Insolvenzrecht und Restschuldbefreiung in Europa - Teil 09 - Frankreich Teil 4

2.2.5.4. Treuhänder

Das Gesetz gibt dem Richter die Möglichkeit, einen Treuhänder (mandataire) zu bestellen. Im Verfahren nach dem Verbrauchergesetzbuch beschäftigt er sich mit der sozialen Situation des Schuldners. Stellt er im Laufe der Untersuchung fest, dass der Schuldner nicht in der Lage ist, seine Angelegenheiten selbst zu regeln, dann kann die von ihm geforderte „soziale Betreuung“ darin bestehen, ein entsprechendes Vormundschafts- oder Betreuungsverfahren einzuleiten.

Im Wesentlichen beschäftigt sich der Treuhänder mit den Gläubigern, überprüft die Forderungen und erstellt eine Bilanz der Aktiva und Passiva des Schuldners. Neben der rein ökonomischen Bilanz muss er auch eine Bilanz der sozialen Situation des Schuldners erstellen – beide muss der Treuhänder dem Richter innerhalb einer Frist von 4 Monaten seit seiner Ernennung vorlegen.
Falls die Vermögensverwertung unabwendbar ist, wird ein Liquidator bestellt – es kann sich auch um die Person des vorher bestellten Treuhänders handeln. Mit dem Eintritt in die Liquidationsphase verliert der Schuldner vollständig die Verfügungsbefugnis über sein Eigentum ebenso wie das Recht, im eigenen Vermögensinteresse vor Gericht zu agieren – diese Rechte nimmt nun der Liquidator für ihn wahr.

2.2.5.5. Privatinsolvenz in Elsass - Lothringen

2.2.5.5.1. Sonderstellung

Die Departements Haut-Rhin, Bas-Rhin und Moselle (Elsass - und der Teil von Lothringen, der dem Lokalrecht unterliegt ) haben im Verbraucherinsolvenzverfahren eine Sonderstellung – der Grund dafür ist die besondere historische Situation in dieser Region und die frühere Anwendung des deutschen Rechts: in diesen Gebieten wurde im Jahre 1879 das deutsche Konkursrecht eingeführt. Ein französisches Gesetz vom 01.06.1924, durch das das französische Handelsrecht in Elsass-Lothringen eingeführt wurde, verfolgte mit seinen Artikeln 22 bis 24 einen Kompromiss mit der vorherigen Regelung, wodurch eine Sondersituation geschaffen wurde. „Ausgehend von der alten Rechtslage wurde bestimmt, dass die gesetzlichen Vorschriften über das Regelinsolvenzverfahren nach Handelsrecht auch für natürliche Personen gelten, die weder Kaufleute, Handwerker noch Landwirte sind, wenn sie ihren Wohnsitz in den Départements Haut-Rhin, Bas-Rhin und Moselle haben.“

2.2.5.5.2. Verfahrensgrundsätze

Die Verfahrengrundsätze kann man im Folgenden zusammenfassen:

  • die Gleichbehandlung von juristischen und natürlichen Personen,
  • die Verfahrenseröffnung auch bei Masselosigkeit (falls die Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist),
  • keine Wohlverhaltensphase bei natürlichen Personen,
  • die Restschuldbefreiung wird mit der Beendigung des Verfahrens vom Gericht ausgesprochen.

2.2.5.5.3. Eröffnung des Verfahrens

Das Verfahren wird meistens, aber nicht zwingend, auf Antrag des Schuldners eröffnet, in dem er erklären muss, was für eine Form des Verfahrens er vorschlägt:

  • das Schutzverfahren,
  • das Sanierungsverfahren, wenn er denkt, dass er einen Plan aufstellen kann,
  • die Liquidation, wenn er denkt, dass seine Situation aussichtslos ist ( führt zu einer Restschuldbefreiung).

Die Angabe ist zwar zwingend, aber der Richter ist daran nicht gebunden.

2.2.5.5.4. Ablauf des Verfahrens

Falls ein Schutzverfahren oder Sanierungsverfahren eröffnet wird, folgt eine Beobachtungsperiode von 6 Monaten, die auf höchstens 12 Monate, ausnahmsweise auf 18 Monate verlängert sein kann.
Nach Ablauf der Beobachtungsfrist sollten beide Verfahren dazu führen, dass dem Gericht ein Sanierungsplan vorgelegt sein sollte. Der Sanierungsplan kann für höchstens 10 Jahre abgeschlossen werden und sieht Abzahlung der Schulden mit Rabatten und Fristen vor, wie sie von den Gläubigern zugestanden wurden, oder mit den Fristen, die das Gericht genehmigt hat.
Besteht sichtbar keine Möglichkeit einer Sanierung, kann der Richter unverzüglich das Liquidierungsverfahren eröffnen.

2.2.5.5.5. Restschuldbefreiung

Die Restschuldbefreiung im Rahmen der Liquidation entsteht durch den Abschluss des gerichtlichen Verfahrens.
Hierzu führen 2 Möglichkeiten:

  • die Durchführung eines gewöhnlichen Verfahrens
  • oder eines vereinfachten Verfahrens.

2.2.5.5.5.1. Das vereinfachte Verfahren

Das vereinfachte Verfahren kann nur angeordnet werden, wenn keine Immobilie vorhanden ist, in den 6 Monaten vor dem Urteil weniger als 5 Angestellte vorhanden waren und weniger als 750.000 Euros Umsatz oder Jahreseinkommen erzielt wurden. Im vereinfachten Verfahren wird durch das Gericht entschieden, was während 3 Monaten verkauft werden soll; das Verfahren dauert höchstens 12 Monate. Danach wird das Verfahren abgeschlossen, sodass Restschuldbefreiung entsteht.

2.2.5.5.5.2. Das gewöhnliche Verfahren

Im gewöhnlichen Verfahren werden die Immobilien verkauft oder versteigert und es dauert wesentlich länger als das vereinfachte Verfahren. Es besteht eigentlich absolut keine effektive Begrenzung der Verfahrensdauer.

In beiden Situationen werden nicht alle Schulden freigestellt, zum Beispiel die Neuschulden nach Eröffnung des Verfahrens oder die Schulden aus einem Strafurteil bestehen für den Schuldner weiter.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch "Insolvenzrecht und Restschuldbefreiung in Europa - Ein Vergleich der Insolvenzordnungen der Länder der EU" von Harald Brennecke und Eva Otépková, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-05-2.


 

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Stand: März 2009


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Über die Autoren:

Harald Brennecke, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

Portrait Harald-Brennecke

Rechtsanwalt Harald Brennecke ist Gründer und Managing Partner der Kanzlei Brennecke & Partner. Er ist überwiegend im Bereich des Insolvenzrechts für Unternehmer und Unternehmen tätig.

Harald Brennecke ist seit 1999 im Bereich der Unternehmenssanierung tätig. Als Fachanwalt für Insolvenzrecht gestaltet er Sanierungen und begleitet Firmeninsolvenzen. Rechtsanwalt Brennecke berät insbesondere Geschäftsführer in der Unternehmenskrise hinsichtlich der für diese bestehenden  Haftungsrisiken sowie Gesellschafter im Interesse der Unternehmenssanierung unter dem Blickwinkel des Unternehmens als Vermögensbestandteil des Gesellschafters. Er vertritt bei unzulässigen oder unbegründeten Insolvenzanträgen. Rechtsanwalt Brennecke verhandelt mit Insolvenzverwaltern hinsichtlich des Erwerbs von Unternehmen aus der Insolvenz zum Zwecke der Unternehmensfortführung durch Investoren oder Familienangehörige. Weiter vertritt Rechtsanwalt Brennecke bei Ansprüchen des Insolvenzverwalters aus Anfechtung gegen Gesellschafter, Familienangehörige oder Dritte sowie bei (den häufig unterschätzten) Haftungsansprüchen gegen Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften.   

Er berät Insolvenzschuldner hinsichtlich der Erlangung der Restschuldbefreiung und der hierfür erforderlichen Obliegenheiten und vertritt im gesamten Insolvenzverfahren um sicherzustellen, dass der Schuldner die an ihn gestellten Obliegenheitsanforderungen zur Erlangung der Restschuldbefreiung (die über das hinausgehen, was ein Insolvenzverwalter vom Schuldner verlangt und verlangen darf) erfüllt. Der Irrtum, dass Insolvenzschuldner alleine dann schon Restschuldbefreiung erhielten, wenn sie alle Anforderungen des Insolvenzverwalters erfüllen, ist leider immer noch weit verbreitet.

Rechtsanwalt Brennecke berät Schuldner über das Vorgehen bei der Nutzung der Alternativen des europäischen Insolvenzrechts zur Restschuldbefreiung. In wenigen speziellen Fällen bietet ausländisches Insolvenzrecht Vorteile.

Er hat mehrere Bücher im Bereich Insolvenzrecht veröffentlicht, so

  • "Gesellschaftsrecht in der Insolvenz", ISBN 978-3-939384-267
  • "Die Limited in der Insolvenz", ISBN 978-3-939384-34-2
  • "Der Insolvenzplan – Sanierungsinstrument in der Insolvenz", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-06-9
  • "Die Restschuldbefreiung", 2006, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-00-7 
  • "Privatinsolvenz/Verbraucherinsolvenz - Eine Einführung", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-13-1
  • "Insolvenz und Restschuldbefreiung in Europa", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-05-2
  • "Der Insolvenzplan und der Verbraucherinsolvenzplan - Sanierungsinstrument in der Insolvenz - für Verbraucher und Unternehmen", ISBN 978-3-939384-06-9
  • "Die Regelinsolvenz - Insolvenz für Unternehmer und Unternehmen", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-07-6 
  • "Das Recht der GmbH", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-33-5
  • "Der Gesellschaftsvertrag der GmbH - Die GmbH-Satzung in Theorie und Praxis", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-40-3
  • "Der Unternehmenskauf -  Rechtliche Risiken bei Kauf und Verkauf mittelständischer Unternehmen", Verlag Mittelstand und Recht, 2014, ISBN 978-3-939384-18-2
  • "Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-29-8

Weitere Veröffentlichungen sind in Vorbereitung, so

  • „Selbständigkeit in der Insolvenz“
  • „Schutzschirm und Eigenverwaltung“
  • „Die Liquidation von Kapitalgesellschaften“

Er ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht im DeutscherAnwaltVerein und Dozent für Insolvenzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.  Er moderiert die Gruppe Insolvenz und Insolvenzvermeidung bei XING.
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

  • Insolvenzrecht für Gründer und lebende Unternehmen: Aus Insolvenzen anderer lernen heißtdas eigene Insolvenzrisiko zu vermeiden
  • Unternehmenssanierung: Kopf aus dem Sand! Wer zu spät reagiert, reagiert nie wieder.
  • Insolvenzrecht für Steuerberater – Grundlagen des Insolvenzrechts für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer 
  • Insolvenzrecht für Unternehmensberater – Sanierungschancen erkennen und wahren
  • Insolvenzberatung: das (enorme) Haftungsrisiko des Sanierungsberaters 
  • Selbständigkeit in der Insolvenz – die große Chance des Neustarts


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