Die Betriebsvereinbarung – Das Regelungsinstrument der Betriebspartner – Teil 10 – Sonstige Schranken für Betriebsvereinbarungen

4.3. Räumliche Kompetenzen

Beim Abschluss von Betriebsvereinbarungen sind die Betriebspartner auch an räumliche Regelungskompetenzen gebunden. Die Betriebsräte können eine Regelung durch eine Betriebsvereinbarung mit dem Arbeitgeber nämlich nur für die Betriebe aufstellen, für welche sie gebildet wurden.

Beispiel
Der Betrieb des Arbeitgebers untergliedert sich in einen Hauptbetrieb und einen unselbständigen Betriebsteil, der an einem anderen Ort gelegen ist. Die Betriebspartner stellen eine Regelung bezüglich zusätzlicher Vergütungsleistungen für die Arbeitnehmer durch eine Betriebsvereinbarung auf. Da sich der Betriebsrat regelmäßig nur im Hauptbetrieb aufhält, fragen sich die Arbeitnehmer des Betriebsteils, ob sie die zusätzlichen Vergütungsleistungen ebenfalls erhalten.

  • Der Betriebsrat wurde für den ganzen Betrieb. Er ist somit auch für den Betriebsteil zuständig, weshalb die Betriebspartner auch die räumliche Regelungskompetenz besitzen, eine Betriebsvereinbarung für den ganzen Betrieb abzuschließen. Alle in ihm beschäftigten Arbeitnehmer haben demnach einen Anspruch auf die zusätzlichen Vergütungsleistungen.

Beispiel
Im Betrieb des Arbeitgebers wurde ein Betriebsrat gebildet. Darüber hinaus unterhält der Arbeitgeber noch einen selbständigen Betriebsteil, dessen Arbeitnehmer an der Betriebsratswahl nicht teilgenommen haben. Die Betriebspartner schließen eine Betriebsvereinbarung zur Aufstellung von Grundsätzen über ein betriebliches Vorschlagswesen ab. Der Betriebsrat ist der Meinung, dass diese Grundsätze nun auch für die Arbeitnehmer des selbständigen Betriebsteils gelten.

  • Die Arbeitnehmer des selbständigen Betriebsteils hatten gem. § 4 Abs. 1 S. 2 BetrVG die Möglichkeit, an der Betriebsratswahl teilzunehmen. Da sie hiervon keinen Gebrauch gemacht haben, ist der Betriebsrat für sie nicht zuständig. Die Betriebspartner haben somit keine räumliche Regelungskompetenz für den selbständigen Betriebsteil. Für dessen Arbeitnehmer gilt die abgeschlossene Betriebsvereinbarung demnach nicht.

Die Geltung von Betriebsvereinbarungen kann durch die Betriebspartner aus räumlicher - wie auch schon aus personeller - Sicht eingeschränkt werden. Auch hierbei sind bestehende Benachteiligungsverbote zu beachten (--> 5.2.).

Beispiel
Das Unternehmen des Arbeitgebers besteht aus einem Hauptbetrieb und einem unselbständigen Betriebsteil, in dem ausschließlich Lagerarbeiten durchgeführt werden. Die Betriebspartner einigen sich darauf, dass die Lagermitarbeiter künftig eine einheitliche Arbeitskleidung bekommen sollen. Hierzu wird eine entsprechende Regelung in einer Betriebsvereinbarung getroffen, die ausschließlich für den Betriebsteil gelten soll.

  • Die Regelung der Betriebsvereinbarung zur Einführung einer einheitlichen Arbeitskleidung für die Lagermitarbeiter erstreckt sich nur auf den Betriebsteil, in welchem diese arbeiten. Dem steht nichts entgegen, da die Betriebspartner das Recht haben, die räumliche Geltung von Betriebsvereinbarungen zu beschränken.

5. Sonstige Schranken für Betriebsvereinbarungen

Beim Abschluss von Betriebsvereinbarungen gilt es - neben dem Kompetenzrahmen der Betriebspartner - auch weitere Grenzen zu beachten. Werden diese überschritten, kann die betroffene Regelung nicht wirksamer Bestandteil der Betriebsvereinbarung werden. Es existieren demnach bestimmte Schranken für die Regelungsmöglichkeiten von Betriebsrat und Arbeitgeber durch eine Betriebsvereinbarung.

5.1. Tarifsperre

Die wichtigste Schranke für Betriebsvereinbarungen ist die sogenannte Sperrwirkung von Tarifverträgen gem. § 77 Abs. 3 S. 1 BetrVG (ausführlich hierzu --> 6.1). Tarifliche oder tarifübliche Bestimmungen können nach dieser Vorschrift nämlich grundsätzlich nicht durch eine Betriebsvereinbarung geregelt werden.

Beispiel
Die Arbeitnehmer eines Betriebes erhalten auf der Grundlage eines Tarifvertrags ein 13. Monatsgehalt. Zusätzlich zu diesem sollen die Mitarbeiter künftig auch eine entsprechende betriebliche Jahressonderzahlung erhalten. Hierzu schließen Betriebsrat und Arbeitgeber eine Betriebsvereinbarung ab.

  • Da der bestehende Tarifvertrag bereits eine Bestimmung zum 13. Monatsgehalt enthält, entfaltet er bezüglich dieser Thematik eine Sperrwirkung für Betriebsvereinbarungen (§ 77 Abs. 3 S. 1 Alt. 1 BetrVG). Die Betriebspartner können hier somit kein weiteres 13. Monatsgehalt durch eine Betriebsvereinbarung einführen.

Beispiel
Die Betriebspartner führen durch eine Betriebsvereinbarung ein betriebliches Weihnachtsgeld ein. Zwar existiert zurzeit kein Tarifvertrag; traditionell wird jedoch die Gewährung eines Weihnachtsgelds an die Belegschaft des Betriebs tariflich geregelt.

  • Die Tarifüblichkeit der Regelung über das Weihnachtsgeld setzt der Betriebsvereinbarung eine Schranke (§ 77 Abs. 3 S. 1 Alt. 2 BetrVG). Arbeitgeber und Betriebsrat können ein solches somit im vorliegenden Fall nicht auf betrieblicher Ebene einführen.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Betriebsvereinbarung – Das Regelungsinstrument der Betriebspartner“ von Tilo Schindele, Rechtsanwalt, und Alexander Geier, Wirtschaftsjurist LL.B., mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-70-0.


 

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Kontakt: tilo.schindele@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2017


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