Einführung ins Teil 6: Die Erbengemeinschaft – 1. Die gemeinschaftliche Verwaltung des Nachlasses
In den häufigsten Fällen setzt der Erblasser nicht nur einen Alleinerben ein, sondern mehrere Erben. Die Gruppe der Erben bildet eine Erbengemeinschaft. Die Erbengemeinschaft ist als eine Einheit anzusehen. Das Vermögen des Erblassers geht ungeteilt auf die Erbengemeinschaft über. Es wird keine Teilung in Bruchteilen des Nachlasses vorgenommen. Die Erben werden damit alle gemeinschaftlich Eigentümer des Nachlasses. Der Nachlass als Ganzes liegt in der Hand der Erbengemeinschaft. Man nennt sie auch die Gesamthandgemeinschaft, § 2032 I BGB.
Die Erbengemeinschaft kann über den Nachlass nur gemeinschaftlich verfügen, § 2038 I BGB. Ein Erbe allein kann nicht ohne Weiteres für die Erbengemeinschaft handeln. Dies ist nur möglich, wenn alle Mitglieder der Erbengemeinschaft damit einverstanden sind. Sind sich die Mitglieder einer Erbengemeinschaft nicht einig, entscheidet die Stimmenmehrheit. Die Stimmenmehrheit wird nicht nach der Anzahl der Erben berechnet, sondern nach der Größe der Erbteile.
Beispiel:
Die Erblasserin Frau Schröder hinterlässt drei Kinder, die als gesetzliche Erben je 1/3 des Erbes erhalten. Die drei Erben bilden eine Erbengemeinschaft. Die Erben streiten sich über den Verkauf des Schmucks von Frau Schröder. Zwei der Erben wollen den Verkauf des Schmucks verhindern, da es sich um Familienerbstücke handelt.
Die beiden Erben überstimmen den dritten Erben. Bei dieser Entscheidung ist nicht das Kopfverhältnis der Erben entscheidend (2 : 1), sondern deren Erbanteile. Die beiden Erben haben zusammen einen Erbanteil von 2/3 und überstimmen damit den dritten Erben, dem nur 1/3 des Erbes zusteht.
Praxistipp:
Ist einer der Erben mit der Entscheidung der Erbengemeinschaft nicht zufrieden, kann er die Erbengemeinschaft verklagen und auf diesem Wege versuchen, seinen Willen durchzusetzen. Dieser Weg ist zwar rechtlich möglich, sollte vom Erben aber nicht eingeschlagen werden. Der Prozess gegen die Erbengemeinschaft belastet –wie man sich vorstellen kann- das gesamte Verhältnis der Erben untereinander und ist für eine spätere Auseinandersetzung mehr als hinderlich.
Die gemeinschaftliche Verwaltung des Nachlasses ist umfangreich. Sie ist auf die Erhaltung, Vermehrung, Sicherung und Nutzung des Nachlasses gerichtet. Jeden Erben steht beispielsweise die Nutzung der Nachlassgegenstände in gleicher Weise zu. Kann auch nur einer der Erben einen Nachlassgegenstand nicht nutzen, so können es auch die anderen Erben nicht. Auf diese Weise werden keine Ungerechtigkeiten zwischen den Erben verursacht. Wirft der Nachlass Gewinn ab, erfolgt eine Aufteilung an die Erben erst nach der Auseinandersetzung, § 2038 II BGB. Ist mit einer Auseinandersetzung nicht vor einem Jahr zu rechnen, wird der Gewinn am Ende eines Kalenderjahres nach Erbteilen auf die Erben verteilt. Auch Leistungen gegenüber der Erbengemeinschaft können nur gegenüber allen Erben gemeinschaftlich erfolgen. Eine Leistung nur an einen Erben ist nicht ausreichend.
Die Erbengemeinschaft kann über den Nachlass als Einheit/ Ganzes verfügen. Ein Mitglied der Erbengemeinschaft kann nicht allein über bestimmte Gegenstände verfügen. Dies gilt auch wenn einem Erben ein bestimmter Gegenstand im Testament zugedacht wurde. Das Mitglied der Erbengemeinschaft kann also nicht über seinen Anteil (z.B. 1/2, 1/3 oder 1/8) an den einzelnen Nachlassgegenständen verfügen. Er kann aber über seinen Anteil als Ganzes, den Erbteil, am Nachlass, verfügen, § 2033 BGB.
Will das Mitglied der Erbengemeinschaft seinen Erbteil verkaufen, steht den anderen Erben ein Vorkaufsrecht zu, § 2034 I BGB. Vorkaufsrecht bedeutet, dass der Erbe erst die Miterben fragen muss, ob diese seinen Erbteil kaufen möchten. Erst wenn sie ablehnen, kann der Erbe an eine Person außerhalb der Erbengemeinschaft seinen Erbteil verkaufen. Das Vorkaufsrecht dient dazu, ein Eindringen Fremder in die Erbengemeinschaft zu verhindern.
Das Vorkaufsrecht steht den Miterben aber nur zu, wenn der Erbe plant, seinen Erbteil zu verkaufen. Verschenkt er seinen Erbanteil, so kann er dies tun, ohne zuvor die Miterben gefragt zu haben. Ihnen steht dann nämlich kein Vorkaufsrecht zu. Der Erwerber des Erbteils tritt an die Stelle des Mitglieds der Erbengemeinschaft und wird seinerseits wie ein Mitglied behandelt. Die Verfügung über den Erbteil bedarf der Beurkundung durch einen Notar, § 2033 I 2 BGB.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch "Erbrecht – Eine Einführung“ von Harald Brennecke, Dr. Maren Augustin und Isabell Hartung, ISBN 978-3-939384-17-5.
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Über die Autoren:
Harald Brennecke, Rechtsanwalt
Harald Brennecke ist seit 1997 mit erbrechtlichen Mandaten befasst.
Als Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht berät er insbesondere bei der Gestaltung von Unternehmertestamenten, der Übertragung von Unternehmensanteilen und der Ausarbeitung von Unternehmererbverträgen im Hinblick auf die Sicherung der Unternehmensnachfolge. Als Fachanwalt für Insolvenzrecht berät er Erben und potenzielle Erben bei überschuldetem Nachlass in Bezug auf Erbausschlagung, Dürftigkeitseinreden und der Beantragung und Begleitung bei Nachlassinsolvenzverfahren.
Er berät weiterhin bei der Erstellung von Testamenten und der Gestaltung von Vermögensübergängen, insbesondere aus erbschaftssteuerlicher Sicht und der Auseinandersetzung von Erbengemeinschaften. Er berät bei Pflichtteilsansprüchen, Vermächtnissen sowie bei Fragen der Vorerbschaft und Nacherbschaft. Er begleitet Erben bei der Beantragung von Erbscheinen und der Abwicklung der Erbschaft.
Harald Brennecke hat im Erbrecht veröffentlicht:
- "Erbrecht – Eine Einführung“ von Harald Brennecke und Dr. Maren Augustin, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-17-5
- „Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuerrecht: Das Recht der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Möglichkeiten zur Verringerung der Steuerbelastung bei Erbschaften und Schenkungen“, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-16-8
Bereits 1999 war er Experte für Erbrecht in einer Serie von Live-Fernsehsendungen.
Rechtsanwalt Brennecke ist Dozent für Erbrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:
- Erbrecht für Steuerberater – Grundlagen des Erbrechts als Basis erbschaftssteuerrechtlicher Beratung
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