Die strafbefreiende Selbstanzeige – Teil 09 – Ausschluss der strafbefreiende Selbstanzeige (§ 371 Abs. 2 AO): Allgemeines und Sperrwirkung nach § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1a AO
Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
5 Ausschluss der strafbefreiende Selbstanzeige (§ 371 Abs. 2 AO)
In Folge zahlreicher prominenter Fälle der Steuerhinterziehung von Kapitaleinkünften sah sich der Gesetzgeber genötigt, die Selbstanzeige zum 1.1.2015 neu zu regeln. Mit dem Gesetz hat der Gesetzgeber die Sperrgründe in § 371 Abs. 2 AO, die eine strafbefreiende Selbstanzeige ausschließen, erweitert.
5.1 Allgemeines
Die Selbstanzeige, die zur Straffreiheit führen kann, ist nicht grenzenlos möglich. Nach § 371 Abs. 2 AO ist die Straffreiheit ausgeschlossen, wenn die dort genannten Sperr- bzw. Ausschlussgründe vorliegen.
Das sind im Einzelnen:
- § 371 Abs. 2 S. 1 AO: die Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung nach § 196 AO (§ 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1a)
- die Bekanntgabe der Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens (§ 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1b AO)
- das Erscheinen eines Amtsträgers zur steuerlichen Prüfung (§ 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1c AO)
- das Erscheinen eines Amtsträgers zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit (§ 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1d AO)
- das Erscheinen eines Amtsträgers zur Umsatzsteuer-Nachschau, Lohnsteuer-Nachschau oder Nachschau nach anderen steuerrechtlichen Vorschriften (§ 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1e AO)
- die Entdeckung der Tat (§ 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO)
- die Steuerverkürzung ab 25 000 Euro je Tat (§ 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 AO) oder
- das Vorliegen eines besonders schweren Falles i.S.v. § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 bis 5 AO (§ 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 AO).
Nach § 371 Abs. 1 S. 1 AO sind die Sperr- bzw. Ausschlussgründe abschließend. Sie sind voneinander unabhängig, sodass es für den Ausschluss der Straffreiheit reicht, wenn nur ein Tatbestand erfüllt ist.
Der Ausschluss der Straffreiheit für die Fälle der Bekanntgabe der Prüfungsanordnung nach § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1a AO oder des Erscheinens des Amtsträgers zur steuerlichen Prüfung nach § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1c AO hindert nicht die Abgabe einer Selbstanzeige nach § 371 Abs. 1 AO für die nicht unter § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1a und c AO fallenden Steuerstraftaten einer Steuerart. Das bedeutet, dass für alle Steuerstraftaten einer Steuerart, die nicht unter den beiden genannten Prüfungen erfasst sind, eine Selbstanzeige trotz der Bekanntgabe der Prüfungsanordnung nach § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1a AO oder des Erscheinens des Amtsträgers zur steuerlichen Prüfung möglich ist. Dies sind z.B. die Umsatzsteuer oder Körperschaftsteuer, soweit sie nicht in der Prüfungsanordnung nach § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO benannt sind oder bei einer steuerlichen Prüfung nach § 371 Abs. 2 Nr. 1c AO nicht mitgeprüft werden soll.
5.2 Sperrwirkung durch Bekanntgabe der Prüfungsordnung (§ 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1a AO)
Nach § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1a AO tritt Straffreiheit nicht ein, wenn
- bei einer zur Selbstanzeige gebrachten
- unverjährten Steuerstraftat
- vor der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung
- dem an der Tat Beteiligten oder
- seinem Vertreter sowie dem Begünstigten im Sinne von § 370 Abs. 1 AO oder dessen Vertreter
- eine Prüfungsanordnung nach § 196 AO bekannt gegeben worden ist, beschränkt auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der angekündigten Außenprüfung.
5.2.1 Prüfungsanordnung nach § 196 AO
Die Sperrwirkung nach § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO setzt voraus, dass eine Prüfungsanordnung nach § 196 AO vorliegt. Die rechtlichen Anforderungen an den Inhalt der Prüfungsanordnung ergeben sich aus § 196 AO in Verbindung mit § 5 BpO.
Dabei muss die Prüfungsanordnung
- schriftlich (§ 118 AO) und
- mit einer Rechtsbehelfsbelehrung (§ 356 AO) ergehen und
- gem. § 121 Abs. 1 AO grundsätzlich schriftlich begründet werden, soweit es zu ihrem Verständnis erforderlich ist.
Anzugeben ist,
- welcher Stpfl. (Inhaltsadressat) geprüft werden soll
- die zu prüfenden Steuern (Steuerarten) und
- die zu prüfenden Zeiträume.
Die Prüfungsanordnung muss schriftlich ergehen. Eine mündliche Prüfungsanordnung ist unwirksam. Die Prüfungsanordnung muss gem. § 121 Abs. 1 AO schriftlich begründet werden, soweit es zu ihrem Verständnis erforderlich ist.
Für die Begründung der Anordnung einer Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 AO genügt nach BFH(Fußnote) grundsätzlich der Hinweis auf diese Rechtsgrundlage. Bei Steuerpflichtigen, die einen gewerblichen Betrieb unterhalten, ist gemäß § 193 Abs. 1 AO eine Außenprüfung ohne weitere Voraussetzungen zulässig ist.
In besonderen Fällen verlangt der BFH(Fußnote) eine Begründung. In Fällen, in denen ungewiss ist, ob ein Steuerpflichtiger gewerbliche Einkünfte gem. § 193 Abs. 1 AO erzielt, muss das Finanzamt grundsätzlich begründen, weshalb es für möglich erachtet, dass entgegen der Auffassung des Steuerpflichtigen die Voraussetzungen des § 193 Abs. 1 AO vorliegen. Hiervon kann allenfalls dann abgesehen werden, wenn dem Steuerpflichtigen aus vorangegangenen Schriftsätzen oder sonstigen Umständen diese Gründe bekannt sind.
Die Umsatzsteuer-Nachschau nach § 27b UStG setzt keine förmliche Prüfungsanordnung voraus. Das bedeutet, dass anders als bei der Prüfungsanordnung nach § 196 AO (die als Verwaltungsakt schriftlich ergehen muss); die Umsatzsteuernachschau nicht schriftlich ergehen muss.
5.2.2 Bekanntgabe der Prüfungsanordnung nach § 197 AO
Mit der Bekanntgabe der Prüfungsanordnung gemäß § 197 AO tritt die Sperrwirkung nach § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO ein. Dabei ergibt sich aus den §§ 122, 124 AO wie die Bekanntgabe stattzufinden hat. Eine schriftliche Prüfungsanordnung, die durch die Post übermittelt wird, gilt danach als am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post (§ 122 Abs. 2 AO) gegenüber demjenigen, für den sie bestimmt ist (§ 124 Abs. 1 AO), als bekannt gegeben. Eine behördeninterne Anordnung, die bloße Ankündigung einer Prüfung oder eine telefonische Terminabstimmung vor Bekanntgabe der Prüfungsanordnung reicht indes nicht aus um die Sperrwirkung nach § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO auszulösen.
5.2.3 Umfang der Sperrwirkung
Der Umfang der Sperrwirkung unterteilt sich in den personellen und sachlichen Anwendungsbereich.
5.2.3.1 Personeller Anwendungsbereich
In der Vergangenheit trat eine Sperrwirkung nur ein, wenn dem Täter oder seinem Vertreter eine Prüfungsanordnung nach § 196 AO bekannt gegeben worden ist. Nach dem neuen § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO soll es ausreichen, wenn
- dem an der Tat Beteiligten
- seinem Vertreter
- dem Begünstigten im Sinne des § 370 Abs. 1 AO oder
- dessen Vertreter
eine Prüfungsanordnung nach § 196 AO bekannt gegeben worden ist, beschränkt auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der angekündigten Außenprüfung.
Der Gesetzgeber hat sich entschieden, den Begriff des „Täters“ durch den Begriff des „an der Tat Beteiligten“ zu ersetzten, mit der Folge, dass die Sperrwirkung auch den Anstifter (§ 26 StGB) und Gehilfen (§ 27 StGB) der Steuerhinterziehung trifft.
Der Gesetzgeber will mit der Aufnahme des Begriffs des „Begünstigten“ im Sinne des § 370 Abs. 1 AO eine aus seiner Sicht bestehende Regelungslücke schließen, denn in der Praxis sind Fälle bekanntgeworden, in denen Mitarbeiter zugunsten des Unternehmens eine Steuerhinterziehung begangen haben und der Mitarbeiter vor Ergehen der Prüfungsanordnung ausgeschieden ist. Bisher hatte die Bekanntgabe der Prüfungsanordnung an das Unternehmen keine direkten Auswirkungen auf die Möglichkeit der Abgabe einer strafbefreienden Selbstanzeige durch den ehemaligen Mitarbeiter, dieser konnte eine strafbefreiende Selbstanzeige abgeben, obwohl er ein an der Tat Beteiligter war und dem Unternehmen bereits die Prüfungsanordnung bekannt gegeben wurde. Nunmehr wird gesetzlich festgelegt, dass die Sperrwirkung auch für den an der Tat Beteiligten, also auch für den Mitarbeiter gilt, der nicht selbst Adressat der Prüfungsanordnung ist. Es ist nach dem Willen des Gesetzgebers nicht notwendig, dass der an der Tat Beteiligte von der Prüfungsanordnung Kenntnis erhalten muss.
Nach dem Wortlaut der Vorschrift soll die Sperrwirkung für alle Tatbeteiligte, Begünstigte und Vertreter eintreten und zwar unabhängig davon, wem gegenüber die Prüfungsanordnung bekannt wird. Damit liegt eine Ausweitung des persönlichen Umfangs der Sperrwirkung vor, denn bisher trat die Sperrwirkung nur bei dem zu prüfenden Steuerpflichtigen und seinen Mitarbeitern ein.
5.2.3.2 Sachlicher Anwendungsbereich
Des Weiteren sieht die Neuregelung des § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO eine Einschränkung auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der angekündigten Außenprüfung vor. Das bedeutet, dass die strafbefreiende Selbstanzeige für Zeiträume, die nicht von der angekündigten Außenprüfung umfasst sind, grundsätzlich möglich ist.
Beispiel
Das Finanzamt ordnet die Prüfung der Umsatzsteuer für die Jahre 2009 bis 2011 des A an und gibt A die entsprechende Prüfungsanordnung bekannt
- Die Bekanntgabe der Prüfungsanordnung entfaltet keine Sperrwirkung hinsichtlich der Einkommensteuer für diese Jahre, auch wenn die Schwarzeinkünfte des Steuerpflichtigen A sich sowohl auf die Umsatzsteuer als auch auf die Einkommensteuer auswirken.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die strafbefreiende Selbstanzeige“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Steuerrecht, Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Jens Bierstedt LL.M., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-47-2.

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Stand: Januar 2016