DER HANDELSVERTRETERAUSGLEICH NACH 89 b HGB ff. - EINE EINFÜHRUNG

 

I. Voraussetzungen für den Handelsvertreterausgleich nach § 89 b HGB

Im Allgemeinen hat der Handelsvertreter nach Vertragsende keine Vorteile aus von ihm geschaffenen Geschäftsverbindungen. Das vertretene Unternehmen kann allerdings weiterhin Geschäfte mit den vom Handelsvertreter geworbenen Kunden abschließen. Dieser offensichtlichen Ungleichbehandlung begegnet § 89 b HGB. Er billigt dem Handelsvertreter eine nachvertragliche Vergütung für seine geschaffenen Beziehungen zu (Ausgleichsanspruch auf Handelsvertreterausgleich). Unter den Voraussetzungen des § 89 b kann der Handelsvertreter einen angemessenen Ausgleichsanspruch geltend machen. Die folgenden Voraussetzungen müssen gemeinsam vorliegen:

  1. Eigenschaft als Handelsvertreter
  2. Kündigung von Handelsvertretervertrag durch Unternehmen veranlasst
  3. Erheblicher Vorteil für Unternehmen
  4. Rechtliche Verpflichtung zu Überlassung des Kundenstamms (nur bei analoger Anwendung auf Vertragshändler)
  5. Billigkeitskriterium (z.B. Provisionsausfälle beim Handelsvertreter)

Im Einzelnen hierzu:

1. Eigenschaft als Handelsvertreter

Handelsvertreter ist, wer als selbstständiger Gewerbebetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen (§ 84 I S. 1 HGB ). Wesentliche Begriffsmerkmale, die den Handelsvertreter kennzeichnen sind:

a. Handelsvertreter ist ein selbstständiger Gewerbebetreibender

b. mit einem ständigen Betrauungsverhältnis

c. dessen Aufgabe die Vermittlung oder der Abschluss von Geschäften ist.

Auch Vertragshändler gelten als Handelsvertreter in Bezug auf den Ausgleichsanspruch auf Handelsvertreterausgleich.
Ebenso kann Franchisenehmern Handelsvertreterausgleich zustehen.

2. Kündigung durch das Unternehmen, Kündigung durch Vertreter aus begründetem Anlass, Aufhebung Handelsvertretervertrag

Voraussetzung für den Handelsvertreterausgleich ist weiter, dass der Handelsvertretervertrag auf bestimmte Art und Weise beendet wurde.

Achtung - nicht jede Beendigung von einem Handelsvertretervertrag berechtigt zum Handelsvertreterausgleich !

a. Kündigung durch das Unternehmen

Die Kündigung muss in der Regel durch das vertretene Unternehmen erfolgen. Es genügt nicht, wenn der Handelsvertreter selbst grundlos gekündigt hat oder einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung durch das Unternehmen gesetzt hat.
Nicht jede Kündigung aus wichtigem Grund genügt, um den Handelsvertreterausgleich auszuschliessen: Will das Unternehmen den Handelsvertretervertrag aus aus wichtigem Grund kündigen, muss es den Handelsvertreter zunächst erfolglos abmahnen.
Nähere Informationen hierzu finden Sie in unserem Artikel zur Abmahnung vor fristloser Kündigung des Handelsvertreters.

b. Kündigung Handelsvertretervertrag durch Handelsvertreter + begründeter Anlass

Ebenso genügt eine Kündigung vom Handelsvertretervertrag durch den Handelsvertreter, wenn diese aufgrund eines vom Unternehmen gegebenen "begründeten Anlass" erfolgt - was weniger ist als der vom Handelsvertreter geforderte "wichtige" Grund.

Achtung - eine einseitige Kündigung durch den Handelsvertreter ohne einen solchen berechtigten Anlass vernichtet den Handelsvertreterausgleich ! Hier sollte immer rechtskundige Beratung eingeholt werden.

c. Einvernehmliche Aufhebung Handelsvertretervertrag

Wird der Handelsvertretervertrag durch einvernehmliche Aufhebung gelöst, berührt das den Handelsvertreterausgleich nicht. Dies gilt selbst dann, wenn der Wunsch zur Aufhebung des Handelsvertretervertrags vom Handelsvertreter ausging.

Anspruch auf Handelsvertreterausgleich besteht demnach nicht wenn:

a. Der Handelsvertreter den Handelsvertretervertrag selbst gekündigt hat, 
- es sei denn, dass ein Verhalten des vertretenen Unternehmers hierzu begründeten Anlass gegeben hat.
Kann dem Handelsvertreter eine Fortsetzung seiner Tätigkeit wegen seines Alters oder Krankheit nicht mehr zugemutet werden, bleibt der Ausgleichsanspruch auf Handelsvertreterausgleich bestehen.

b. Das vertretene Unternehmen den Handelsvertretervertrag gekündigt hat und für die Kündigung ein wichtiger Grund wegen schuldhaftem Verhalten durch den Handelsvertreter vorlag.

Beispiele für Gründe für eine fristlose Kündigung sind:

  • Nichteinhaltung berechtigter Weisungen
  • Störungen des Vertrauensverhältnisses durch Verletzung eines vereinbarten Wettbewerbsverbots und Leugnen durch den Handelsvertreter im Prozess
  • Gewährung unzulässiger Preisnachlässe oder Entgegennahme zusätzlicher Provisionen von den Kunden und Verbreitung von kreditschädigenden Gerüchten über den Unternehmer
  • Eine umsatzschädigende Pflichtverletzung, auch wenn diese Pflichtverletzung unmittelbar zum Nachteil der Kunden und nur mittelbar zum Nachteil des Unternehmers begangen wurde. Schon der erhebliche Verdacht eines pflichtwidrigen Verhaltens durch den Handelsvertreter kann ausreichen.
  • Das Ausscheiden eines wichtigen Mitarbeiters beim Handelsvertreter kann ein Kündigungsgrund sein, allerdings dann nicht, wenn der Unternehmer dieses Ausscheiden selbst veranlasst oder gefördert hat.
  • Eine Betriebsumstellung aufgrund hoher Verluste rechtfertigt jedenfalls dann keine fristlose Kündigung durch den Unternehmer, wenn die Notwendigkeit dieser Umstellung lang vorhersehbar war.

Der Ausgleichsanspruch auf Handelsvertreterausgleich entfällt beispielsweise weiter durch Vereinbarungen zwischen dem vertretenen Unternehmen und dem Handelsvertreter darüber, dass ein Dritter anstelle des Handelsvertreters in das Vertragsverhältnis eintritt.   Den Handelsvertreterausgleich ausschliessende Vereinbarungen können wirksam jedoch erst nach Beendigung des Vertragsverhältnisses getroffen werden.

3. Erheblicher Vorteil für das Unternehmen

Das vertretene Unternehmen hat aus der Geschäftsverbindung mit neuen Kunden, die der Handelsvertreter geworben hat, auch nach Vertragsschluss einen erheblichen Vorteil (§ 89 b I Nr.1 HGB). Der Handelsvertreterausgleich soll dem Handelsvertreter diesen Vorteil des Unternehmers ausgleichen.
Der Handelsvertreterausgleich entfällt daher, wenn der Unternehmer keinen Vorteil hat.

4. Rechtliche Verpflichtung zur Überlassung des Kundenstamm

Für eine analoge Anwendung des Ausgleichsanspruch nach § 89 b HGB zugunsten eines Vertragshändlers ist zusätzlich Voraussetzung, dass der Vertragshändler gegenüber dem Unternehmen rechtlich verpflichtet ist, diesem den Kundenstamm zu überlassen bzw. mitzuteilen. Ausgangspunkt für die Analogie ist die charakteristische Einfügung des Vertragshändlers in den Vertrieb des Produktes. Diese Einordnung macht den Kundenkreis des Vertragshändlers faktisch zum Kundenkreis des Herstellers.

Problematisch ist allerdings die Zurechnungsfrage: Wann kann man sagen, dass Vorteile des Kundenkreises, die der Hersteller nach dem Ausscheiden vom Vertragshändler hat, vom Vertragshändler herrühren? Der BGH verlangt in ständiger Rechtsprechung, dass eine Rechtspflicht des Vertragshändlers zur Übertragung des Kundenstammes besteht. Die Kunden müssen dem Unternehmer von dem Vertriebsmittler unmittelbar zugeführt werden. Eine lückenlose Überlassung des Kundenstamms ist dabei nicht erforderlich. Es genügt, dass sie gewollt ist und durch die gewählte Methode tatsächlich erreicht werden kann. Ob der Unternehmer davon Gebrauch macht und zu welchen Zwecken dies geschehen soll, ist dabei ohne Bedeutung.

5. Billigkeitskriterium

Der Handelsvertreterausgleich muss schliesslich unter Berücksichtigung aller Umstände der Billigkeit entsprechen (§ 89 b I Nr. 2 HGB). Unter dem Billigkeitskriterium versteht man, dass der Ausgleichsanspruch nach Grund, Höhe und Art der Leistung angemessen ist.

 

II Sonderregeln für Versicherungsvertreter und Bausparkassenvertreter

Dem Versicherungsvertreter wird der Ausgleichsanspruch nicht für die Schaffung eines Kundenstammes zugebilligt. Der Ausgleichsanspruch beim Versicherungsvertreter stellt lediglich eine Entschädigung für die ihm infolge der Beendigung des Vertragsverhältnisses entgehenden Folgeprovisionen aus laufenden oder in einem engen Zusammenhang stehenden Versicherungsverträgen dar. Während also der Ausgleichsanspruch des Warenvertreter neben seinen Provisionsansprüchen besteht, erhält der Versicherungsvertreter den Ausgleichsanspruch anstelle seiner Provisionsansprüche.

Weitere Sonderregeln gelten für Vertragshändler in der Automobilwirtschaft.

III VERJÄHRUNG

Der Handelsvertreterausgleich ist innerhalb einer Ausschlussfrist von einem Jahr nach Beendigung des Vertragsverhältnisses geltend zu machen (§ 89 IV S. 2 HGB). Die Ansprüche aus dem Vertragsverhältnis verjähren in 3 Jahren, beginnend mit dem Schluss des Jahres, in dem sie fällig geworden sind. Die früher geltende 4-jährige Verjährung in § 88 HGB wurde 2004 gestrichen.

Die Verjährungsfrist kann grundsätzlich durch Vereinbarung abgekürzt werden. Es können daher im Handelsvertretervertrag kürzere Verjährungsfristen vereinbart werden - auch für den Handelsvertreterausgleich. Die so vereinbarten Fristen müssen jedoch für den Handelsvertreter mindestens so lang sein wie für das Unternehmen. Eine einseitige Schlechterstellung zu Lasten vom Handelsvertreter ist unwirksam.
Für den Beginn der Verjährungsfrist ist das Jahr der Fälligkeit des Anspruchs des Handelsvertreterausgleich maßgeblich.
Der Ausgleichsanspruch ist fällig, wenn der Handelsvertretervertrag endet - nicht bereits mit der Kündigung.

 

Anmerkungen:

Die Probleme bei der Geltendmachung von Handelsvertreterausgleich wie bei der Berechnung und Durchsetzung von Ansprüchen auf Handelsvertreterausgleich können mit diesem Beitrag allenfalls angeschnitten werden.
Weit verbreitet ist der Irrtum, dass der Handelsvertreterausgleich pauschal eine Jahresprovision betrage. Die Berechnung von Handelsvertreterausgleich ist kompliziert und hängt von etlichen Faktoren ab. Wir berechnen Ihren Handelsvertreterausgleich gerne. Sprechen Sie uns an.
Sofern Sie Fragen zum Handelsvertreterausgleich haben, stehen wir Ihnen ebenfalls gerne zur Seite.


Kontakt: brennecke@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: August 2009


Wir beraten Sie gerne persönlich, telefonisch oder per Mail. Sie können uns Ihr Anliegen samt den relevanten Unterlagen gerne unverbindlich als PDF zumailen, zufaxen oder per Post zusenden. Wir schauen diese durch und setzen uns dann mit Ihnen in Verbindung, um Ihnen ein unverbindliches Angebot für ein Mandat zu unterbreiten. Ein Mandat kommt erst mit schriftlicher Mandatserteilung zustande.
Wir bitten um Ihr Verständnis: Wir können keine kostenlose Rechtsberatung erbringen.


Über die Autoren:

Harald Brennecke, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

Portrait Harald-Brennecke

Harald Brennecke ist seit Jahren im Handelsvertreterrecht und sonstigen Vertriebsrecht tätig. Seine Schwerpunkte liegen im Bereich Handelsvertreterausgleich und Handelsvertreterprovision. Er erstellt und prüft alle Formen von Vertriebsverträgen und prüft Ihren Handelsvertretervertrag, Vertragshändlervertrag, Handelsmaklervertrag oder Franchisevertrag.

Er berät und vertritt bei Auseinandersetzungen über Vertreterprovisionen, Provisionsvorauszahlungen sowie (unberechtigte) Provisionsrückzahlungsansprüche gegen Handelsvertreter, Versicherungsvertreter und Handelsmakler.
Er berät im Vorfeld von Beendigungen von Handelsvertreterverträgen, Vertragshändlerverträgen, gestaltet oder prüft Kündigungen und verhandelt Vertragsaufhebungen des Vertretungsverhältnisses.
Er vertritt bei Streitigkeiten über wettbewerbswidrig verwendete Kundendaten bis hin zur strafrechtlichen Vertretung wegen des Verrats oder der unbefugten Verwendung von Betriebsgeheimnissen durch ehemalige Vertreter nach 17 UWG.
Er berät und vertritt Unternehmer und Vertreter bei der Gestaltung von Kooperationsverträgen und bei der Geltendmachung von Ansprüchen aus Provisionsvorschüssen.

Er hat mehrere Bücher zum Thema veröffentlicht, so

  • "Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters", 2007, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-04-5
  • "Die Provision des Handelsvertreters - Eine Einführung", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-14-4
  • "Die Wettbewerbsabrede nach Beendigung des Handelsvertretervertrages", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-03-8
  • "Franchiserecht - Eine Einführung in das Recht des Franchising", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-15-1
  • "17 UWG - Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen", 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-38-0

Rechtsanwalt Brennecke ist Dozent für Handelsvertreterrecht. Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zu den Themen:

  • Handelsvertreterrecht
  • Vertriebssysteme gestalten – angestellte oder freie Vertriebsmitarbeiter ?
  • Der Aufbau von Franchisesystemen
  • Kundendatenschutz aus rechtlicher und praktischer Sicht

Kontaktieren Sie Rechtsanwalt Harald Brennecke unter:
Mail: brennecke@brennecke-rechtsanwaelte.de
Telefon: 0721-20396-28

 

Normen: 89 b HGB

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