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Gläubiger und Schuldner in der Insolvenz

1.1 Schuldner der Ansprüche

Adressaten der Norm sind nach § 15b Abs. 1 InsO mit Verweis auf § 15a Abs. 1 S. 1 InsO „antragspflichtigen Mitglieder des Vertretungsorgans und Abwickler einer juristischen Person“.

1.1.1 Geschäftsführer der GmbH

Bei der GmbH ist in der Regel der Geschäftsführer der Normadressat und damit der Schuldner der Ansprüche aus §§ 15b Abs. 4, 5 InsO. Sind mehrere Geschäftsführer eingesetzt, so haften sie als Gesamtschuldner. Dabei spielt keine Rolle, ob die Geschäftsführer in Ressorts eingeteilt sind, die Überwachung der Insolvenzfähigkeit ist besonders in Krisensituationen Aufgabe aller Geschäftsführer. Neben dem Geschäftsführer kann ein Liquidator nach § 71 Abs. 4 GmbHG der Schuldner der Ansprüche sein. Ebenfalls erfasst sind die Geschäftsführer einer UG und Geschäftsführer einer bereits errichteten, jedoch noch nicht eingetragenen Vor-GmbH (Fußnote).

1.1.2 Niederlegung des Amtes

Legt der Geschäftsführer sein Amt ordnungsgemäß nieder, entfallen die bereits begründeten Ansprüche aus § 15b Abs. 1nsO für getätigte Zahlungen nicht. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Insolvenzverfahren bereits eröffnet wurde oder nicht. Der Geschäftsführer muss nicht für Zahlungen haften, die nach der Niederlegung seines Amtes erfolgen (Fußnote).

1.1.3 Faktischer Geschäftsführer

Ebenfalls Schuldner des Anspruchs kann der faktische Geschäftsführer sein. Darunter versteht man eine natürliche Person, die gar nicht oder nicht ordnungsgemäß zum Geschäftsführer ernannt wird und nicht im Handelsregister eingetragen ist. Er wird meistens von den Gesellschaftern ohne formalen Antrag bestellt und übernimmt tatsächlich die Aufgaben des echten Geschäftsführers. Ob das Einverständnis der Geschäftsführer erforderlich ist, ist jedoch umstritten. Einerseits wird die Ansicht vertreten, dass die Einwirkung eines Dritten auf die Gesellschaft, ohne das Einverständnis der Gesellschafter nicht ausreicht. Es handelt sich nur um eine Anmaßung eines von außerhalb und die Haftung und die Pflichten eines faktischen Geschäftsführers könne nicht ohne Zustimmung der Gesellschafter erfolgen (vgl. Noack/Servatius/Haas/Haas, 23. Aufl. 2022, GmbHG § 64 Rn. 23). Dieser Ansicht hat sich die Rechtsprechung jedoch nicht angeschlossen. Da der faktische Geschäftsführer die Gesellschaft formell und materiell nicht vertreten dürfe, bedarf es keiner Genehmigung durch die Gesellschafter. Das faktische Einwirken auf die Gesellschaft qualifiziert einen Dritten schon als faktischen Geschäftsführer (Fußnote).

Der faktische Geschäftsführer nimmt innergesellschaftlich maßgeblichen Einfluss auf das Handeln der Gesellschaft und tritt nach außen wie ein Geschäftsführer auf. Eine reine innerliche Einflussnahme genügt nicht, der faktische Geschäftsführer muss im Außenverhältnis durch sein Handeln nachhaltig auf die Gesellschaft einwirken (vgl. Braun/Weber/Dömmecke, 9. Aufl. 2022, InsO § 15b Rn. 4).

War ein faktischer Geschäftsführer tätig, liegt die Beweislast beim Anspruchsteller und somit in der Regel beim Insolvenzverwalter. Das Tätigwerden eines faktischen Geschäftsführers ist in der Praxis meistens jedoch schwer zu beweisen. Weder das Auftreten im Innenverhältnis noch das Handeln im Außenverhältnis sind durch konkrete Anhaltspunkte zu beweisen. Eine Abwägung anhand des wirtschaftlichen Einflusses auf die Gesellschaft muss vorgenommen werden. Besonders die Intensität und die Art der Aufgaben des faktischen Geschäftsführers müssen in Betracht gezogen werden. Dadurch soll eine Differenzierung zwischen einem faktischen Geschäftsführer und einem Gesellschafter in Ausübung seiner Befugnisse erfolgen. So können beispielweise die Abwicklung des Zahlungsverkehrs, Weisungen an Angestellte oder das Ausüben des Hausrechts als Ansatzpunkte für einen faktischen Geschäftsführer schließen. Die Entscheidungsgewalt des faktischen Geschäftsführers muss dabei in einem starken Übergewicht zum Geschäftsführer stehen. Der Geschäftsführer muss nicht vollkommen übergangen werden, es genügt, wenn der faktische Geschäftsführer maßgebenden Einfluss nimmt (Fußnote).

Beispiel

A ist Gesellschafter der A-GmbH. Als Geschäftsführer bestellt er G, der in seiner langen Laufbahn schon verschiedene Unternehmen geleitet hat. Trotzdem ist A mit der Entscheidungsfindung des G nicht sonderlich zufrieden. Daher nimmt A an der Seite von G an den wichtigen Vertragsverhandlungen mit neuen Lieferanten und Abnehmern der A-GmbH teil und übernimmt den Zahlungsverkehr mit diesen. Innerhalb der A-GmbH kümmert sich A um die Aufgabenverteilung für seine Angestellten und lässt A die Ausführung der Aufgaben gestalten und überwachen.

  • A ist der faktische Geschäftsführer der A-GmbH. Der starke wirtschaftliche Einfluss im Innen- und Außenverhältnis übersteigt die in der Regel geltenden Befugnisse eines Gesellschafters. Der Einfluss auf G und das Übergewicht des Einflusses von A diesem gegenüber ist ausschlaggebend für seine Rolle als faktischer Geschäftsführer. Anders als bei einem Gesellschafter kann A Schuldner der Ansprüche aus §§ 15b Abs. 4, 5 InsO sein, sofern eine Haftung begründet ist.

1.2 Gläubiger

Der Gläubiger der Forderungen aus §§ 15b Abs. 4, Abs. 5 ist die GmbH. Wird das Insolvenzverfahren eröffnet, wird der Insolvenzverwalter der Inhaber der Ansprüche. Dieser ist dazu verpflichtet die Ansprüche geltend zu machen. Verstößt der Insolvenzverwalter gegen diese Pflicht, läuft er Gefahr nach § 60 I InsO zu haften. Der Anspruch wird erst mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch den Insolvenzverwalter geltend gemacht. Ist das Insolvenzverfahren aufgrund von Masselosigkeit nicht eröffnet worden, können Gläubiger der GmbH die Ansprüche pfänden und zur Einziehung geltend machen (Fußnote).

1.2.1 Abtretung des Anspruchs

Nach § 15b Abs. 4 S.4 InsO gilt ein Verzichts- und Vergleichsverbot über den Anspruch nach § 15b Abs. 4 InsO. Nach dem Wortlaut der Vorschrift bezieht sich das Verbot nicht auf eine Abtretung des Anspruchs. Vor der Eröffnung des Insolvenzverfahren kann der Anspruch von der Gesellschaft nicht abgetreten werden. Ein Dritter kann nach § 91 InsO keinen Anspruch erwerben, der zu Lasten der Insolvenzmasse fällt.

Wird das Insolvenzverfahren eröffnet kann der Insolvenzverwalter den Anspruch abtreten. Die Abtretung des Anspruchs ist nicht direkt zweckwidrig gegen die Aufgabe des Insolvenzverwalters die bestmöglichen Befriedigungsaussichten der Gläubiger zu sichern. Eine Abtretung kann als Teil des Insolvenzplans wirksam sein. Wird das Insolvenzverfahren mangels Masse der GmbH abgelehnt, soll keine Abtretung der Ansprüche möglich sein. Die Gläubiger der GmbH können nach der Ablehnung des Insolvenzantrags die Ansprüche gegen den Geschäftsführer selbst geltend machen, die Ansprüche sollen davor nicht abgetreten werden (Fußnote).

1.2.1.1 Insolvenzquote und Anfechtungsanspruch

Wird der Erstattungsanspruch durch den Insolvenzverwalter abgetreten, stellt sich die Frage, wie die Insolvenzquote für den Geschäftsführer geltend gemacht wird. Dem Geschäftsführer steht bei einer verbotenen Zahlung an einen Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren ein Anspruch aus der Insolvenzmasse zu, die dem Gläubiger ohne die verbotene Zahlung zugestanden hätte. Somit soll eine Bereicherung der Insolvenzmasse verhindert werden. Kann der Insolvenzverwalter eine Zahlung anfechten, so soll der Geschäftsführer den Anfechtungsanspruch Zug-um-Zug mit der Erstattung abgetreten bekommen. Wird der Erstattungsanspruch abgetreten kommt es zu Problemen dieser beiden Abwicklungsprozesse. Wie diese Haftungserleichterung im Falle der Abtretung verläuft, ist noch unklar (Fußnote).

1.2.1.2 Einstellung des Verfahrens

Der Erstattungsanspruch erlischt nicht dadurch, dass das Insolvenzverfahren nach § 212 InsO eingestellt wird oder nach § 258 InsO nach dem Insolvenzplan aufgehoben wird. Es handelt sich bei der Abtretung um eine Verwertungshandlung und daher kann der Anspruch nicht erlöschen (Fußnote).


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Herausgeber / Autor(-en):

Harald Brennecke, Rechtsanwalt

Portrait Harald-Brennecke

Rechtsanwalt Harald Brennecke ist Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Fachanwalt für Insolvenzrecht.

Er berät, vertritt und begleitet Gesellschafter, Geschäftsführer und Unternehmen bei

  • Rechtsformwahl
  • Wahl des Firmennamens
  • Gesellschaftsgründungen:
    z.B. Beratung zu Gesellschaftskonzepten, Gestaltung von Gesellschaftsverträgen, Geschäftsführerverträgen, Handelsregisteranmeldungen, Vorbereitung und Begleitung  bei Notarterminen 
  • Auseinandersetzungen zwischen Gesellschaftern
  • Liquidation von Gesellschaften
  • Firmenkäufen
  • Due Diligence
  • Geschäftsführerverträgen
  • Sanierung, Insolvenzvermeidung und Insolvenzbegleitung:
    Harald Brennecke ist seit 1999 im Bereich der Unternehmenssanierung tätig. Als Fachanwalt für Insolvenzrecht berät und begleitet er Sanierungen und betreut Geschäftsführer und Gesellschafter bei Firmeninsolvenzen. Er unterstützt Geschäftsführer in der Unternehmenskrise hinsichtlich der für sie bestehenden Haftungsrisiken sowie Gesellschafter im Interesse der Wahrung der Unternehmenswerte. Er unterstützt bei der Suche nach Investoren und Wagniskapitalgebern (venture capital), begleitet Verhandlungen und erstellt Investorenverträge.


Rechtsanwalt Harald Brennecke hat im Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht veröffentlicht:

  • "Das Recht der GmbH", Verlag Mittelstand und Recht, 2015, ISBN 978-3-939384-33-5
  • "Der Gesellschaftsvertrag der GmbH - Die GmbH-Satzung in Theorie und Praxis", 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-40-3
  • "Der Unternehmenskauf -  Rechtliche Risiken bei Kauf und Verkauf mittelständischer Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-18-2
  • "Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-29-8
  • "Gesellschaftsrecht in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-26-7
  • "Die Limited in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-34-2
  • "Der Insolvenzplan – Sanierungsinstrument in der Insolvenz", 2007, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-03-8
  • "Die Regelinsolvenz - Insolvenz für Unternehmer und Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-07-6
  • "Gesellschafterinteressen in der Publikums-KG: Auskunftsrechte der Kommanditisten einer Publikums-KG gegen Treuhänder“, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-28-1
  • "Die Gesellschafterversammlung: Ein Leitfaden", Harald Brennecke und Dipl.-Jur. Marc Schieren, M. L. E., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-50-2
  • "Arztpraxis – Kauf und Übergang", Harald Brennecke und Michael Kaiser, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-54-0

Folgende Veröffentlichungen von Rechtsanwalt Brennecke sind in Vorbereitung:

  • Die Due Diligence – Rechtliche Prüfung beim Unternehmenskauf
  • Die Liquidation der Kapitalgesellschaft
  • Die Unternehmergesellschaft (UG)

Harald Brennecke ist Dozent für Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht im DeutscherAnwaltVerein.  
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

  • Gesellschaftsrecht für Steuerberater und Unternehmensberater – Grundlagen des Gesellschaftsrechts
  • Gesellschaftsvertragsgestaltung – Grundlagen und Risiken
  • Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) – kleine Chance, großes Risiko
  • Welche Gesellschaftsform ist die Richtige? Vor- und Nachteile der Rechtsformen für Unternehmer
  • Geschäftsführerhaftung – Geschäftsführung von Kapitalgesellschaften; das letzte große Abenteuer der westlichen Zivilisation
  • Insolvenzrecht für Gründer und lebende Unternehmen: Aus Insolvenzen anderer lernen heißt das eigene Insolvenzrisiko zu vermeiden
  • Unternehmenssanierung: Kopf aus dem Sand! Wer zu spät reagiert, reagiert nie wieder.
  • Insolvenzrecht für Steuerberater – Grundlagen des Insolvenzrechts für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer
  • Insolvenzrecht für Unternehmensberater – Sanierungschancen erkennen und wahren
  • Insolvenzberatung: das (enorme) Haftungsrisiko des Sanierungsberaters

Kontaktieren Sie Rechtsanwalt Harald Brennecke unter:
Mail: brennecke@brennecke-rechtsanwaelte.de
Telefon: 0721-20396-28

 

Normen: § 15 InsO

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