Haftung nach § 15b Abs. 4 InsO
1. Haftung bei Verbotenen Zahlungen nach § 15b Abs. 4 InsO
Der Geschäftsführer haftet nach § 15b Abs. 4 InsO persönlich für Zahlungen, die die GmbH nach Eintritt von Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit der GmbH tätigt.
1.1 Allgemeines
Der Geschäftsführer einer GmbH ist nach § 15b Abs. 4 InsO verpflichtet, verbotene Zahlungen, die von der Gesellschaft nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder des Überschuldens getätigt wurden, zu ersetzen. Verboten sind Zahlungen, die dem Zahlungsverbot nach § 15b Abs. 1 InsO unterliegen.
1.2 Zahlungsverbot nach § 15b Abs. 1 InsO
Nach § 15b Abs. 1 InsO sind Zahlungen verboten, die ein Geschäftsführer nach Eintritt von Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit tätigt und die nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsmanns vereinbar sind. Verletzt der Geschäftsführer das Zahlungsverbot, hat er die Zahlungen nach § 15b Abs. 4 InsO zu ersetzen. Er unterliegt jedoch keinem Verfügungsverbot und seine Vertretungsmacht nach außen besteht weiterhin. Das Rechtsgeschäft bleibt wirksam, da es sich bei § 15b Abs. 1 InsO nicht um ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB handelt. Ebenso handelt es sich nicht um ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 II BGB. Das Haftungsrisiko für die Zahlungen ist nach der Rechtsprechung ein ausreichender Schutz der Gläubigerinteressen (Zitat).
Der Begriff der Zahlung ist weit auszulegen. So gibt es neben den reinen Geldzahlungen noch andere Leistungen, die von dem Zahlungsverbot erfasst sind, sofern diese zur Schmälerung der Masse des Unternehmens führen.
1.2.1 Schutz vor Masseverringerung
Der Zweck des § 15b Abs. 1 InsO ist der Schutz der Insolvenzmasse für die Gläubiger. Eine Schmälerung der Insolvenzmasse durch negative Einwirkungen auf das Gesellschaftsvermögen soll verhindert und die Befriedigungsaussichten der Gläubiger sollen gewahrt werden. Auf der anderen Seite soll es durch die Zahlungen des Geschäftsführers nicht zu einer Mehrung der Insolvenzmasse kommen. Löst eine Zahlung einen Gegenwert aus, kann dieser Mehrwert der Zahlung des Geschäftsführers entgegengehalten werden. Somit soll eine Überkompensation zugunsten der Gesamtgläubigerschaft ausgeschlossen werden.
1.2.2 Handeln des Geschäftsführers
Der Zahlung muss zunächst eine Rechtshandlung des Geschäftsführers zugrunde liegen. Die Rechtshandlung kann durch sein persönliches Handeln, durch ein ihm zurechenbares Handeln Dritter, oder durch sein persönliches Unterlassen erfolgen.
1.2.2.1 Zurechenbares Handeln
Wenn der Geschäftsführer die Zahlungen selbst vornimmt, sind diese ihm direkt zurechenbar. Daneben können Zahlungen, die vom Geschäftsführer veranlasst, jedoch nicht persönlich erbracht werden, und Zahlungen, die mit dessen Wissen und Willen und ohne Anweisung geschehen, dem Geschäftsführer zugerechnet werden (Zitat).
In einer Krisensituation hat der Geschäftsführer vertiefende Kontrollpflichten. Eine verschärfte Kontrolle von Mitgeschäftsführern und Angestellten im Unternehmen wird von ihm erwartet. Dadurch ist der Geschäftsführer verpflichtet, über alle Zahlungsprozesse im Bilde zu sein und diese zu verhindern. Liegen Gründe vor, durch welche es dem Geschäftsführer nicht möglich ist, Zahlungen zu erkennen, wie etwa Verschweigen der Zahlung, kann die Zahlung ihm nicht zugerechnet werden. Ist der Geschäftsführer durch andere Vorschriften zur Zahlung verpflichtet, ist diese nach § 15b Abs. 1 InsO trotzdem verboten. Dadurch kann es zu einer Pflichtkollision kommen und eine Haftung kann vom Geschäftsführer nicht umgangen werden.
Mindert sich die Aktivmasse der GmbH durch zufälligen Untergang, liegt keine Rechtshandlung vor. In diesem Fall ist der Geschäftsführer nicht zur Ersatzpflicht nach § 15b Abs. 4 InsO verpflichtet. Er muss hierbei unter Umständen nach § 823 II BGB in Verbindung mit § 15a Abs. 1nsO haften (Zitat).
Dem Geschäftsführer kann eine Vermögensminderung nicht zugerechnet werden, wenn sie durch eine Vollstreckungsmaßnahme eines Gläubigers geschieht. Darunter fällt beispielsweise die Pfändung eines Kontos der GmbH. (Zitat). Wird eine Zahlung hingegen zur Verhinderung einer solchen Zwangsvollstreckung vom Geschäftsführer veranlasst, ist von einer zurechenbaren Rechtshandlung auszugehen.
Wer der Empfänger der Zahlung ist, ist nicht von Bedeutung. Eine Zahlung kann sowohl an einen Dritten, etwa einen Lieferanten der Gesellschaft, oder an einen Gesellschafter vorliegen.
1.2.2.2 Unterlassen
Ein Unterlassen kann unter gewissen Voraussetzungen ebenfalls als eine Rechtshandlung angesehen werden. Der Geschäftsführer ist während einer Krisensituation an strenge Kontroll- und Sorgfaltspflichten gebunden. Vernachlässigt er diese, so kann auch ein Unterlassen haftungsbegründend sein. Automatisierte Prozesse fallen dadurch ebenfalls unter das Zahlungsverbot. So liegt beispielsweise beim Einzug einer Lastschrift eine Zahlung vor, wenn der Geschäftsführer es unterlässt, die Einzugsermächtigung rechtzeitig zu widerrufen. Hätte die Zahlung durch den Geschäftsführer verhindert werden können, ist diese ihm haftungsbegründend zuzurechnen (Zitat).
Kein zurechenbares Verhalten liegt vor, wenn der Geschäftsführer es unterlässt, einen Gewinn für die Gesellschaft einzubringen. § 15b Abs. 4 InsO soll die Gläubigerinteressen nur vor Zahlungen schützen, die zur Schmälerung der Masse führen. Eine Pflicht zur Verbesserung der Insolvenzmasse und damit zur Verbesserung der Befriedigungsaussichten für die Gläubiger besteht für den Geschäftsführer jedenfalls nicht nach § 15b InsO.
Beispiel
G ist Geschäftsführer der zahlungsunfähigen X-GmbH. Damit die gute Geschäftsbeziehung zu Lieferanten L weiterhin besteht, beauftragt G einen Mitarbeiter die fälligen Verbindlichkeiten an L. Dazu kommt, dass ein Gläubiger P ein Girokonto der X-GmbH pfändet. Der Lage der X-GmbH bewusst, zahlt der Mitgesellschafter M des G eine Zahlung an einen anderen Zulieferer F, mit dem M seit vielen Jahren befreundet ist. Dadurch will er verhindern, dass F nur einen geringeren Betrag im Falle eines Insolvenzverfahrens bekommt. Damit G von der Zahlung an F nichts erfährt, zahlt M mit Bargeld aus dem Kassenbestand der X-GmbH und verheimlicht G die Zahlung.
- Der Zahlung an L liegt eine Rechtshandlung des G zugrunde. Dass die Zahlung nicht persönlich von G getätigt wurde, spielt dabei keine Rolle. Die Zahlung geschah auf Auftrag des G und unterliegt somit seinem Willen. Die Rechtshandlung ist G zuzurechnen.
- Die Pfändung des Girokontos der X-GmbH durch P liegt keine Rechtshandlung des G zugrunde. Einer Kontopfändung liegt keine zurechenbare Rechtshandlung des Geschäftsführers zugrunde, da sie in der Regel nicht dem Willen des Geschäftsführers entspricht und nur durch eine andere pflichtwidrige Zahlung verhindert werden kann.
- G hat eine strenge Kontrollpflicht gegenüber seinen Mitgesellschaftern. Trotzdem kann G hier durch die Täuschung des M nicht erkennen, dass eine pflichtwidrige Zahlung getätigt wurde. Die Zahlung kann G nicht zugerechnet werden
1.2.2.3 Zeitpunkt der Rechtshandlung
Erfasst sind lediglich Zahlungen, die nach Eintritt der Insolvenzreife vorgenommen werden. Liegt die Rechtshandlung und der Einfluss auf das Gesellschaftsvermögen nach der Insolvenzeröffnung, etwa durch Insolvenzanfechtung vor, sind diese Zahlungen nicht erfasst. Bei einer mehraktigen Rechtshandlung genügt es, wenn ein Teil zum Zeitpunkt der Insolvenzreife vorliegt (Zitat).
Tritt die GmbH einen Gegenstand oder eine Forderung vor dem Eintritt der Insolvenzreife zur Sicherung ab, kann dadurch trotzdem eine verbotene Zahlung im Sinne des § 15b Abs. 1 InsO vorliegen. Wenn die Forderung erst nach dem Eintritt der Insolvenzreife werthaltig, so liegt ein Teil der Rechtshandlung im Anwendungsbereich des § 15b Abs. 1. InsO.
Wird eine künftige Forderung vor ihrem Entstehen abgetreten, kann eine verbotene Zahlung vorliegen, wenn die Forderung erst nach Eintritt der Insolvenzreife entsteht. Der Geschäftsführer kann das Rechtsgeschäft, dass der Forderung zugrunde liegt kündigen, bevor die Forderung entsteht.
1.2.2.4 Einzelbetrachtung
Jede Rechtshandlung des Geschäftsführers muss einzeln betrachtet und dahingehend bewertet werden, ob eine pflichtwidrige Handlung vorliegt. Eine anfechtungsrechtliche Gesamtbetrachtung ist abzulehnen. Hiernach sollen Zahlungen, die über eine Mittelsperson an einen Dritten weitergeleitet werden, im gesamten betrachtet werden. Das Ziel hierbei ist jedoch, den Zahlungsempfänger und damit den Anfechtungsgegner auszumachen. Der Vorgang als Ganzes soll wirtschaftlich betrachtet werden und als eine Zahlung von dem Schuldner an den Gläubiger gelten(Zitat). Bei der Frage nach einer pflichtwidrigen Handlung ist nach der Gesetzesänderung weiterhin eine Einzelbetrachtung vorzunehmen. Eine Gesamtbetrachtung ist erst bei der Berechnung des Schadens nach § 15 Abs. 4 S. 2 InsO von Bedeutung, wonach zwar weiterhin alle einzelnen Zahlungen zu ersetzen sind, jedoch nur bis zur Höhe des Gesamtschadens. (Zitat).
Im Falle von § 15b Abs. 4 InsO ist lediglich das Vorliegen einer Zahlung, nicht der Zahlungsempfänger, wichtig. Es soll festgestellt werden, welche Gesellschaft eine Zahlung vornimmt und somit welche Masse wieder aufgefüllt werden muss. Daher soll in diesen Fällen keine Ausnahme von der Einzelbetrachtung gemacht werden und jede Rechtshandlung stellt eine Zahlung dar. Die Zahlung vom Schuldner an die Mittelsperson und die Zahlung der Mittelsperson an den Gläubiger stellen einzelne Rechtshandlungen da und können jeweils zu einer Haftung nach § 15b Abs. 4 InsO führen (Zitat).
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