Die Europäische Aktiengesellschaft (SE) als Rechtsform für mittelständische Unternehmen – Teil 13 – Aufsichtsorgan

5.1.2 Aufsichtsorgan

In Art. 40, 46-51 SE-VO, Art. 9 I c ii SE-VO i.V.m. § 17 SEAG sowie in Art. 9 I c iii SE-VO i.V.m. mit den Regelungen des nationalen Aktienrechts sind geregelt,

  • wie viele Mitglieder ein Aufsichtsorgan haben muss
  • welche persönlichen Voraussetzungen bei einem Mitglied des Aufsichtsorgans erfüllt sein müssen
  • wie die Bestellung und die Abberufung erfolgt
  • wie das Aufsichtsorgan intern zu organisieren ist und
  • welche Aufgaben das Aufsichtsorgan hat


5.1.2.1 Erforderliche Mitgliederanzahl des Aufsichtsorgans

Die Zahl der Mitglieder des Aufsichtsorgans wird gem. Art 40 III 1 SE-VO durch die Satzung der SE festgelegt. Den jeweiligen Mitgliedsstaaten ist es jedoch möglich gewesen, die Zahl der Mitglieder des Aufsichtsorgans bzw. deren Höchst- und oder Mindestzahl festzulegen. Der deutsche Gesetzgeber hat hiervon Gebrauch gemacht und hat in § 17 SEAG geregelt, dass das Aufsichtsorgan mindestens aus drei Mitgliedern bestehen muss. Sofern durch die Satzung der SE davon abgewichen werden soll, muss diese höhere Zahl durch drei teilbar sein. Die Höchstzahlen der Mitglieder des Aufsichtsorgans staffeln sich dabei nach dem Grundkapital. Bei einem Grundkapital von mehr als 10 Millionen Euro beträgt die Höchstzahl gemäß § 17 I SEAG 21 Mitglieder.

Beispiel
Der in Deutschland ansässige PET Hersteller P-AG möchte im Rahmen der Umwandlung in eine SE die Anzahl der Aufsichtsorganmitglieder so gering als möglich halten und erwägt eine feste Anzahl an Organmitglieder festzulegen. Das Grundkapital des Unternehmens liegt bei 5 Millionen Euro. Die P-SE strebt eine Anzahl von 5 Personen an.

  • Bei einem Grundkapital von mehr als 1,5 Millionen muss die Anzahl der Aufsichtsorganmitglieder 15 Mitglieder betragen. Da das Grundkapital der P-SE bei 5 Millionen Euro liegt, ist eine Anzahl von 5 geplanten Mitgliedern nicht ausreichend. Es müssen 15 Mitglieder im Aufsichtsorgan sein.

5.1.2.2 persönliche Voraussetzungen der Mitglieder des Aufsichtsorgans

Hinsichtlich der persönlichen Voraussetzungen gilt wie bei den Mitgliedern des Leitungsorgan Art. 47 II SE-VO. Demnach gilt für Mitglieder des Aufsichtsorgans einer deutschen SE § 100 AktG. Das heißt, dass nur eine unbeschränkt geschäftsfähige, nicht unter Betreuung stehende natürliche Person Aufsichtsorganmitglied werden können. Laut Rechtsprechung[1] muss ein Mitglied Mindestkenntnisse und -fähigkeiten besitzen oder sich aneignen, um alle normalerweise anfallenden Geschäftsvorgänge ohne fremde Hilfe nachvollziehen und beurteilen zu können.

Gem. § 100 II AktG kann eine Person kein Mitglied des Aufsichtsorgans sein, wenn

  • sie bereits in zehn Handelsgesellschaften, die gesetzlich einen Aufsichtsrat zu bilden haben, Aufsichtsratsmitglied ist
  • sie ein gesetzlicher Vertreter eines von der Gesellschaft abhängigen Unternehmens ist
  • sie gesetzlicher Vertreter einer anderen Kapitalgesellschaft ist, deren Aufsichtsrat ein Vorstandsmitglied der Gesellschaft angehört oder
  • sie in den letzten zwei Jahren Vorstandsmitglied derselben börsennotierten Gesellschaft war, es sei denn, seine Wahl erfolgt auf Vorschlag von Aktionären, die mehr als 25 Prozent der Stimmrechte an der Gesellschaft halten

Beispiel
X ist ein aufgrund seiner Expertise ein sehr renommierter Manager und ist bereits in 12 Unternehmen der Softwarebranche Aufsichtsratsmitglied. X wurde von seinem Freund Y, dem aktuellen Vorstand der neu gegründeten T-SE, gebeten, ob X ebenso in der T-SE, einem Unternehmen, das sich auf die Herstellung von Computerchips spezialisiert hat, als Aufsichtsorgan fungieren will.

  • X ist bereits in 12 Unternehmen Mitglied im Aufsichtsrat, sodass es dem X aufgrund der in § 100 II AktG genannten Ausschlussgründe nicht möglich ist, Mitglied des Aufsichtsorgans der T-SE zu werden.

Ein wichtiges Element des dualistischen Systems ist die Inkompatibilität zwischen Aufsichtsorganmitgliedschaft und Leitungsorganmitgliedschaft, d.h. es herrscht eine strikte personelle und funktionelle Trennung zwischen Geschäftsführung und Überwachung.[2] Ausnahmsweise darf jedoch gemäß Art. 39 III 2 SE-VO ein Mitglied des Aufsichtsorgans zur Wahrnehmung der Aufgaben eines Mitglieds des Leitungsorgans abgestellt werden, solange der Posten nicht besetzt ist. Infolge der Abstellung ruht allerdings das Mandat im Aufsichtsorgan gem. Art. 39 II 3 SE-VO.

Beispiel
X ist jahrelanges Mitglied des Aufsichtsorgans der T-SE, ein Konzern im Bildungs- und Gesundheitssektor. Der langjährige Vorsitzende des Leitungsorgans Z ging nach 20-jähriger Amtstätigkeit in den wohlverdienten Ruhestand. Bis zu diesem Zeitpunkt konnte - auch nach anstrengender Suche - kein geeigneter Kandidat für die Nachfolge gefunden werden.

  • X könnte das Amt des Z übernehmen. X kann das Amt des Z allerdings nur solange übernehmen bis die Position Z neu besetzt wird. X muss in dieser Zeit gem. Art. 39 II 3 SE-VO sein Amt im Aufsichtsorgan ruhen lassen.

5.1.2.3 Bestellung und Abberufung

Die Mitglieder des Aufsichtsorgans werden gem. Art. 40 II 1 SE-VO grundsätzlich von der Hauptversammlung bestellt. Es besteht ebenso die Möglichkeit, die Mitglieder des ersten Aufsichtsorgans in der Satzung der Gesellschaft festzulegen. Für die Bestellung der Aufsichtsorganmitglieder einer deutschen SE innerhalb der Hauptversammlung bedarf es der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen.[3]

5.1.2.3.1 Amtszeit

Die Mitglieder des Aufsichtsorgans werden wie die Mitglieder des Leitungsorgans für einen in der Satzung festgelegten Zeitraum, der jedoch 6 Jahre nicht überschreiten darf, bestimmt.

Beispiel
M wurde in der Hauptversammlung als neues Aufsichtsorganmitglied der T-SE vorgeschlagen. 290 von 510 abgegebenen Stimmen sind auf M entfallen. Ist M ordnungsgemäß als Aufsichtsorgan berufen worden?

  • Da M mit 290 von 510 abgegebenen Stimmen die einfache Mehrheit auf sich vereinigt hat, da M mehr Stimmen als alle anderen Vorschläge zusammen auf sich vereint. Somit wurde M ordnungsgemäß als Mitglied des Aufsichtsorgans berufen.

5.1.2.3.2 Abberufung

Für die Abberufung der Mitglieder des Aufsichtsorgans, die nicht in der SE-VO nicht geregelt, muss gem. Art. 9 I c ii SE-VO nationales Recht angewendet werden. Demnach können bei einer deutschen SE gem. § 103 AktG die von der Hauptversammlung gewählten Aufsichtsratsmitglieder jederzeit von der Hauptversammlung wieder abberufen werden. Ein Aufsichtsorgan, das aufgrund Satzung entsandt wurde, kann gem. § 103 II SE-VO ebenso jederzeit von dem Entsendeberechtigten abberufen und durch ein anderes Mitglied ersetzt werden. Es bedarf hierfür ebenso einer einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen.


[1] BGH, Urteil vom 15.11.1982 - II ZR 27/82.

[2] Spindler/Stilz, AktG, Band 1, 3. Auflage 2015, § 76 Rn. 1 ff.

[3] Seibt, in: Habersack/Drinhausen, SE-Recht, 2013, Art. 40 Rn. 36.

Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Europäische Aktiengesellschaft (SE) als Rechtsform für mittelständische Unternehmen“ von Harald Brennecke, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, und Sarah Schwab, Wirtschaftsjuristin LL.M., erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-60-1.


 

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Stand: Januar 2017


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Harald Brennecke, Rechtsanwalt

Portrait Harald-Brennecke

Rechtsanwalt Harald Brennecke ist Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Fachanwalt für Insolvenzrecht.

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Rechtsanwalt Harald Brennecke hat im Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht veröffentlicht:

  • "Das Recht der GmbH", Verlag Mittelstand und Recht, 2015, ISBN 978-3-939384-33-5
  • "Der Gesellschaftsvertrag der GmbH - Die GmbH-Satzung in Theorie und Praxis", 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-40-3
  • "Der Unternehmenskauf -  Rechtliche Risiken bei Kauf und Verkauf mittelständischer Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-18-2
  • "Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-29-8
  • "Gesellschaftsrecht in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-26-7
  • "Die Limited in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-34-2
  • "Der Insolvenzplan – Sanierungsinstrument in der Insolvenz", 2007, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-03-8
  • "Die Regelinsolvenz - Insolvenz für Unternehmer und Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-07-6
  • "Gesellschafterinteressen in der Publikums-KG: Auskunftsrechte der Kommanditisten einer Publikums-KG gegen Treuhänder“, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-28-1
  • "Die Gesellschafterversammlung: Ein Leitfaden", Harald Brennecke und Dipl.-Jur. Marc Schieren, M. L. E., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-50-2
  • "Arztpraxis – Kauf und Übergang", Harald Brennecke und Michael Kaiser, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-54-0

Folgende Veröffentlichungen von Rechtsanwalt Brennecke sind in Vorbereitung:

  • Die Due Diligence – Rechtliche Prüfung beim Unternehmenskauf
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  • Die Unternehmergesellschaft (UG)

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Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

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