Sozialversicherungsrechtliche Risiken als Folge einer unwiderruflichen Freistellung in Aufhebungsverträgen.


Bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages oder dem Ausspruch einer Kündigung entspricht es gängiger Praxis, den Arbeitnehmer unter Fortzahlung seiner Bezüge, bis zum Beendigungszeitpunkt des Anstellungsverhältnisses (bspw. bis zum Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist) freizustellen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der Arbeitgeber bislang seine und die Sozialversicherungsbeiträge des Arbeitnehmers weiterhin abzuführen. Nach einem Beschluss der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger am 5./6. Juli 2005 soll diese Pflicht nun mit dem letzten tatsächlichen Arbeitstag entfallen, soweit der Arbeitnehmer einvernehmlich, unwiderruflich von der Erbringung seiner Arbeitsleistung freigestellt wurde.
Dem Beschluss der Spitzenverbände lag eine Entscheidung des Bundessozialgerichts zur Sperrzeitenregelung für Arbeitslosengeld nach § 144 SGB III zugrunde. Das Bundessozialgericht entschied, dass das Beschäftigungsverhältnis der Klägerin mit dem Beginn der unwiderruflichen Freistellung geendet habe und nicht erst mit Ablauf der Kündigungsfrist, sodass die Sperrzeit demzufolge bereits mit Beginn der Freistellung zu laufen begann. Obwohl das Bundessozialgericht zwischen einem – dort einschlägigen- leistungsrechtlichen Begriff des Beschäftigungsverhältnisses in der Arbeitslosenversicherung und einem beitragsrechtlichen Begriff in der Kranken- Pflege- Renten- und Arbeitslosenversicherung unterscheidet, wurde diese Auffassung nun von den Spitzenverbänden auf die Sozialversicherungspflicht übertragen, soweit Arbeitgeber und Arbeitnehmer einvernehmlich und unwiderruflich die Freistellung des Arbeitnehmers bis zum Ablauf der Kündigungsfristen vereinbaren. Auch hier -so die Auffassung der Spitzenverbände- bestehe kein Beschäftigungsverhältnis mehr, da die Arbeitsvertragsparteien nicht mehr die Absicht haben, die Beschäftigung in Zukunft fortzusetzen.

Als Folge dieser geänderten Verwaltungspraxis der Spitzenverbände ist daher in Zukunft der Arbeitnehmer im Falle einer einvernehmlichen unwiderruflichen Freistellung mit dem ersten Tag der Freistellung von der Sozialversicherungspflicht abzumelden. Die gesetzliche Krankenversicherung entfällt dann innerhalb eines Monats nach Beginn der Freistellung. Die Pflegeversicherung entfällt umgehend. Um weiterhin sozialversicherungsrechtlich abgesichert zu sein, muss der Arbeitnehmer sich vom Tage der Freistellung an freiwillig versichern, soweit dies möglich ist. Für die Kranken- und Pflegeversicherung ist eine freiwillige Versicherung gemäß § 9 I Nr.1 SGB V bzw. § 26 I 1 SGB IX möglich, wenn der Arbeitnehmer in den letzten fünf Jahren vor Beginn der Freistellung mindestens 24 Monate oder unmittelbar vor der Freistellung ununterbrochen mindestens 12 Monate versichert war. Eine freiwillige Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung ist gemäß § 7 I 1 SGB VI ebenfalls möglich. In der Arbeitslosenversicherung ist eine freiwillige Weiterversicherung hingegen nicht möglich.

Für den Arbeitgeber ist zu bedenken, dass diesen, insbesondere wenn die Freistellung auf seine Initiative zustande kommt Hinweis- und Aufklärungspflichten treffen können, die dem Informationsbedürfnis des Arbeitnehmers geschuldet sind. Um sich nicht der Gefahr von Schadensersatzansprüchen wegen unterlassener Aufklärung auszusetzen, empfiehlt es sich für den Arbeitsgeber eine entsprechende Klausel in die Freistellungsvereinbarung aufzunehmen und den Arbeitnehmer darin zur Vermeidung negativer Konsequenzen für seinen Sozialversicherungsschutz an die entsprechenden Sozialversicherungsträger zu verweisen. Freistellungsvereinbarungen die vor dem Beschluss der Spitzenverbände zustande gekommen sind, werden hingegen von solchen Aufklärungs- und Hinweispflichten nicht betroffen sein, da es bis dahin allgemeiner Ansicht entsprach, dass die unwiderrufliche Freistellung nicht zur Beendigung der Sozialversicherungspflicht führt.
Wollen Arbeitgeber und Arbeitnehmer den Wegfall der Sozialversicherungspflicht bei der Freistellungsvereinbarung vermeiden so bieten sich grundsätzlich zwei Gestaltungsmöglichkeiten an. Entweder die Freistellung wird widerruflich vereinbart, oder der Arbeitgeber stellt den Arbeitnehmer einseitig unwiderruflich frei. In diesen Fällen besteht die Sozialversicherungspflicht bis zum Ablauf der Kündigungsfristen fort. Nicht ratsam ist es, trotz Nichtbestehens der Sozialversicherungspflicht die Beiträge zur Sozialversicherung einfach weiterhin abzuführen, da dadurch kein Anspruch auf Leistungen der Sozialversicherung für den Arbeitnehmer begründet wird.

Es bleibt anzumerken, dass eine Entscheidung des Bundessozialgerichts zu dieser Problematik noch aussteht. Die Praxis wird sich jedoch zunächst nach dem Beschluss der Spitzenverbände richten müssen, da dieser in Zukunft für die Verwaltungspraxis der Sozialversicherungsträger maßgeblich sein wird.


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Stand: 01/08


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