Die Betriebsvereinbarung – Das Regelungsinstrument der Betriebspartner – Teil 09 – Personelle Kompetenzen

4.1.3. Regelungen in Form von freiwilligen Betriebsvereinbarungen

In vielen Fällen können die Betriebspartner auch Regelungen bezüglich solcher Angelegenheiten treffen, welche nicht der erzwingbaren Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegen. Diese sind dann Inhalt sogenannter freiwilliger Betriebsvereinbarungen. Eine Einigung kann hier nicht einseitig durch das Anrufen der Einigungsstelle herbeigeführt werden. Das Betriebsverfassungsgesetz sieht die sachliche Regelungskompetenz der Betriebspartner außerhalb des Bereichs der erzwingbaren Mitbestimmung insbesondere bei den folgenden Angelegenheiten vor:

  • Vom Gesetz abweichende Regelungen zur Freistellung von Betriebsratsmitgliedern, § 38 Abs. 1 S. 2 BetrVG;
  • Errichtung einer ständigen Einigungsstelle, § 76 Abs. 1 S. 2 BetrVG;
  • Soziale Angelegenheiten, § 88 BetrVG;
  • Erweiterung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats bei Kündigungen, § 102 Abs. 6 BetrVG.

Beispiel
Mit der Einführung eines betrieblichen Gesundheitsmanagements einigen sich die Betriebspartner darauf, dass künftig für jede krankheitsbedingte Kündigung die Zustimmung des Betriebsrats erforderlich ist. Dies wurde in einer entsprechenden Betriebsvereinbarung festgehalten.

  • Die Betriebspartner können gem. § 102 Abs. 6 BetrVG bestimmen, dass Kündigungen der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen. Somit kann eine entsprechende Regelung Inhalt einer freiwilligen Betriebsvereinbarung sein.

Beispiel
Die Arbeitnehmer haben den Wunsch, dass im Betrieb Getränke- und Snackautomaten aufgestellt werden. Hierzu wenden sie sich an den Betriebsrat. Dieser schließt mit dem Arbeitgeber eine Betriebsvereinbarung ab, in welcher festgelegt wird, dass er solche Automaten in Zukunft im Betrieb aufstellen lassen wird.

  • Bei den Getränke- und Snackautomaten handelt es sich um sogenannte Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb beschränkt ist. Nach § 88 Nr. 2 BetrVG haben die Betriebspartner die sachliche Regelungskompetenz, die Errichtung einer solchen Sozialeinrichtung durch eine freiwillige Betriebsvereinbarung zu bestimmen.

Beispiel
Im Betrieb des Arbeitgebers werden 40 Arbeitnehmer beschäftigt. In den Betriebsrat wurden demnach drei Arbeitnehmer gewählt (§ 9 S. 1 BetrVG). Die Betriebspartner einigen sich darauf, dass immer mindestens ein Betriebsratsmitglied von seiner gewohnten Tätigkeit im Betrieb freigestellt wird, um vollumfänglich der Betriebsratsarbeit nachgehen zu können. Zu diesem Thema wird eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen.

  • Aufgrund der Größe des Betriebs ist es im vorliegenden Fall gesetzlich nicht vorgesehen, dass Mitglieder des Betriebsrats von ihrer gewohnten Tätigkeit freigestellt werden (§ 38 Abs. 1 S. 1 BetrVG). Die Betriebspartner haben aber gem. § 38 Abs. 1 S. 5 BetrVG die Möglichkeit, eine Freistellungsregelung durch eine Betriebsvereinbarung zu treffen, die vom Gesetz abweicht. Sie sind hierzu somit ausdrücklich befugt.

Beispiel
Die Betriebspartner möchten, dass entstehende Meinungsverschiedenheiten künftig schneller beigelegt werden. Hierzu wird eine Betriebsvereinbarung über die Errichtung einer ständigen Einigungsstelle abgeschlossen.

  • Arbeitgeber und Betriebsrat können durch eine Betriebsvereinbarung vorsehen, dass eine ständige Einigungsstelle eingerichtet wird. Zur Aufstellung einer solchen Regelung sind sie gem. § 76 Abs. 1 S. 2 BetrVG befugt.

4.2. Personelle Kompetenzen

Die personellen Regelungskompetenzen der Betriebspartner bestimmen, für wen eine Betriebsvereinbarung gelten kann. Deren Regelungen können sich nämlich nicht ausnahmslos auf sämtliche Personen erstrecken, die Tätigkeiten im und für den Betrieb des Arbeitgebers erbringen. In erster Linie besteht die personelle Regelungskompetenz hinsichtlich derjenigen Beschäftigten, welche in einem Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber stehen, und demnach seine Arbeitnehmer sind. Als solche gelten nach § 5 Abs. 1 S. 1 - 3 BetrVG

  • Arbeiter und Angestellte,
  • Auszubildende,
  • Außendienstmitarbeiter
  • mit Telearbeit Beschäftigte,
  • in Heimarbeit Beschäftigte, sowie
  • Beamte, Soldaten und Arbeitnehmer (auch Auszubildende) des öffentlichen Dienstes, sofern sie im Betrieb tätig sind.

Im Gegensatz dazu können vor allem die folgenden Personen nicht von einer Regelung in einer Betriebsvereinbarung betroffen sein; neben anderen gelten sie gem. § 5 Abs. 2 Nr. 1 - 5 BetrVG nicht als Arbeitnehmer:

  • Vertretungsberechtigte Organmitglieder einer juristischen Person (z.B. Vorstandsmitglieder einer AG oder die Geschäftsführer einer GmbH),
  • Vertretungs- oder geschäftsführungsberechtigte Mitglieder von Personengesamtheiten (z.B. Gesellschafter einer GbR oder einer OHG mit entsprechenden Befugnissen),
  • Familienangehörige des Arbeitgebers, die mit diesem in häuslicher Gemeinschaft leben (z.B. Ehegatten oder Kinder).

Auch für leitende Angestellte kann eine Regelung durch eine Betriebsvereinbarung nicht getroffen werden. Für diese Arbeitnehmer mit gehobener Stellung im Betrieb findet das Betriebsverfassungsgesetz nach § 5 Abs. 3 S. 1 BetrVG keine Anwendung. Aus diesem Grund besteht für sie keine personelle Regelungskompetenz seitens der Betriebspartner.

Beispiel
Es besteht eine Betriebsvereinbarung über die Zahlung eines Jubiläumsgelds für diejenigen Arbeitnehmer, welche dem Betrieb bereits seit 10 Jahren angehören. Als der Prokurist des Arbeitgebers eine entsprechend lange Betriebszugehörigkeit aufweist, fragt er sich, ob er einen Anspruch auf das Jubiläumsgeld hat.

  • Der Prokurist ist gem. § 5 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 BetrVG ein leitender Angestellter, für welchen das Betriebsverfassungsgesetz nicht anwendbar ist (§ 5 Abs. 3 S. 1 BetrVG). Aus diesem Grund können die Betriebspartner keine Regelung in einer Betriebsvereinbarung aufstellen, die sich auf ihn erstreckt. Demnach kann der Prokurist das Jubiläumsgeld auf Grundlage der Betriebsvereinbarung nicht beanspruchen. Unter Umständen kommt jedoch eine Umdeutung der Regelung bezüglich des Jubiläumsgelds in eine arbeitsvertragliche Zusage in Betracht (--> 2.2.4).

Die personelle Regelungskompetenz der Betriebspartner ist in der Regel auch dann überschritten, wenn die Betriebsvereinbarung eine Regelung bezüglich solcher Personen enthält, welche dem Betrieb nicht mehr angehören und somit keine Arbeitnehmer des Arbeitgebers mehr sind. Etwas Anderes gilt lediglich dann, wenn sie aufgrund einer Betriebsänderung ausscheiden, infolge derer die Betriebspartner nachträglich einen Sozialplan abschließen. Die darin enthaltenen Regelungen können sich auch auf die bereits ausgeschiedenen Arbeitnehmer beziehen.[1]

Beispiel
Der Arbeitgeber legt seinen Betrieb still, weshalb er allen Arbeitnehmern betriebsbedingt kündigt. In dem Zeitpunkt, in welchem die Arbeitnehmer bereits aus dem Betrieb ausgeschieden sind, vereinbaren die Betriebspartner einen Sozialplan. Dieser sieht eine Abfindungszahlung vor, welche die Arbeitnehmer vom Arbeitgeber auch verlangen.

  • Die Betriebspartner können durch eine Betriebsvereinbarung grundsätzlich keine Rechte und Pflichten für bereits ausgeschiedene Arbeitnehmer begründen. Hier wurde jedoch nachträglich ein Sozialplan aufgrund einer Betriebsänderung nach § 111 S. 3 Nr. 1 BetrVG aufgestellt. Da die Arbeitnehmer gerade wegen der Betriebsstilllegung ausgeschieden sind, können sie den Abfindungsanspruch im vorliegenden Fall trotzdem geltend machen.

Bei Leiharbeitnehmern verhält es sich so, dass sie in keinem Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber des entleihenden Betriebs stehen. Dennoch können dessen Betriebspartner in einigen Fällen die personelle Kompetenz haben, Regelungen in Betriebsvereinbarungen für sie zu treffen. Dies kommt vor allem dann in Betracht, wenn die Regelung der Betriebsvereinbarung die Art und Weise der von den Leiharbeitnehmer zu leistenden Arbeit, und nicht bspw. Vergütungsleistungen, betrifft.[2] Letztere können nur von den Betriebspartnern des verleihenden Betriebs geregelt werden.

Beispiel
Betriebsrat und Arbeitgeber schließen eine Betriebsvereinbarung ab, die eine Pausenregelung für alle Beschäftigten zum Gegenstand hat. Im Betrieb werden auch Leiharbeitnehmer beschäftigt.

  • Die Pausenregelung betrifft die Art und Weise der Arbeitsleistung der Leiharbeitnehmer. Bezüglich dieser haben sich die Betriebspartner somit im Rahmen ihrer personellen Regelungskompetenzen bewegt. Demnach gilt die Betriebsvereinbarung auch für die Leiharbeitnehmer.

Beispiel
Die Betriebspartner einigen sich auf eine Betriebsvereinbarung über die Zahlung einer Prämie an die Belegschaft. Die im Betrieb beschäftigten Leiharbeitnehmer fragen sich, ob sie die Prämie ebenfalls beanspruchen können.

  • Die Regelung betrifft nicht die Art und Weise der Arbeitsleistung der Leiharbeitnehmer, sondern eine Vergütungsleistung. Durch Betriebsvereinbarung kann eine solche nur zwischen dem eigentlichen Arbeitgeber der Leiharbeitnehmer und seinem Betriebsrat geregelt werden. Demnach haben die Leiharbeitnehmer keinen Anspruch auf die Gewährung der Prämi

Schließlich haben die Betriebspartner auch die Möglichkeit, Betriebsvereinbarungen nur für eine bestimmte Gruppe von Beschäftigten abzuschließen. Hierbei dürfen sie jedoch nicht gegen bestehende Benachteiligungsverbote verstoßen (--> 5.2.).

Beispiel
Arbeitgeber und Betriebsrat einigen sich auf Wunsch der Auszubildenden auf eine Betriebsvereinbarung, durch welche ihnen zusätzliche arbeitsfreie Tage gewährt werden. Hierdurch soll den Auszubildenden die Prüfungsvorbereitung erleichtert werden.

  • Die Betriebspartner können für die Auszubildenden eine Betriebsvereinbarung abschließen, da sie bezüglich dieser die personelle Regelungskompetenz besitzen. Wie im vorliegenden Fall geschehen, können sie die Betriebsvereinbarung auch so gestalten, dass deren Regelungen nur für diese eine Personengruppe im Betrieb gelten.


[1] Richardi, BetrVG/Annuß, BetrVG § 112 Rn. 76 m.w.N.

[2] ErfK/Koch, BetrVG § 5 Rn. 4; ErfK/Kania, BetrVG § 87 Rn. 5

Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Betriebsvereinbarung – Das Regelungsinstrument der Betriebspartner“ von Tilo Schindele, Rechtsanwalt, und Alexander Geier, Wirtschaftsjurist LL.B., erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-70-0.


 

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Stand: Januar 2017


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Normen: § 102 Abs. 6 BetrVG, § 5 Abs. 1 BetrVG, § 5 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 BetrVG, § 111 S. 3 Nr. 1 BetrVG

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