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Verzicht- und Vergleichsverbot, Verjährung und Beweislast bei § 15b ABs. 4 InsO

1.1.1 Verzicht- und Vergleichsverbot

Ein Verzicht auf den Anspruch aus § 15b Abs. 4 InsO ist nach § 15b Abs. 4 S. 4 InsO ausgeschlossen, ebenso wie ein Vergleich über die Forderungen zu Lasten der Gläubiger. Die Vorschrift dient dem Erhalt der Masse und dem Erhalt der Gläubigeraussichten und schließt daher Verzicht und Vergleich aus. Erfasst ist von dem Verzichtsverbot ein Verzicht oder ein Teilverzicht nach § 397 BGB so wie ein negatives Schuldanerkenntnis. Von dem Vergleichsverbot ist der Vergleich nach § 779 BGB und der Prozessvergleich nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO erfasst (Zitat).

1.1.1.1 Ausnahmen

Der Insolvenzverwalter ist nach § 15b Abs. 4 S. 5 InsO nicht an das Verzicht- und Vergleichsverbot gebunden. Ein Insolvenzverwalter muss sich am Gläubigerinteresse und an der Leistungsfähigkeit des Geschäftsführers orientieren. Wirkt der Verzicht oder der Vergleich durch den Insolvenzverwalter klar gegen die Zielrichtung des Insolvenzverfahrens, ist er unwirksam (Zitat). Die Unwirksamkeit wird durch die wirtschaftlichen Folgen des Vergleichs für die Masse ermittelt.

Ist im Insolvenzplan ist ein Verzicht oder ein Vergleich zulässig.

Ein Verzicht oder Vergleich durch die juristische Person selbst ist nur möglich, wenn er zur Vermeidung einer Insolvenz des Geschäftsführers erforderlich ist. Ist der Geschäftsführer zahlungsunfähig und wird durch den Erlass der Forderung ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Geschäftsführers abgewendet, ist ein Vergleich zulässig. Dafür muss ein Vergleich mit den Gläubigern eines Geschäftsführers getroffen wird. Die Zahlungsunfähigkeit des Geschäftsführers muss nachhaltig abgewendet werden. Gelingt das nicht, bleibt das Vergleichs- und Verzichtsverbot bestehen (Zitat).

1.1.1.2 Vorläufiger Insolvenzverwalter

Ist ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt, bleibt das Verzicht- und Vergleichsverbot bestehen. Ein Verzicht auf den Anspruch nach § 15b Abs. 4 InsO kann nicht wirksam sein, selbst wenn ein vorläufig bestellter Insolvenzverwalter nach Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts nach § 21 II 1 Nr. 2 InsO dem Verzicht zustimmt. Die Aufgabe des vorläufigen Insolvenzverwalters ist die Erhaltung der Masse. Der „endgültige“ Insolvenzverwalter hat hingegen die Aufgabe, die Insolvenzmasse bestmöglich für die Gesamtgläubigerschaft zu verwerten. In dieser Abgrenzung der Aufgaben erscheint eine Anwendung der Ausnahme des Verbots auf den vorläufigen Insolvenzverwalter nicht sinnvoll (Zitat).

Beispiel

G ist der Geschäftsführer der X-GmbH. Die X-GmbH befindet sich im laufenden Insolvenzverfahren. Der Insolvenzverwalter kann einen Anspruch gegen G nach § 15b Abs. 4 InsO geltend machen. Da G nach Eintritt der Insolvenzreife eine verbotene Zahlung vorgenommen hat, besteht ein Anspruch nach § 15b Abs. 4 InsO. Da er keine Befriedigungsaussichten durch G sieht, verzichtet I nach § 397 BGB auf den Anspruch der GmbH gegen G. Als Gegenleistung tritt G eine Forderung, die er persönlich gegen die Y-GmbH hat, an die X-GmbH ab.

  • Der Verzicht auf den Anspruch nach § 15b Abs. 4 InsO ist wirksam. Dem Insolvenzverwalter steht nach § 15b Abs. 4 S. 5 InsO zu, auf den Anspruch zu verzichten. Da die X-GmbH als Gegenleistung eine Forderung gegen die Y-GmbH erhält, läuft der Verzicht nicht dem Zweck des Insolvenzverfahrens zuwider und ist daher wirksam.

1.1.2 Freistellung und Handeln auf Beschluss

Liegt noch keine Insolvenzeröffnungspflicht, sondern lediglich drohende Zahlungsunfähigkeit nach § 18 InsO vor, ist der Geschäftsführer nicht insolvenzantragspflichtig. Trotzdem besteht die Möglichkeit, einen Insolvenzantrag zu stellen, um möglichen Haftungsrisiken frühzeitig abzuwehren. Genehmigen die Gesellschafter die Stellung des Insolvenzantrags nicht, kann der Geschäftsführer eine Freistellung von den Haftungsrisiken nach § 15b InsO verlangen. Dabei wirkt die Freistellung jedoch nur, wenn der Erstattungsanspruch nicht zur Befriedigung der Gläubiger benötigt wird.

Der Geschäftsführer kann sich später nicht darauf berufen, dass er eine Zahlung während Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung aufgrund eines Gesellschafterbeschlusses vorgenommen hat. Kann durch den Gesellschafterbeschluss eine Haftung für den Geschäftsführer ausgelöst werden, hat der Geschäftsführer diesem Beschluss keine Folge zu leisten (Zitat).

Beispiel

G ist der Geschäftsführer der A-GmbH, die nach § 18 InsO droht zahlungsunfähig zu werden. Da sich G bewusst ist, dass im Falle einer Zahlungsunfähigkeit eine persönliche Haftung für ihn drohen kann, will er einen Insolvenzantrag stellen. Die Gesellschafter A und B der A-GmbH erhoffen sich jedoch eine Besserung der finanziellen Lage. Daher lehnen sie einen Beschluss ab, der es G erlaubt, den Insolvenzantrag zu stellen. Damit sich G sicher fühlt, stellen A und B ihn von einer Haftung nach § 15b Abs. 4 InsO frei. Letztendlich kommt es dazu, dass die A-GmbH zahlungsunfähig wird. Bevor G den Insolvenzantrag stellt, leistet er aufgrund eines Beschlusses von A und B eine Zahlung an A.

  • G haftet persönlich für die Zahlung an A nach § 15b Abs 4 InsO. Er kann sich nicht darauf berufen, dass er aufgrund eines Beschlusses von A und B gehandelt hat. Die Freistellung von dieser Haftung befreit G nur solange der Erstattungsanspruch nicht geltend gemacht werden muss, um alle Gläubiger der A-GmbH zu befriedigen. In der Regel reicht die Insolvenzmasse nicht aus, um alle Gläubiger zu befriedigen und daher kann der Insolvenzverwalter den Erstattungsanspruch gegen G geltend machen

1.1.3 Verzinsung

Gerät der Geschäftsführer mit der Zahlung des Haftungsanspruchs nach § 286 BGB in Verzug, so zahlt er Verzugszinsen gemäß § 288 BGB. Dabei beginnt der Verzug, wenn der Geschäftsführer dem geltend gemachten Zahlungsanspruch nach § 15b Abs. 4 InsO nicht Folge leistet.

1.2 Verjährung

Der Anspruch verjährt nach fünf Jahren (§ 15b Abs. 7 S. 1 InsO). Die Verjährung der Frist beginnt nach § 200 BGB mit dem Entstehen der Ansprüche. Zwar wurde in älteren Urteilen des BGHs ein Fristbeginn zum Zeitpunkt der Zahlung angenommen, da die Rechtsprechung eine Entstehung des Anspruchs zu diesem Zeitpunkt in neuen Urteilen ablehnt, wird nun der Fristbeginn erst zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens angenommen.

Jede Zahlung stellt einen einzelnen Anspruch dar. Da die Verjährungsfristen der einzelnen Ansprüche erst mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehen, verjähren die Ansprüche nach der neuen Rechtsprechung zeitgleich nach fünf Jahren nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Eine Kenntnis des Geschäftsführers über die Entstehung des Anspruchs ist nicht erforderlich, damit die Laufzeit der Frist beginnt (Zitat).

Beispiel

G nimmt als Geschäftsführer der X-GmbH eine Zahlung an einen Gläubiger A vor. Zu diesem Zeitpunkt ist die X-GmbH bereits zahlungsunfähig. Die Zahlungsunfähigkeit der X-GmbH wird lange nicht entdeckt und daher wird der Insolvenzantrag erst über fünf Jahre nach der Zahlung eröffnet. In der ganzen Zeit blieb die X-GmbH zahlungsunfähig. Kurz nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens will der Insolvenzverwalter die Ansprüche gegen G geltend machen.

  • Die Ansprüche verjähren nach § 15b Abs. 7 S. 1 InsO nach fünf Jahren. Die Frist für die Verjährung beginnt nach § 200 BGB mit dem Entstehen der Ansprüche. Da die Ansprüche aus § 15b Abs. 4 InsO erst mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehen, sind die Ansprüche gegen G noch nicht verjährt. Der Insolvenzverwalter kann den Anspruch gegen G geltend machen.

1.3 Beweislast

Die Darlegungs- und Beweislast vor Gericht liegt beim Insolvenzverwalter. Dabei hat er das Vorliegen von Insolvenzreife und das Tätigen der einzelnen Zahlungen zu beweisen.

1.3.1 Zahlungen

Der Insolvenzverwalter muss die Höhe der Zahlungen und den Empfänger darlegen. Liegen Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife vor, wird zunächst vermutet, dass diese pflichtwidrig sind und dass der Geschäftsführer sie zu verschulden hat. Waren die Zahlungen privilegiert, liegt die Beweislast beim Geschäftsführer. Stützt sich der Geschäftsführer darauf, dass nur ein geringerer Schaden bei der Gläubigerschaft entstanden sei, muss er dies ebenfalls beweisen (Zitat)

1.3.2 Insolvenzreife

Den Beweis dafür, dass Zahlungsunfähigkeit vorlag, muss bei einem Prozess von der Gesellschaft und bei einem Insolvenzverfahren von dem Insolvenzverwalter vorgelegt werden. Stellt die Gesellschaft ihre Zahlungen in beteiligten Verkehrskreisen ein, kann die Zahlungsunfähigkeit nach § 17 II InsO vermutet werden. Von einer Zahlungseinstellung kann ausgegangen werden, wenn die Gesellschaft ihre fälligen Verbindlichkeiten nicht mehr erfüllt. Liegen Indizien für Zahlungseinstellung und somit für Zahlungsunfähigkeit vor, muss die Vermutung vom Geschäftsführer widerlegt werden. Den Geschäftsführer trifft die sekundäre Behauptungslast. Der Insolvenzverwalter kann sich bei der Vermutung auf die Bücher der Gesellschaft stützen. Dabei kann er auf die Richtigkeit der Bücher vertrauen (Zitat).

Überschuldung kann der Insolvenzverwalter durch rechnerische Überschuldung vortragen. Durch rechnerische Überschuldung kann rechtliche Überschuldung vermutet werden. Den Geschäftsführer trifft daraufhin die Pflicht, durch Aufdecken der stillen Reserven die Überschuldung zu widerlegen. Liegen keine ordentlich geführten Bücher vor, gilt dies ebenfalls als Beweis der Insolvenzreife, da dem Insolvenzverwalter ansonsten die Möglichkeiten zum Beweisen fehlen (Zitat)


 

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