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Zahlungsbegriff nach § 15 Abs. 1 InsO

1.1.1 Zahlungsbegriff nach § 15b Abs. 1 InsO

Der Begriff der Zahlungen ist weit auszulegen. Nach dem Zweck des Zahlungsverbot, der Sicherung der Insolvenzmasse, ist unter Zahlung jede Minderung des Aktivvermögens der Gesellschaft zu verstehen.

1.1.1.1 Barzahlung und Überweisungen von kreditorisch geführten Konten

Zahlungen können in Form von Geld getätigt werden. Darunter fallen zum einen Zahlungen in bar, beispielsweise aus dem Kassenbestand der Gesellschaft. Zum anderen sind Zahlungen von kreditorisch (im Guthaben) geführten Konten von dem Verbot erfasst. Dabei sind Überweisungen, Einzüge von Berechtigten und das Einlösen von Schecks Möglichkeiten, wie Zahlungen von kreditorisch geführten Konten getätigt werden können. Durch den Abfluss aus dem Kassenbestand oder einem kreditorisch geführten Bankkonto kommt es durch eine direkte Schmälerung der Aktiva zur Verschlechterung der Insolvenzmasse (Zitat).

1.1.1.2 Forderungen

Der Verlust einer Forderung stellt einer verbotenen Zahlung im Sinne des § 15b Abs. 1 InsO gleich. Das kann zum einen durch die Abtretung der Forderung an Dritte oder durch Erlass gegenüber dem Schuldner geschehen. Zum anderen kann die Forderung mit einer Gegenforderung der Gesellschaft aufgerechnet werden. Durch den Verlust der Forderung kommt es zur Schmälerung der Aktivmasse und verringert die Befriedigungsaussichten der Gläubigergesamtheit. Zwar können einzelne Gläubiger so befriedigt werden, die Insolvenzmasse für die Gesamtheit der Gläubiger wird jedoch geschmälert (Zitat).

1.1.1.3 Waren und Dienstleistungen

Ebenfalls unter den Zahlungsbegriff fällt die Lieferung oder Weggabe von Vermögensgegenständen, wie Waren, an einzelne Gläubiger. Die Erbringung einer Werkleistung erfordert gleichermaßen die Verwendung von Vermögensgegenständen und ist daher verboten.

Hierbei wird der objektive wirtschaftliche Wert der Waren als Bewertungsmaßstab verwendet. Daher ist die Weggabe von wertlosen Gegenständen erlaubt. (Zitat).

Arbeitskraft ist kein Teil der Aktivmasse der Gesellschaft. Daher ist die Erfassung von Dienstleistungen durch das Zahlungsverbot umstritten. Das bloße Erbringen einer unentgeltlichen Dienstleistung stellt noch keine Zahlung dar. Kann erwartet werden, dass die Dienstleistung gegen eine Vergütung ausgeführt wird, kann eine Zahlung i.S.v. § 15b InsO vorliegen. In diesem Fall ist keine Unterscheidung zu machen, ob im Voraus keine Gegenleistung für die Dienstleistung erbracht wird, oder ob die Gegenleistung später erlassen wird. Es entsteht ein Vorteil für den einzelnen Gläubiger auf Kosten der Gesamtheit der Gläubiger durch den Erlass der Forderung. Die Aktivmasse wird geschmälert. Daher liegt eine Zahlung vor. Kann jedoch davon ausgegangen werden, dass die Dienstleistung unentgeltlich erfolgt, entsteht von Vornerein kein Vorteil

(Zitat).

Beispiel

G ist der Geschäftsführer der insolvenzreifen X-GmbH, die sich auf die Installation von Heizungen spezialisiert hat. Der langjährige Freund F von G bittet G trotz der Insolvenzreife darum, in dessen renovierten Wohnzimmer eine neue Heizung zu installieren. Da die X-GmbH noch die notwendigen Materialien hat, denkt G nicht darüber nach und installiert die Heizung bei F. Die X-GmbH benötige die eingebaute Heizung sowieso nicht mehr, da G bald einen Insolvenzantrag stellt und für die Installation benötigt G nur einen Tag. Als F nach dem Preis für die Installation fragt, erwidert G, dass er von seinem alten Freund doch kein Geld für diese Kleinigkeit verlange. Die Gesellschaft ginge sowieso zugrunde, da hilft er vorher gerne noch einem Freund.

  • G haftet persönlich für die an F erbrachte Werksleistung nach § 15b Abs. 4 InsO. Wird der Anspruch durch den Insolvenzverwalter geltend gemacht, muss G den Wert ersetzen, den er im Normalfall für die erbrachte Leistung verlangt hätte. Dabei schuldet G Ersatz für die Herausgabe der Heizung aus dem Gesellschaftsvermögen und zusätzlich für die erbrachte Arbeitszeit, die er F nicht in Rechnung gestellt hat.

1.1.1.4 Bestellung von Sicherheiten

Wird aus dem Gesellschaftsvermögen etwas besichert, handelt es sich hierbei um eine verbotene Zahlung im Sinne des § 15b Abs. 1 InsO. Wird eine Rücktrittsvereinbarung abgeschlossen oder eine Gesellschaftsforderung gestundet handelt es sich ebenfalls um eine verbotene Zahlung (Zitat).

1.1.1.5 Aufnahme neuer Verbindlichkeiten

Die Aufnahme neuer Verbindlichkeiten fällt nicht unter den Begriff der Zahlung. Die Passivmasse ist nicht vom Zahlungsverbot des § 15b Abs. 1 InsO geschützt, da der Geschäftsführer durch das Verbot lediglich für den Erhalt der Aktivmasse zu sorgen hat. (Zitat). Eine Haftung für die Aufnahme neuer Verbindlichkeiten kann gegebenenfalls nach § 15a InsO iVm § 823 Abs. 2 BGB ausgelöst werden und es sollte im Zweifelsfall davon abgesehen werden (Zitat).

1.1.1.6 Zahlung durch Drittmittel

Erfolgt eine Zahlung aus Drittmitteln, bleibt das Gesellschaftsvermögen unberührt und somit kommt es nicht zu einer Verschlechterung der Befriedigungsmöglichkeiten. Es findet lediglich ein Gläubigerausgleich statt. Damit handelt es sich nicht um eine Zahlung im Sinne des § 15b Abs. 1 InsO. Veranlasst der Geschäftsführer hingegen, dass ein Schuldner der GmbH nicht an die Gesellschaft, sondern an einen Gläubiger leistet liegt eine verbotene Zahlung vor. In diesem Fall wird ein einzelner Gläubiger bevorzugt und die Befriedigungsaussichten der Gläubigergesamtheit verschlechtert sich um die Zahlung. Die in den Aktiva erfasste Forderung wird aus der Insolvenzmasse genommen (Zitat).

1.1.1.7 Überweisungen von debitorisch geführten Konten

Überweisungen von debitorisch (nicht mit Guthaben, sondern in negativem Kontostand) geführten Konten sind keine Zahlungen nach § 15b Abs. 1 InsO. Durch die Überweisungen von den Konten entsteht keine Schmälerung der Insolvenzmasse, da die Belastung bei der Bank liegt, sofern diese über keine Gesellschaftssicherheiten verfügt. Die Zahlung steigert die Höhe der Verbindlichkeit gegenüber der Bank und senkt nicht die Aktivmasse der Gesellschaft. Werden durch Überweisungen von debitorischen Konten Gesellschaftsverbindlichkeiten getilgt, findet lediglich ein Gläubigerwechsel statt. (Zitat).

Beispiel

Die X-GmbH, geführt durch G, ist zahlungsunfähig. Trotz allem ist es der B-Bank nicht aufgefallen und G hat weiterhin Zugriff auf ein Konto der X-GmbH bei der B-Bank, welches im Debit geführt wird. Da G darauf hofft, dass die X-GmbH in Zukunft noch bestehen kann, zahlt er trotz der insolvenzreife eine fällige Verbindlichkeit an seinen langjährigen Lieferanten L. Das Geld überweist er von dem debitorisch geführten Konto bei der B-Bank.

  • Durch die Zahlung an L hat G nicht gegen das Zahlungsverbot nach § 15b Abs. 1 InsO gezahlt und somit ist keine Haftung nach § 15b Abs. 4 InsO begründet. Bei der Zahlung handelt es sich lediglich um einen Gläubigerwechsel. Die Zahlung geht zulasten der B-Bank und zugunsten des L. Das Gesellschaftsvermögen der X-GmbH wird nicht berührt und somit findet keine Verschlechterung der Befriedigungsaussichten für die Gläubiger statt.

1.1.1.8 Überweisungen auf debitorisch geführte Konten

Anders verhält es sich hingegen bei Eingängen auf debitorisch geführte Konten der GmbH. Dabei handelt es sich um Zahlungen, da diese Eingänge nur der Bank und nicht der Gesellschaft zugutekommen. Es werden Darlehensverbindlichkeiten der GmbH gegenüber der Bank verringert und dadurch die Aktivmasse geschmälert. (Zitat). Der Geschäftsführer muss, um die Haftung nach § 15b Abs. 4 InsO zu verhindern, ein neues Konto eröffnen, sofern nur ein debitorisch geführtes Konto besteht. Damit keine Zahlung auf das debitorische Konto vorgenommen wird, umfasst seine Sorgfaltspflicht zusätzlich, dass er die Schuldner der GmbH darüber informiert, dass diese an das neue kreditorisch geführte Konto zahlen sollen.

Beispiel

G ist Geschäftsführer der zahlungsunfähigen X-GmbH. Um sich aus der Krise zu retten, bittet er einen Schuldner B der X-GmbH eine noch nicht fällige Rechnung zu Zahlen. Aufgrund ihrer langen und guten Geschäftsbeziehung lässt sich B darauf ein und zahlt den Betrag auf ein Konto der X-GmbH. Dabei vergisst er jedoch dem Schuldner die Bankverbindung für das kreditorisch geführte Konto der X-GmbH mitzuteilen. Wie von früheren Aufträgen gewohnt überweist der B das Geld auf ein Konto der X-GmbH, welches im Soll geführt wird.

  • G haftet persönlich nach § 15b Abs. 1, Abs. 4 InsO für die Zahlung, die der Schuldner auf das debitorisch geführte Konto überwiesen hat. Die Forderung der X-GmbH war ein Teil des Gesellschaftsvermögens. Im Insolvenzverfahren hätte der Insolvenzverwalter diese Zahlung geltend machen können und es handelt sich daher um verteilungsfähige Masse. Durch die Überweisung auf das debitorisch geführte Konto kommt die Zahlung jedoch nicht der Gläubigergesamtheit, sondern nur der Bank, bei welcher das Konto geführt wird, zugute. Dadurch verstößt G gegen das Zahlungsverbot nach § 15b Abs. 1 InsO und eine Haftung nach § 15b Abs. 4 InsO ist begründet.

 

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zum vorhergehenden Teil des Buches

Links zu allen Beiträgen der Serie Buch - Geschäftsführerhaftung für Zahlungen vor der Insolvenz

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Herausgeber / Autor(-en):

Harald Brennecke, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz

Portrait Harald-Brennecke

Rechtsanwalt Harald Brennecke ist im Datenschutzstrafrecht als Strafverteidiger tätig.

Rechtsanwalt Brennecke hat zum Datenschutzrecht veröffentlicht:

  • „17 UWG – Betriebsgeheimnisse und Verrat durch (ehemalige) Mitarbeiter“, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-38-0
  • "Einführung in das Datenschutzrecht", Kapitel im E-Business Handbuch für Entscheider, 2. Aufl., ISBN 3.540-43263-9, 2002, Springer-Verlag

Folgende Veröffentlichung von Rechtsanwalt Brennecke ist in Vorbereitung:

  • Einführung in das Datenschutzstrafrecht

Rechtsanwalt Brennecke war an der IHK Karlsruhe als Dozent für Datenschutzrecht tätig. Er ist Dozent für Datenschutzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.

Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zu den Themen:

  • Schutz von Kundenadressen und Geschäftsgeheimnissen – 17 UWG in Theorie und Praxis
  • Datenschutzstrafrecht
  • Datenschutz in Franchisesystemen – Die unterschätzte Gefahr für Franchisesysteme

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