentlicht, so

  • "Gesellschaftsrecht in der Insolvenz", ISBN 978-3-939384-267
  • "Die Limited in der Insolvenz", ISBN 978-3-939384-34-2
  • "Der Insolvenzplan – Sanierungsinstrument in der Insolvenz", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-06-9
  • "Die Restschuldbefreiung", 2006, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-00-7 
  • "Privatinsolvenz/Verbraucherinsolvenz - Eine Einführung", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-13-1
  • "Insolvenz und Restschuldbefreiung in Europa", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-05-2
  • "Der Insolvenzplan und der Verbraucherinsolvenzplan - Sanierungsinstrument in der Insolvenz - für Verbraucher und Unternehmen", ISBN 978-3-939384-06-9
  • "Die Regelinsolvenz - Insolvenz für Unternehmer und Unternehmen", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-07-6 
  • "Das Recht der GmbH", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-33-5
  • "Der Gesellschaftsvertrag der GmbH - Die GmbH-Satzung in Theorie und Praxis", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-40-3
  • "Der Unternehmenskauf -  Rechtliche Risiken bei Kauf und Verkauf mittelständischer Unternehmen", Verlag Mittelstand und Recht, 2014, ISBN 978-3-939384-18-2
  • "Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-29-8

Weitere Veröffentlichungen sind in Vorbereitung, so

  • „Selbständigkeit in der Insolvenz“
  • „Schutzschirm und Eigenverwaltung“
  • „Die Liquidation von Kapitalgesellschaften“

Er ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht im DeutscherAnwaltVerein und Dozent für Insolvenzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.  Er moderiert die Gruppe Insolvenz und Insolvenzvermeidung bei XING.
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

  • Insolvenzrecht für Gründer und lebende Unternehmen: Aus Insolvenzen anderer lernen heißtdas eigene Insolvenzrisiko zu vermeiden
  • Unternehmenssanierung: Kopf aus dem Sand! Wer zu spät reagiert, reagiert nie wieder.
  • Insolvenzrecht für Steuerberater – Grundlagen des Insolvenzrechts für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer 
  • Insolvenzrecht für Unternehmensberater – Sanierungschancen erkennen und wahren
  • Insolvenzberatung: das (enorme) Haftungsrisiko des Sanierungsberaters 
  • Selbständigkeit in der Insolvenz – die große Chance des Neustarts


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