Einführung ins Erbrecht Teil 3: Das Testament – 3. Widerruf eines Testaments

Der künftige Erblasser kann grundsätzlich vor seinem Tod mit seinem Vermögen machen was er will. Ihm steht es jederzeit frei, sein Testament ganz oder zum Teil zu widerrufen. Ein Grund ist für einen wirksamen Widerruf nicht notwendig. Die Möglichkeit des jederzeitigen, grundlosen Widerrufes ist die Fortführung der Testierfreiheit des Erblassers, § 2253 BGB. Auf die Widerruflichkeit des Testaments kann der Erblasser nicht verzichten. Sollte er dies gegenüber einem Erben schriftlich tun, so ist diese Erklärung gem. § 2302 BGB unwirksam. Einzige Voraussetzung des Widerrufs des Testaments ist, dass der Erblasser im Zeitpunkt der Abfassung des Widerrufs testierfähig ist. Beim Widerruf eines Testaments ist zwischen dem einseitigen und dem gemeinsamen Widerruf zu unterschieden. Im Folgenden wird sowohl auf den einseitigen, wie auf den gemeinsamen Testamentswiderruf eingegangen.

1. Der einseitige Widerruf eines Testaments

Der Erblasser kann sein Testament einseitig widerrufen. Einseitig bedeutet, dass allein ein Erblasser den Widerruf vornehmen kann. Der Widerruf kann in unterschiedlichen Formen erfolgen. So kann ein Testament durch den Erblasser abgeändert oder aufgehoben werden. Welche Form der Erblasser wählt ist seine Entscheidung. Im Folgenden werden die verschiedenen Möglichkeiten eines einseitigen Widerrufes eines Testaments dargestellt.

1.1. Das Widerrufstestament, § 2254 BGB

Der Widerruf geschieht durch ein neues Testament, in dem das frühere Testament ausdrücklich aufgehoben wird. Man spricht hier daher auch von einem Widerrufstestament, § 2254 BGB. Das Widerrufstestament muss den für Testamente erforderlichen Formvorschriften entsprechen. Es ist aber nicht notwendig, dass das Widerrufstestament in der Form des früheren Testaments verfasst wird. Das Wort „Widerruf“ braucht der Erblasser nicht zu verwenden. Es genügt, wenn aus der Verfügung klar hervorgeht, dass das frühere Testament seine Wirkung verloren hat.

1.2. Das widersprechende Testament, § 2258 BGB

Das frühere Testament kann durch ein späteres Testament ungültig werden, indem das neue Testament in einem inhaltlichen Widerspruch zu dem früheren Testament steht. Grund der Unwirksamkeit des früheren Testaments ist, dass das neuere Datum entscheidend ist. Das ältere Testament gilt noch insoweit, als es nicht im Widerspruch zum neuen Testament steht.
Das Widerrufstestament und das widersprechende Testament unterscheiden sich in der Weise, dass in dem Widerrufstestament ausdrücklich Bezug genommen wird auf das frühere Testament. Aus diesem Grund kann man sagen, dass das widersprechende Testament in dem Widerrufstestament enthalten ist.

1.3. Die Änderung und Vernichtung eines Testaments, § 2255 BGB

Das Testament wird häufig in der Weise verändert, dass sich aus ihm die Aufhebungsabsicht des Erblassers ergibt. Dies kann dadurch geschehen, dass Passagen durchgestrichen oder ausradiert werden. Oftmals wird das Testament als ungültig gekennzeichnet. Hierbei besteht allerdings die Gefahr von Beweisschwierigkeiten, wenn zweifelhaft wird, ob der Erblasser selbst das Testament verändert hat. Der sicherste Weg ist die Vernichtung des Testaments durch Zerreißen oder Verbrennen.

1.4. Die Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung

Ein Widerruf eines notariellen Testaments kann auch durch Zurückholen aus der gerichtlichen Verwahrung erfolgen, § 2256 BGB. Ein aus der Verwahrung genommenes notarielles Testament bleibt unwirksam, und wird nicht etwa zu einem wirksamen privatschriftlichen Testament.
Nimmt der Erblasser allerdings sein eigenhändig verfasstes Testament aus der amtlichen Verwahrung, so liegt darin kein Widerruf, § 2256 III BGB. Das eigenhändig verfasste Testament bleibt weiterhin wirksam bestehen. Der Erblasser muss es entweder Vernichten, widerrufen oder ein neues Testament errichten, um die Ungültigkeit des Testaments herbeizuführen.

2. Der gemeinschaftliche Widerruf

Es gibt aber bestimmte Testamente, die nicht einseitig durch den Erblasser aufgehoben werden können. Ehegatten, die ein gemeinschaftliches Testament errichtet haben, können bestimmte Verfügungen nicht einseitig aufheben. Dabei handelt es sich um sogenannte wechselseitige Verfügungen. Dies sind Verfügungen des einen Ehegatten, die nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen worden wären. Ein Ehegatte kann eine solche Verfügung nur dadurch widerrufen, dass er eine entsprechende notariell beurkundete Erklärung dem anderen Ehegatten zustellt. Anders verhält es sich, wenn ein Ehegatte bereits gestorben ist und der andere die testamentarische Zuwendung angenommen hat. Seine eigenen in dem Testament enthaltenen Verfügungen kann der überlebende Ehegatte nur noch in Ausnahmefällen widerrufen. Der überlebende Ehegatte kann seine eigenen wechselseitigen Verfügungen anfechten und so ihre Wirksamkeit beseitigen (§§ 2281 ff. i.V.m. §§ 2078, 2079 BGB).

3. Der Widerruf des Widerrufs

Oft kommt es vor, dass der Erblasser nur vorübergehend seine Meinung geändert hat und den Widerruf seines früheren Testaments rückgängig machen will. Dabei ist zwischen den verschiedenen Formen des Widerrufs zu unterscheiden:

3.1. Der Widerruf eines Widerrufstestaments, § 2257 BGB

Das Widerrufstestament nach § 2254 BGB kann seinerseits wieder widerrufen werden, § 2257 BGB. Dies muss wiederum durch ein formwirksames Testament erfolgen . Der Erblasser hat nunmehr drei Testamente errichtet: das ursprüngliche Testament, das Widerrufstestament und das letzte Testament, um das Widerrufstestament seinerseits aufzuheben. Auch hier ist nicht erforderlich, dass das neue Testament in der gleichen Form wie das Widerrufstestament errichtet wird. Wirksamkeitsvoraussetzung ist auch hier, dass der Erblasser im Zeitpunkt der Testamentserrichtung testierfähig ist.

3.2. Der Widerruf eines widersprechenden Testaments

Ein widersprechendes Testament kann in der gleichen Weise wie ein Widerrufstestament aufgehoben werden, § 2258 II BGB. Der Erblasser errichtet auch hier ein drittes Testament: das ursprüngliche Testament, das widersprechende Testament und die neue Verfügung, um das widersprechende Testament aufzuheben. Auch dieses neue Testament muss den Wirksamkeitsvoraussetzungen eines wirksamen Testaments entsprechen.

3.3. Der Widerruf einer Änderung eines Testaments

Hat der Erblasser in seinem Testament eine Änderung vorgenommen, kann er die Änderung formal widerrufen. Ein unterschriebener und datierter Vermerk, dass die durchgestrichenen Passagen wieder gelten sollen, ist viel zu unsicher. Ebenso wenig ist ausreichend, wenn der Erblasser seine vorherigen Änderungen ausradiert. Daher ist dem Erblasser zu raten, ein neues Testament zu errichten. Sollte der Erblasser das frühere Testament in der Weise vernichtet haben, dass er es einfach wieder zusammenkleben kann, stellt er die Wirksamkeit des Testaments nicht wieder her. Will der Erblasser nicht die Folgen der gesetzlichen Erbfolge eintreten lassen, so muss er ein neues Testament errichten.

3.4. Der Widerruf einer Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung

Nimmt der Erblasser das notarielle Testament aus der gerichtlichen Verwahrung, verliert es automatisch seine Gültigkeit. Die spätere Rückgabe in die gerichtliche Verwahrung führt nicht zu einem Aufleben der Wirksamkeit. Das notarielle Testament bleibt unwirksam. Der Erblasser muss zur Regelung seines Vermögens nach seinem Tode ein neues Testament errichten, ansonsten tritt die gesetzliche Erbfolge ein.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch "Erbrecht – Eine Einführung“ von Harald Brennecke, Dr. Maren Augustin und Isabell Hartung, vmur.de, ISBN 978-3-939384-17-5.


 

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Stand: Mai 2009


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Über die Autoren:

Harald Brennecke, Rechtsanwalt

Portrait Harald-Brennecke

Harald Brennecke ist seit 1997 mit erbrechtlichen Mandaten befasst.
Als Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht berät er insbesondere bei der Gestaltung von Unternehmertestamenten, der Übertragung von Unternehmensanteilen und der Ausarbeitung von Unternehmererbverträgen im Hinblick auf die Sicherung der Unternehmensnachfolge. Als Fachanwalt für Insolvenzrecht berät er Erben und potenzielle Erben bei überschuldetem Nachlass in Bezug auf Erbausschlagung, Dürftigkeitseinreden und der Beantragung und Begleitung bei Nachlassinsolvenzverfahren.
Er berät weiterhin bei der Erstellung von Testamenten und der Gestaltung von Vermögensübergängen, insbesondere aus erbschaftssteuerlicher Sicht und der Auseinandersetzung von Erbengemeinschaften. Er berät bei Pflichtteilsansprüchen, Vermächtnissen sowie bei Fragen der Vorerbschaft und Nacherbschaft. Er begleitet Erben bei der Beantragung von Erbscheinen und der Abwicklung der Erbschaft.

Harald Brennecke hat im Erbrecht veröffentlicht:

  • "Erbrecht – Eine Einführung“ von Harald Brennecke und Dr. Maren Augustin, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-17-5
  • „Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuerrecht: Das Recht der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Möglichkeiten zur Verringerung der Steuerbelastung bei Erbschaften und Schenkungen“, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-16-8

Bereits 1999 war er Experte für Erbrecht in einer Serie von Live-Fernsehsendungen.
Rechtsanwalt Brennecke ist Dozent für Erbrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.

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