Erlaubte Zahlungen nach § 15 Abs. 1 S. 2 InsO
1.1.1 Erlaubte Zahlungen
Wenn die Voraussetzung einer Zahlung im Sinne des. § 15b Abs. 1 S. 1 InsO vorliegen, lösen nach S. 2 gewisse Zahlungen trotzdem keine Haftung aus. Erlaubt sind Zahlungen, die mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar sind. Dabei soll im Einzelfall entschieden werden, ob der Geschäftsführer pflichtbewusst handelt. Der Sorgfaltsmaßstab gleicht dem nach § 43 Abs. 1 InsO. Der Geschäftsführer hat im Interesse der Gläubigerschaft und nicht mehr der GmbH zu handeln. Maßnahmen, die zur Beseitigung der Insolvenzreife führen können im Interesse der Gläubigerschaft sein. Grund für diese Regelung ist, dass dem Geschäftsführer erlaubt sein soll, weiterhin Zahlungen zu tätigen, die der Fortführung des Unternehmens zugutekommen (Zitat).
1.1.1.1 Ordnungsgemäßer Geschäftsgang
In der Zeit zwischen dem Eintritt der Überschuldung oder der Zahlungsunfähigkeit und der Stellung des Insolvenzantrags, sofern diese noch rechtzeitig erfolgt, sind alle Zahlungen, die im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgen, haftungsprivilegiert. Dieses Haftungsprivileg gilt nur für Zahlungen bis zur Insolvenzverschleppung. Demnach sind alle Zahlungen, unabhängig davon, ob sie Teil des ordnungsgemäßen Geschäftsganges sind, nach § 15b Abs. 3 InsO pflichtwidrig, sofern der Insolvenzantrag verschleppt ist. Der Zeitpunkt der Verschleppung richtet sich nach § 15a Absatz 1 Satz 1 und 2 InsO. Bei Zahlungsunfähigkeit sind das drei Wochen und bei Überschulden sechs Wochen nach dem Eintritt.
Zahlungen vor Eintritt der Insolvenzverschleppung müssen nicht unbedingt zu einem Massezufluss führen, sofern sie für die Fortführung des Betriebs erforderlich sind. Es muss unterschieden werden, ob die Zahlungen dazu dienen sollen, die Gesellschaft zu sanieren, oder die Stellung des Insolvenzantrags vorbereiten soll.
In der Regel fallen unter den ordnungsgemäßen Geschäftsgang immer folgende Zahlungen:
- Lohnzahlungen von notwendigen Mitarbeitern
- Zahlungen für Strom-, Energie-, und Wasserversorgung
- Zahlungen für Telekommunikationsanschlüsse
- Mietzahlungen
- Zahlungen für notwendige Verbrauchsgüter
- Zahlungen für notwendige Reparaturen
Die Abbezahlung von Darlehens- oder Kreditverbindlichkeiten sind nicht privilegiert. Die Interessen der Gesellschaft und die der Gläubiger sollen angemessen berücksichtigt werden (vgl. (Zitat).
1.1.1.1.1 Berücksichtigung der Gläubigerinteressen
Zahlungen im ordnungsgemäßen Geschäftsgang setzten nicht voraus, dass alle Gesellschaftsgläubiger gleichbehandelt werden. Zahlungen im ordentlichen Geschäftsgang müssen unter Berücksichtigung der Interessen der Gläubiger und im Rahmen eines normalen Geschäftsgangs getätigt werden. Inwieweit ein Geschäftsvorfall ordnungsgemäß ist, muss im Einzelfall entschieden werden. Dabei ist besonders abzugrenzen, ob das Ziel die Sanierung der GmbH oder die Vorbereitung auf den Insolvenzantrag ist. Aufgrund der Krisensituation sind jedoch Zahlungen, die ein hohes Risiko in sich tragen und Zahlungen, die im Falle einer Sanierung nach deren Beendung vorgenommen werden, kann nicht privilegiert. Die gewohnte Unternehmenstätigkeit gilt ebenfalls nicht als ordnungsgemäßer Geschäftsgang und Zahlungen an Gläubiger aufgrund von fälligen Verbindlichkeiten ebenfalls nicht. Trotzdem können Zahlungen an einzelne Gläubiger den ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfüllen (Zitat).
1.1.1.1.2 Vorbereitung des Insolvenzantrags
Bereitet der Geschäftsführer den Insolvenzantrag vor, gelten gesonderte Regelungen in Bezug auf privilegierte Zahlungen. So sind in diesem Fall Zahlungen, die aufgeschoben werden können und nicht der Vorbereitung des Insolvenzantrags dienen, nicht vom Privileg erfasst. Zahlungen, die zur Vorbereitung des Insolvenzantrags dienen, sind hingegen immer privilegiert.
1.1.1.1.3 Beseitigung der Insolvenzreife
Das Zahlungsprivileg ist bei Zahlungen, die zur Beseitigung der Insolvenzreife führen sollen, weiter auszulegen. Da sich bei erfolgter Beseitigung generell keine Frage nach Haftung nach § 15b Abs. 4 InsO stellt, sind hierbei Fälle erfasst, bei denen die Insolvenzreife nicht beseitigt wird. Damit sich der Geschäftsführer hierauf berufen kann müssen die Maßnahmen zur Beseitigung geeignet sein und nachhaltig keine neue Insolvenzreife hervorrufen. Diese Entscheidung ist im Einzelfall zu treffen. Dabei ist zu prüfen, ob sich die Umstände im Vorhinein als objektiv geeignet erwiesen haben, die Insolvenzreife zu beseitigen. Dabei sollte vom Geschäftsführer ein ausreichendes Sanierungskonzept vorgelegt werden, durch das sich erkennen lässt, dass die Maßnahmen die fälligen Verbindlichkeiten befriedigt und die Krisensituation bewältigt werden können.
Die Beweislast liegt beim Geschäftsführer. Eine genaue Dokumentierung der Sanierungsmaßnahmen und des Konzepts ist daher im Falle eines späteren Prozesses von Vorteil (Zitat).
Beispiel
G ist Geschäftsführer der X-GmbH, die überschuldet ist. A ist mit der Fertigstellung des Insolvenzantrags beschäftigt. Während dieser Zeit werden Mietszahlungen, Löhne für Mitarbeiter, die ihn bei der Vorbereitung auf den Antrag unterstützen und die Rückzahlung eines Kredits fällig. A zahlt die Mieten, die Löhne und die Kreditrückzahlung.
- A haftet als Geschäftsführer persönlich nach § 15b Abs. 4 InsO für die Zahlungen der X-GmbH nach Eintritt der Überschuldung. Zahlungen im ordnungsgemäßen Geschäftsgang sind mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar und daher privilegiert. Darunter fallen Löhne für wichtige Mitarbeiter und Mieten. Diese Zahlungen helfen dem Geschäftsführer den Insolvenzantrag vorzubereiten und letztendlich sind sie notwendig für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. In einem Verfahrenen gegen den A muss er jedoch beweisen, dass die Zahlungen privilegiert waren, da grundsätzlich davon ausgegangen wird, dass alle Zahlungen nach Eintreten der Insolvenzreife pflichtwidrig sind.
- Die Kreditrückzahlung hingegen verstößt gegen das Zahlungsverbot nach § 15b Abs. 1 InsO. Dadurch wird die verteilungsfähige Masse beeinträchtigt, ohne dass die Zahlungen privilegiert sind. A haftet persönlich für die Rückzahlung des Kredits.
Beispiel
Der Geschäftsführer G der X-GmbH stellt fest, dass die Gesellschaft zahlungsunfähig ist. Da G an das Fortbestehen der X-GmbH glaubt, nimmt er nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit Sanierungsmaßnahmen vor. Er organisiert einige Unternehmensstrukturen neu. Objektiv betrachtet können die Maßnahmen Zahlungsunfähigkeit abwenden und der X-GmbH ein nachhaltiges Bestehen am Markt garantieren. Während diesen Sanierungsmaßnahmen fallen für die X-GmbH Löhne für wichtige Mitarbeiter an, die für das Fortbestehen der X-GmbH notwendig sind. G zahlt diese Löhne. Aufgrund eines Gewitters werden jedoch mehrere Maschinen der X-GmbH zerstört, wodurch der Sanierungsplan von G nicht mehr umzusetzen ist. G stellt daraufhin einen Insolvenzantrag.
- Eine Haftung des G kommt nach § 15b Abs. 4 InsO für die Zahlung der Löhne trotz Zahlungsunfähigkeit in Frage. Die Lohnzahlungen sind jedoch als Teil eines objektiv geeigneten und nachhaltigen Sanierungsplans privilegiert. Die Zahlungen sind im Rahmen eines ordentlichen Geschäftsgangs und daher mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar. G muss nicht persönlich haften.
1.1.1.2 Zahlungen nach der Antragsstellung
Ist der Antrag zur Insolvenzeröffnung bereits gestellt und das Insolvenzverfahren hat noch nicht begonnen, sind nach § 15b Abs. 2 S. 3 InsO alle Zahlungen privilegiert, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter erlaubt werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Insolvenzantrag rechtzeitig oder verspätet gestellt wurde. Durch die Stellung des Antrags und der Anordnung eines vorläufigen Insolvenzverwalters ist bei einer verspäteten Antragsstellung der rechtmäßige Zustand wieder hergestellt. Die Aufgabe des Insolvenzverwalters ist, im Interesse der Gesamtheit der Gläubiger zu handeln. Daher ist jede Zahlung, die vom vorläufigen Insolvenzverwalter genehmigt wird, privilegiert, unabhängig davon, ob sie im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgt. Der Geschäftsführer erhält durch die Stellung des Insolvenzantrags somit Rechtssicherheit. Werden schädigende Zahlungen vorgenommen, haftet der vorläufige Insolvenzverwalter nach §§ 60 ff. InsO.
Ausgenommen von dieser Privilegierung sind Zahlungen, die der Geschäftsführer und der vorläufige Insolvenzverwalter vornehmen und die vorsätzlich die Insolvenzmasse zum Nachteil der Gläubiger schädigen. Dieser Fall kann in der Regel jedoch nur bei offensichtlich zweckentfremdeten Zahlungen bewiesen werden.
Liegt keine Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters vor, kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass Zahlungen des Geschäftsführers pflichtwidrig sind. Der Geschäftsführer sollt sich daher immer eine Zustimmung vom vorläufigen Insolvenzverwalter einholen.
Dass die Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters vorliegt, muss vom Geschäftsführer bewiesen werden (Zitat).
1.1.1.3 Zahlungen bei Insolvenzverschleppung
Kommt der Geschäftsführer seiner Antragspflicht nach § 15a InsO nicht innerhalb der vorgegebenen Frist nach, spricht man von Insolvenzverschleppung.
Zahlungen, die zu einem Zeitpunkt getätigt werden, in dem Insolvenzverschleppung vorliegt, sind nach § 15b Abs. 3 InsO grundsätzlich pflichtwidrig. Zu diesem Zeitpunkt ist die Aufgabe des Geschäftsführers, den Insolvenzantrag schnellstmöglich einzureichen und eine Privilegierung kommt nur zur Abwehr eines unmittelbaren drohenden Schadens in Betracht. Damit sind etwa Maßnahmen für Heizungskosten, um direkte Schäden durch Frost abzuwenden oder Brandschutzmaßnahmen gemeint. Eine Fortführung des Geschäftsbetriebs bei Insolvenzverschleppung soll ausgeschlossen sein. Über die Fortführung des Unternehmens kann frühestens nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch den Insolvenzverwalter entschieden werden. (Zitat).
Beispiel
G ist Geschäftsführer der insolvenzreifen X-GmbH. Da die Organisation innerhalb der X-GmbH nicht besonders ordentlich ist, gelingt es G nicht, einen Insolvenzantrag innerhalb von drei Wochen nach dem Eintritt der Insolvenzreife zu stellen. Nach Ablauf der drei Wochen zahlt A anfallende Mietskosten für das Betriebsgebäude der X-GmbH.
- G haftet persönlich für die Mietszahlung. Zwar sind Mietszahlungen in der Regel privilegiert, liegt Insolvenzverschleppung vor, fällt die Privilegierung jedoch weg. Zu diesem Zeitpunkt sollte die einzige Aufgabe des Geschäftsführers sein den Insolvenzantrag vorzubereiten und zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu stellen. Missachtet ein Geschäftsführer die Frist nach § 15a Abs. 1 InsO sollen keine Privilegierungen für den unsachgemäß handelnden Geschäftsführer geben.
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