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Herbeiführung der Zahlungsunfähigkeit nach § 15b Abs. 5 InsO

1.1 Herbeiführung der Zahlungsunfähigkeit

Die Zahlungen an den Gesellschafter müssen in direktem Zusammenhang Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 InsO herbeiführen. Überschuldung nach § 19 InsO und drohende Zahlungsunfähigkeit nach § 18 InsO ist nicht von der Vorschrift erfasst.

1.1.1 Gesellschafterforderungen

Es ist umstritten, inwiefern der Zusammenhang begründet ist, wenn Zahlungen aufgrund von Forderungen von Gesellschaftern gezahlt werden. Sind die Forderungen nicht fällig, kann man davon ausgehen, dass ein Zusammenhang zur Zahlungsunfähigkeit bestehen kann. Bei fälligen Forderungen stellt sich die Frage, ob ein Zusammenhang bestehen kann. Dabei ist entscheidend, ob bei der Prüfung der Zahlungsfähigkeit die Gesellschafterforderungen in die Liquiditätsbilanz aufgenommen werden sollen, oder nicht.

Teilweise wird vertreten, dass Gesellschafterforderungen nicht aufgenommen werden dürfen. Dadurch soll verhindert werden, dass sich der Geschäftsführer darauf berufen kann, dass der Liquiditätsstatus der Gesellschaft sich durch die Zahlung nicht verändert habe. Dem Mittelabfluss kann er den Wegfall von fälligen Forderungen gegen die Gesellschaft entgegenhalten. Nur wenn die Gesellschafterforderung aus der Liquiditätsbilanz herausgenommen wird, kann das Begleichen der Forderung zu Zahlungsunfähigkeit führen (Zitat).

Dieser Ansicht hat sich der BGH zu § 64 GmbHG nicht angeschlossen. Es ist davon auszugehen, dass die neue Rechtsprechung zu § 15b InsO den vorherigen Ansichten des BGH folgt. Gesellschafterforderungen sind nicht aus der Liquiditätsbilanz auszuklammern. Besteht mit der Forderung eines Gesellschafters gegen die GmbH bereits eine Liquiditätslücke von über 10%, führt eine Zahlung nicht zu Zahlungsunfähigkeit, sondern verstärkt diese nur. Solche Fälle sind nicht vom Anwendungsbereich des § 15b Abs. 5 InsO erfasst. Ist Zahlungsunfähigkeit bereits eingetreten, ist eine Haftung nach § 64 GmbHG a.F. / §§ 15b Abs. 1, 4 InsO vorgesehen. Eine Regelungslücke ergibt sich somit nicht (Zitat).

1.1.2 Direkter Zusammenhang

Es muss ein kausaler Zusammenhang zwischen der Zahlung und dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit bestehen. Anhand der Voraussetzung, dass die Zahlung zur Zahlungsunfähigkeit „führen musste“, wird über der Kausalität hinaus präzisiert. Die Zahlung soll nicht nur ein Ereignis von vielen Ereignissen darstellen, die zur Zahlungsunfähigkeit führen.

Der genaue Zusammenhang ist jedoch nicht definiert. Zwar soll die Zahlung an den Geschäftsführer nicht nur ein Ereignis von vielen darstellen, dass die Zahlung an den Geschäftsführer das einzige Ereignis ist, welches Zahlungsunfähigkeit auslöst, ist in der Praxis kaum möglich. Vielmehr muss im Vorhinein klar sein, dass nach gewöhnlichem Ablauf diese eine Zahlung zur Zahlungsunfähigkeit führt (Zitat).

1.1.2.1 Wahrscheinlichkeit

Die Zahlungsunfähigkeit muss mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eintreten. Der Maßstab für diese Wahrscheinlichkeit ist eng auszulegen und orientiert sich an der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsmanns. Der maßgebliche Zeitpunkt ist beim Tätigen der Zahlung. War der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit nicht erkennbar, scheidet eine Haftung nach § 15b Abs. 5 InsO aus. In der Regel kann sich der Geschäftsführer auf einen Finanzplan berufen, sofern er von der Zahlung an den Geschäftsführer einen erstellt hat. Erstellt er einen Finanzplan, der mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsmanns vereinbar ist, und es lässt sich daraus kein Herbeiführen der Zahlungsunfähigkeit erkennen, muss der Geschäftsführer nicht nach § 15b Abs. 5 InsO haften.

Unvorhersehbare Ereignisse können dem Geschäftsführer nicht angerechnet werden. Auf der anderen Seite kann sich der Geschäftsführer nicht darauf berufen, dass er auf eine Erholung der finanziellen Lage gehofft hat, wenn sich aus dem Finanzplan nicht eindeutig ergibt, dass die GmbH durch die Zahlung an den Gesellschafter weiterhin liquide bleibt (Zitat).

1.1.2.2 Prognose über die Zahlungsfähigkeit

Bestehen bei dem Geschäftsführer Zweifel, ob nach der Zahlung an den Gesellschafter weiterhin Zahlungsfähigkeit besteht, hat er eine Prognose über künftige Zahlungen zu erstellen. Auf was für einen Zeitraum die Prognose zu erstellen ist, ist umstritten. Maximal muss die Prognose jedoch das laufende und das kommende Geschäftsjahr umfassen. Bereits dieser Zeitraum ist weit gegriffen und stellt Schwierigkeiten dar, alle Zahlungen über diese Zeit zu erfassen. Die Prognose kann sich an der Fortführungsprognose zur Überschuldung nach § 19 InsO orientieren. In der Fortführungsprognose werden die Ausgaben den Zahlungsmitteln und den Zahlungseingängen gegenübergestellt. Die Beurteilung kann hierbei für die Gesellschaft möglichst vorteilhaft vorgenommen werden, da hohe Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit der Zahlungsunfähigkeit gestellt werden (Zitat).

1.1.2.3 Zeitlicher Zusammenhang

Ein zeitlicher Zusammenhang ist nicht erforderlich. Die Möglichkeit, einen hinreichenden Zusammenhang zwischen der Zahlung und dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit beweisen zu können, nimmt jedoch mit der Zeit ab. Liegen die Zahlung und die Zahlungsunfähigkeit zeitlich zu weit auseinander, kann man davon ausgehen, dass die Zahlung allein nicht zur Zahlungsunfähigkeit geführt hat. Das Merkmal, dass die Zahlung zur Zahlungsunfähigkeit „führen muss“, steht einem weiten zeitlichen Unterschied im Weg. Wirken andere Faktoren auf das Herbeiführen der Zahlungsunfähigkeit ein, ist die Zahlung an den Gesellschafter ein Teilgrund für die Zahlungsunfähigkeit. Die an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit fällt dabei jedoch weg (Zitat).

Beispiel

Die Geschäfte der A-GmbH laufen gut. Daher wird dem Geschäftsführer A der A-GmbH zum Zeitpunkt X aufgrund eines Gesellschafterbeschlusses ein Gewinn in Höhe von 100 000 Euro ausgeschüttet. Nach der Prognose über die Zahlungsfähigkeit der A-GmbH durch den Geschäftsführer G bleibt die Gesellschaft nach der Ausschüttung weiterhin zahlungsfähig. Zum Zeitpunkt X+ drei Monate wird ein Schuldner der A-GmbH, die B-GmbH, unvorhersehbar insolvent. Nach dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der B-GmbH, können die Forderungen der A-GmbH nur zu fünf Prozent befriedigt werden. Daraufhin stellt G fest, dass durch den Wegfall der Forderungen die A-GmbH selbst zahlungsunfähig wurde.

  • G muss nicht für die Zahlung in Form der Ausschüttung an A haften. Zum Zeitpunkt X war nicht zu erkennen, dass durch A-GmbH zahlungsunfähig wird. Zwar könnte die Ausschüttung als ein Teil zur Zahlungsunfähigkeit beigetragen haben, doch die enge Auslegung verhindert eine Haftung nach § 15b Abs. 5 InsO. Die Ausschüttung war mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsmanns vereinbar, der Wegfall der Forderungen aufgrund der Insolvenz der B-GmbH und die folgende Zahlungsunfähigkeit der A-GmbH war für G zum Zeitpunkt der Zahlung an A nicht erkennbar.

 

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