Weisung von Gesellschaftern und Berücksichtigung der Insolvenzquote
1.1.1 Weisung der Gesellschafter
Nach § 15b Abs. 4 S. 3 InsO kann sich der Geschäftsführer nicht darauf berufen, dass die Zahlung aufgrund einer Weisung der Gesellschafter getätigt wurde. Der Gläubigerschutz steht hierbei über der Weisungsbefugnis der Gesellschafter, weshalb der Geschäftsführer der Weisung nicht folgen darf (Zitat).
1.1.2 Insolvenzanfechtung
Der Geschäftsführer kann dem Anspruch nach § 15b Abs. 4 InsO nicht entgegenhalten, dass der Insolvenzverwalter die Zahlung durch Insolvenzanfechtung nach §§ 129 ff. InsO zurückholen kann.
1.1.2.1 Anfechtungsgründe
Durch die Insolvenzanfechtung soll es dem Insolvenzverwalter nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens möglich sein, gewisse Zahlungen einer GmbH an einzelne Gläubiger anzufechten und somit die dadurch verringerte Insolvenzmasse wieder aufzufüllen. Daher liegt kein Grund für eine Insolvenzanfechtung vor, wenn durch das Rechtsgeschäft keine Benachteiligung für die Gläubigergesamtheit geschaffen wird. Werden die Gläubiger benachteiligt, liegt daher in den meisten Fällen ein Grund für die Insolvenzanfechtung vor. Die Insolvenzanfechtung lässt sich in vier Arten unterscheiden:
- Besondere Insolvenzanfechtung (§§ 130 – 132 InsO)
- Anfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligung (§ 133 InsO)
- Anfechtung wegen unentgeltlicher Leistung (§ 134 InsO)
- Anfechtung eines Gesellschafterdarlehens (§ 135 InsO)
Besteht ein Grund für die Insolvenzanfechtung, kann der Insolvenzverwalter diese geltend machen und der Empfänger der Zahlung hat diese zurückzugewähren. Dadurch soll der Zustand hergestellt werden, als wäre die anfechtbare Handlung nicht vorgenommen worden. Ist die Rückgewähr nicht möglich, schuldet der Anfechtungsgegner Wertersatz (Zitat).
1.1.2.2 Insolvenzanfechtung im Verhältnis zu § 15b Abs. 4 InsO
Der Insolvenzverwalter ist gegenüber der Gesellschaftsgläubiger nach § 60 InsO verpflichtet, Zahlungen in der Insolvenzlage anzufechten und die Masse somit wieder aufzufüllen. Diese Pflicht besteht jedoch nicht gegenüber dem Geschäftsführer. Die Haftung des § 15b Abs. 4 InsO besteht daher neben der Insolvenzanfechtung. Macht der Insolvenzverwalter den Anspruch nach § 15b Abs. 4 InsO gegenüber dem Geschäftsführer geltend, obwohl noch ein mögliches Anfechtungsrecht des Insolvenzverwalters besteht, hat der Geschäftsführer kein Recht, die Leistung zu verweigern. Dem Insolvenzverwalter steht frei, welchen Anspruch er geltend macht. Seine Entscheidung trifft er danach, welcher der Ansprüche die besten Aussichten auf Auffüllung der Insolvenzmasse bietet. Trotzdem soll es nicht möglich sein, beide Ansprüche geltend zu machen und so die Insolvenzmasse zu bereichern (Zitat).
Macht der Insolvenzverwalter den Anfechtungsanspruch geltend, kann der Geschäftsführer dies als erhaltenen Gegenwert zu seiner Zahlung gelten machen und der Anspruch nach § 15b Abs. 4 S. 2 InsO kann gemindert werden.
Macht der Insolvenzverwalter den Anspruch nach § 15b Abs. 4 InsO geltend, kann der Geschäftsführer den bestehenden Anspruch ebenfalls als erlangten Gegenwert geltend machen. Hierbei muss er jedoch die Höhe und des durch die Anfechtung erlangten darlegen und beweisen. Da dies in der Praxis in der Regel schwierig oder sogar unmöglich ist, steht dem Geschäftsführer zu, die Abtretung des Anfechtungsanspruchs nach § 255 BGB Zug-um-Zug zu der Erfüllung des Anspruchs aus § 15b Abs. 4 InsO zu verlangen. So kann er selbst den Anfechtungsanspruch aus § 129 ff. InsO geltend machen und sich die ursprüngliche Zahlung zurückholen (Zitat).
Beispiel
Der Geschäftsführer G der A-GmbH verschenkt nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit auf Weisung des Geschäftsführers einen Firmenwagen der A-GmbH an die Ehefrau E des G. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfährt der Insolvenzverwalter I von der Schenkung des Firmenwagens. I ficht die Schenkung nach § 134 Abs. 1 InsO gegenüber E an und verlangt nach § 143 InsO die Herausgabe des Firmenwagens. E folgt der Weisung von I und gibt den Firmenwagen heraus.
- Durch die Herausgabe des Firmenwagens an E hat sich G nach § 15b Abs. 4 InsO ersatzpflichtig gemacht. Dadurch, dass I die Schenkung angefochten hat und dadurch den Firmenwagen zurückgefordert hat, kann G den Rückerhalt des Firmenwagens als Gegenleistung geltend machen. Dadurch entfällt der Anspruch aus § 15b Abs.4 InsO und G ist nicht zum Ersatz der geleisteten Zahlung verpflichtet.
Beispiel
Nach der Schenkung durch G an einen Dritten D hat D den Firmenwagen weiterverkauft. Da I nicht sicher ist, ob D Wertersatz leisten kann, macht er den Anfechtungsanspruch nicht geltend. Er richtet sich an G und macht den Ersatzanspruch nach § 15b Abs. 4 InsO geltend.
- G kann von I die Abtretung des Anfechtungsanspruchs nach § 255 BGB Zug-um-Zug gegen Abtretung des Anfechtungsanspruchs nach § 15b Abs. 4 InsO verlangen. Zahlt G den Wertersatz, erhält er den Anfechtungsanspruch und kann diesen gegen D geltend machen. Dadurch kann er sich von D Wertersatz für den Firmenwagen nach § 143 InsO zurückholen.
1.1.3 Berücksichtigung der Insolvenzquote
Befriedigt der Geschäftsführer verbotenerweise eine Verbindlichkeit eines Gläubigers, haftet er für die komplette Zahlung. Eine Anrechnung der Insolvenzquote, die der Gläubiger ohne diese Zahlung erhalten hätte, ist nicht vorzunehmen. Da die Insolvenzquote erst am Ende des Insolvenzverfahrens feststeht, kann der Geschäftsführer die Höhe des zu verrechnenden Betrags nicht beweisen. Damit eine Bereicherung der Insolvenzmasse trotzdem nicht zustande kommt, muss es dem Geschäftsführer zustehen, diesen Betrag am Ende des Insolvenzverfahrens vom Insolvenzverwalter verlangen zu können. Damit die Summe der einzelnen Zahlungen die Höhe des Gesamtgläubigerschadens nicht übersteigt, kann der Geschäftsführer die Insolvenzquote ebenfalls bei dem Beweis eines geringeren Gesamtschadens entgegenhalten. Entgegen der alten Rechtslage, nach der überhaupt keine Betrachtung des Gesamtgläubigerschadens eine Rolle spielt, soll die Beachtung der Insolvenzquote jedoch nicht mehr von Amts wegen, sondern im Zuge eines durch den Geschäftsführer zu führenden Beweises eines geringeren Schadens erfolgen (Zitat).
Beispiel
Obwohl die A-GmbH überschuldet ist, zahlt der Geschäftsführer G verbotenerweise eine offene Rechnung an seinen Lieferanten L, mit dem er schon seit dem Studium befreundet ist. Die Höhe der Zahlung bemisst sich auf 50.000 Euro. Im Insolvenzverfahren wird vom Insolvenzverwalter der Anspruch auf Rückzahlung der 50.000 Euro nach § 15b Abs. 4 InsO gegen G geltend gemacht. Am Ende des Verfahrens stellt sich heraus, dass L eine Insolvenzquote von 5%, umgerechnet 2.500 Euro erhalten hätte.
- Zum Zeitpunkt, an dem der Anspruch gegen G geltend gemacht wird, ist die genaue Insolvenzquote für L noch nicht bekannt. Er kann sich keine hypothetische Insolvenzquote mindernd auf den Betrag von 50.000 Euro anrechnen lassen. Trotzdem soll es nicht zu einer Verbesserung der Befriedigungsaussichten der Gläubiger kommen. Daher muss das Gericht von Amts wegen einen Vorbehalt für G eintragen und G steht es zu, am Ende des Insolvenzverfahren 2.500 Euro aus der Insolvenzmasse durch den Insolvenzverwalter zu erhalten.
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