Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers - Teil 02 - die Vorgründungshaftung

1.3 Die Vorgründungshaftung § 11 Abs. 2 GmbHG

1.3.1 Allgemeines

Die Vorgründungshaftung, oder auch Handelndenhaftung, wird für einen Geschäftsführer relevant, solange die GmbH, für die er tätig ist, noch nicht ins Handelsregister eingetragen wurde. In diesem Fall handelt es sich bei der GmbH um die bereits erwähnte Vor-GmbH bzw. Vorgesellschaft. Diese Vorstufe der späteren GmbH existiert ab dem Abschluss des Gesellschaftsvertrages bis zur Eintragung ins Handelsregister. Werden in diesem Zeitraum bereits Rechtsgeschäfte im Namen der GmbH getätigt, haftet der Handelnde persönlich. Damit handelt es sich bei der Handelndenhaftung um eine Außenhaftung gegenüber Dritten. Neben der Absicherung der Gläubiger übt diese Norm eine gewisse Druckfunktion auf den Geschäftsführer aus, damit dieser die Eintragung ins Handelsregister vorantreibt und die Vorgesellschaft zügig zu einer vollwertigen GmbH wird (vgl. Roth/Altmeppen, GmbHG, § 11, Rn. 22).

1.3.2 Persönliche Haftung des Handelnden

Relevant ist ausschließlich ein Handeln des Geschäftsführers bzw. ein Handeln einer Person, die wie ein Geschäftsführer auftritt. Die Handelndenhaftung ist nur im Stadium der Vor-GmbH anwendbar, da ab Zeitpunkt der Eintragung der GmbH ins Handelsregister nur noch das Vermögen der GmbH haftet. Die Handelndenhaftung gilt auch nicht im Stadium der Vorgründungsgesellschaft, da sich die Haftung in diesem Stadium nach den Vorschriften zur Gesellschaft bürgerlichen Rechts richten (vgl. Baumbach/Hueck, GmbHG, § 11, Rn. 50). Damit die Haftung begründet wird, muss ein rechtsgeschäftliches Handeln mit einem Dritten vorliegen. Der Handelnde muss also ein Rechtsgeschäft bspw. einen Vertrag im Namen der Gesellschaft mit einem Dritten abgeschlossen haben. Gesetzliche Verbindlichkeiten, abzuführende Steuern oder Gebühren, die ohne einen Vertragsschluss des handelnden entstehen, unterfallen nicht der Handelndenhaftung.

Zu beachten ist, dass der Geschäftsführer nicht selbst oder alleine gehandelt haben muss. Er haftet ebenfalls, wenn er einen Bevollmächtigten nach seiner Weisung hat handeln lassen. Genauso haftet jemand, der wie ein Geschäftsführer auftritt, ohne bestellt zu sein. Damit übt er eine faktische Geschäftsführung (vgl. Kapitel 2.5) aus und haftet gleichermaßen wie ein bestellter Geschäftsführer.

1.3.3 Haftungsfolgen

Ist die Haftung begründet, kann der Handelnde von den Gläubigern der Vor-GmbH in Anspruch genommen werden. Hat der Handelnde jedoch im Rahmen seiner Vertretungsmacht oder auf Anweisung der Gesellschafter gehandelt, steht ihm zum Ausgleich einer Inanspruchnahme durch die Gläubiger, ein Regressanspruch gegen die Gesellschaft zu (vgl. Baumbach/Hueck, GmbHG, § 11, Rn. 54). Hat der Geschäftsführer außerhalb seiner Vertretungsmacht gehandelt, findet § 179 BGB (vgl. Kapitel 2.4) i.V.m mit der Handelndenhaftung Anwendung.

1.3.4 Erlöschen der Haftung

Da die Handelndenhaftung grundsätzlich nur im Zeitraum der Vor-Gesellschaft besteht, erlischt die Haftung automatisch mit Eintragung der GmbH ins Handelsregister (vgl. Baumbach/Hueck, GmbHG, § 11, Rn. 53). Die Haftung erlischt ebenfalls, wenn die GmbH unter einer anderen Firma eingetragen wird, als die, für die der Geschäftsführer gehandelt hat. Aus dem geschlossenen Vertrag können sich die Geschäftspartner ab der Handelsregistereintragung nur noch an die GmbH wenden, deren Haftung auf das Haftungskapital begrenzt ist. Die Gesellschaft ist in diesem Fall immer noch dieselbe.

Die Handelndenhaftung bleibt allerdings bestehen, wenn die Eintragung der GmbH endgültig scheitert bzw. später eine neugegründete GmbH (neuer Gesellschaftsvertrag) eingetragen wird. Hierbei handelt es sich dann um zwei unterschiedliche Gesellschaften und die Verbindlichkeiten gehen nicht auf die neugegründete Gesellschaft über (vgl. Baumbach/Hueck, GmbHG, § 11, Rn. 53).

1.3.5 Haftungsrisiken bei Gesellschaftern

Ist der Handelnde neben seiner Funktion bzw. seinem Auftreten als Geschäftsführer auch Gesellschafter, treffen ihn zusätzlich die Haftungsrisiken der Unterbilanzhaftung und der Verlustdeckungshaftung.

Nach der Unterbilanzhaftung haften die Gesellschafter für eine im Zeitraum der Vor-GmbH, durch Aufnahme von Verbindlichkeiten entstandene Stammkapitalaufzehrung. Gemäß dem Unversehrtheitsgrundsatz muss der GmbH bei Eintragung ins Handelsregister das volle Stammkapital zur Verfügung stehen (vgl. MüKO, GmbHG, § 11, Rn. 156). Die Gesellschafter haften daher anteilig gegenüber der GmbH für die Differenz zwischen dem im Handelsregister eingetragenen Stammkapital und dem vorhandenen Stammkapital.

Die Verlustdeckungshaftung kommt dagegen dann zum tragen, wenn die Eintragung der GmbH endgültig scheitert. Die Gesellschafter haften in diesem Fall anteilig gegenüber der GmbH für die im Zeitraum der Vor-GmbH entstandenen Verluste (vgl. BeckOK, GmbHG, § 11, Rn. 22ff.). Im Unterschied zur Handelndenhaftung handelt es sich bei der Verlustdeckungshaftung und der Unterbilanzhaftung nur um eine Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft.
1.3.6 Beispiele für die Haftung des Geschäftsführers

Beispiel 1
Geschäftsführer A der X-GmbH i.G. kauft vor Eintragung der GmbH ins Handelsregister, im Namen der GmbH zwei Maschinen bei L. Ebenfalls beauftragt er den Prokuristen Z, beim Lieferanten Y zwei Maschinen für die GmbH i.G. zu kaufen. Z führt die Weisung ordnungsgemäß aus und schließt einen Kaufvertrag mit Lieferant Y. Kurz darauf wird die X-GmbH unter Änderung der Firma in XX-GmbH ins Handelsregister eingetragen.
> Die persönliche Haftung des A ist mit Eintragung der X-GmbH ins Handelsregister erloschen. Ansprüche können nur noch gegen die X-GmbH geltend gemacht werden. Die Änderung der Firma von X-GmbH in XX-GmbH ist unerheblich. Es handelt sich um dieselbe Gesellschaft

Beispiel 2
Geschäftsführer A der X-GmbH i.G. kauft vor Eintragung der GmbH ins Handelsregister, im Namen der GmbH zwei Maschinen bei L. Kurz darauf zerstreiten sich die Gesellschafter G und H. H tritt daraufhin aus der Gesellschaft aus. Die X-GmbH wird nicht mehr ins Handelsregister eingetragen und aufgelöst. Gesellschafter G gründet eine neue XY-GmbH, die auch ins Handelsregister eingetragen wird. Geschäftsführer ist wieder der A.
> Die persönliche Haftung des A ist mit Eintragung der neuen XY-GmbH nicht erloschen. Es handelt sich um zwei unterschiedliche Gesellschaften. Lieferant L kann daher den A in die Haftung nehmen.

Der Beitrag ist entnommen aus dem Buch "Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers" von Harald Brennecke, Fachanwalt für Insolvenzrecht und Gewerblichen Rechtsschutz und Robin Bachmayer, Wirtschaftsjurist LL.B., erschienen im Verlag Mittelstand und Recht 2014, ISBN 978-3-939384-29-8


 

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Stand: Dezember 2013


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Harald Brennecke, Rechtsanwalt

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Rechtsanwalt Harald Brennecke ist Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Fachanwalt für Insolvenzrecht.

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    Harald Brennecke ist seit 1999 im Bereich der Unternehmenssanierung tätig. Als Fachanwalt für Insolvenzrecht berät und begleitet er Sanierungen und betreut Geschäftsführer und Gesellschafter bei Firmeninsolvenzen. Er unterstützt Geschäftsführer in der Unternehmenskrise hinsichtlich der für sie bestehenden Haftungsrisiken sowie Gesellschafter im Interesse der Wahrung der Unternehmenswerte. Er unterstützt bei der Suche nach Investoren und Wagniskapitalgebern (venture capital), begleitet Verhandlungen und erstellt Investorenverträge.


Rechtsanwalt Harald Brennecke hat im Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht veröffentlicht:

  • "Das Recht der GmbH", Verlag Mittelstand und Recht, 2015, ISBN 978-3-939384-33-5
  • "Der Gesellschaftsvertrag der GmbH - Die GmbH-Satzung in Theorie und Praxis", 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-40-3
  • "Der Unternehmenskauf -  Rechtliche Risiken bei Kauf und Verkauf mittelständischer Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-18-2
  • "Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-29-8
  • "Gesellschaftsrecht in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-26-7
  • "Die Limited in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-34-2
  • "Der Insolvenzplan – Sanierungsinstrument in der Insolvenz", 2007, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-03-8
  • "Die Regelinsolvenz - Insolvenz für Unternehmer und Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-07-6
  • "Gesellschafterinteressen in der Publikums-KG: Auskunftsrechte der Kommanditisten einer Publikums-KG gegen Treuhänder“, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-28-1
  • "Die Gesellschafterversammlung: Ein Leitfaden", Harald Brennecke und Dipl.-Jur. Marc Schieren, M. L. E., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-50-2
  • "Arztpraxis – Kauf und Übergang", Harald Brennecke und Michael Kaiser, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-54-0

Folgende Veröffentlichungen von Rechtsanwalt Brennecke sind in Vorbereitung:

  • Die Due Diligence – Rechtliche Prüfung beim Unternehmenskauf
  • Die Liquidation der Kapitalgesellschaft
  • Die Unternehmergesellschaft (UG)

Harald Brennecke ist Dozent für Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht im DeutscherAnwaltVerein.  
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

  • Gesellschaftsrecht für Steuerberater und Unternehmensberater – Grundlagen des Gesellschaftsrechts
  • Gesellschaftsvertragsgestaltung – Grundlagen und Risiken
  • Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) – kleine Chance, großes Risiko
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