Die Betriebsvereinbarung – Das Regelungsinstrument der Betriebspartner – Teil 11 – Benachteiligungsverbote, Individualbereich der Arbeitnehmer

5.2. Benachteiligungsverbote

Eine weitere Begrenzung für Regelungen durch Betriebsvereinbarungen sind Benachteiligungsverbote. Nach § 75 Abs. 1 BetrVG haben die Betriebspartner darüber zu wachen, dass alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden.
Insbesondere Diskriminierungen aufgrund der folgenden Merkmale sind nach dieser Vorschrift verboten:

  • Rasse oder ethnische Herkunft,
  • Abstammung oder sonstige Herkunft,
  • Nationalität,
  • Religion oder Weltanschauung,
  • Behinderung,
  • Alter,
  • Politische oder gewerkschaftliche Betätigung oder Einstellung, oder
  • Geschlecht oder sexuelle Identität.

Die in § 75 Abs. 1 BetrVG genannten Diskriminierungsmerkmale sind beispielhaft und demnach nicht abschließend. Aus diesem Grund haben Arbeitgeber und Betriebsrat bei der Aufstellung betrieblicher Regelungen durch Betriebsvereinbarungen auch den allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten.[1]

Beispiel
Der Arbeitgeber plant die Schließung seines gesamten Betriebs, welcher aus dem Hauptbetrieb und einem unselbständigen Betriebsteil besteht. Infolgedessen vereinbart er mit dem Betriebsrat einen Sozialplan, der Abfindungsansprüche der Arbeitnehmer vorsieht. Die Ansprüche der Arbeitnehmer, welche im Betriebsteil beschäftigt werden, fallen jedoch - ohne nähere Begründung - geringer aus.

  • Die Sozialplanregelung benachteiligt die Arbeitnehmer des Betriebsteils nicht aufgrund eines der in § 75 Abs. 1 BetrVG ausdrücklich genannten Diskriminierungsmerkmale. Die Regelung des Sozialplans über die Abfindungsansprüche der Arbeitnehmer differenziert jedoch ungerechtfertigt zwischen den verschiedenen vorhandenen Arbeitnehmergruppen. Folglich verstößt sie gegen den allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz und ist gem. § 75 Abs. 1 BetrVG i.V.m. § 134 BGB unwirksam.

Beispiel
Die Betriebspartner schließen eine Betriebsvereinbarung über die Gewährung einer einmaligen Prämie ab. Diese sollen jedoch nur diejenigen Arbeitnehmer erhalten, welche bereits das 30. Lebensjahr vollendet haben. Bestimmte Gründe für die Differenzierung liegen nicht vor.

  • Der Anspruch aus der Betriebsvereinbarung auf die Zahlung der Prämie knüpft an das Alter der Arbeitnehmer an. Da hierfür vorliegend kein sachlicher Grund besteht, ist die getroffene Regelung gem. § 75 Abs. 1 BetrVG i.V.m. § 134 BGB unwirksam.
  • Die Regelung verstößt ferner auch gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Da kein sachlicher Grund für die unterschiedliche Behandlung wegen des Alters gegeben ist, ist die Bestimmung über die Prämienzahlung in der Betriebsvereinbarung unwirksam (§§ 7 Abs. 2, 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 1 AGG).

5.3. Individualbereich der Arbeitnehmer

Die Regelungsmöglichkeiten der Betriebspartner sind auch durch den sogenannten Individualbereich der Arbeitnehmer beschränkt. Arbeitgeber und Betriebsrat haben nämlich nach § 75 Abs. 2 S. 1 BetrVG die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten zu schützen und zu fördern. Eine durch Betriebsvereinbarung aufgestellte Regelung, die einen unangemessenen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer darstellt, ist demnach unzulässig.

Beispiel
Der Arbeitgeber unterhält in seinem Betrieb eine Kantine, durch die eine tägliche Verpflegung der Arbeitnehmer gewährleistet werden soll. Auf Wunsch des Arbeitgebers soll sich die gesamte Belegschaft an den Kosten für die Kantine beteiligen. Hierzu schließen die Betriebspartner eine Betriebsvereinbarung ab, die vorsieht, dass sämtliche Arbeitnehmer des Betriebs einen monatlichen Beitrag in Höhe von 120 Euro für die Beteiligung an den Kosten der Kantine zahlen müssen. Der Beitrag soll vom laufenden Monatsentgelt abgezogen werden.

  • Die abgeschlossene Betriebsvereinbarung bestimmt, dass alle Arbeitnehmer gleichermaßen an den Kantinenkosten beteiligt werden. Folglich soll die Regelung auch für diejenigen Betriebsangehörigen greifen, welche die Kantinenverpflegung nicht in Anspruch nehmen. Diese werden demnach in ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG beschränkt, frei darüber zu entscheiden, wofür sie ihren Lohn verwenden. Daher ist die hier getroffene Regelung der Betriebsvereinbarung nach § 75 Abs. 2 S. 1 BetrVG i.V.m. § 134 BGB unwirksam.[2]

Beispiel
Die Betriebspartner beschließen einige Maßnahmen, durch die das Betriebsklima verbessert und der Teamgeist in der Belegschaft gefördert werden soll. Hierzu schließen sie unter anderem eine Betriebsvereinbarung ab, durch die sämtliche Arbeitnehmer verpflichtet werden, an einem jährlichen Betriebsausflug teilzunehmen.

  • Die Verpflichtung zur Teilnahme an den Betriebsausflügen greift in die außerbetriebliche Lebensgestaltung der Arbeitnehmer ein und beschränkt sie dadurch in ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG). Da es jedem Arbeitnehmer freisteht, ob er an einem Betriebsausflug teilnimmt,[3] ist die hier abgeschlossene Betriebsvereinbarung unwirksam (§ 75 Abs. 2 S. 1 BetrVG i.V.m. § 134 BGB).

Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Betriebsvereinbarung – Das Regelungsinstrument der Betriebspartner“ von Tilo Schindele, Rechtsanwalt, und Alexander Geier, Wirtschaftsjurist LL.B., mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-70-0.


 

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Kontakt: tilo.schindele@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2017


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