Kommunalabgabenrecht – Teil 20 – Das Normenkontrollverfahren gegen Abgabensatzungen vor dem Oberverwaltungsgericht, Streitwerte der Verfahren, Rechtsmittel

5.5 Das Normenkontrollverfahren gegen Abgabensatzungen vor dem Oberverwaltungsgericht

Das Normenkontrollverfahren (auch als sog. Prinzipalnormenkontrolle bezeichnet) richtet sich nicht gegen einen einzelnen Abgabenbescheid, sondern gegen die Abgabensatzung als solche, mit dem Ziel, dass das Oberverwaltungsgericht diese für unwirksam erklärt. Besonderheit dabei ist, dass diese nicht in jedem Bundesland vorgesehen ist, denn nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO bedarf es hierzu einer landesrechtlichen Regelung. So ist in Berlin, Hamburg und Nordrhein-Westfalen kein Normenkontrollverfahren möglich. Vorteilhaft am Normenkontrollverfahren ist zudem, dass es neben einer Anfechtungsklage erhoben werden kann. Erklärt das Oberverwaltungsgericht die jeweilige Abgabensatzung für nichtig, so wird auch die parallel erhobene Anfechtungsklage Erfolg haben, denn eine Entscheidung im Normenkontrollverfahren entfaltet allgemeine Wirkung (sog. inter omnes-Wirkung). Umgekehrt bindet die Entscheidung bzgl. der Anfechtungsklage des Verwaltungsgerichts das Oberverwaltungsgericht aber nicht, denn Anfechtungsklagen wirken nur zwischen den Parteien (sog. inter partes-Wirkung).

5.6 Streitwerte der Verfahren

5.6.1 Streitwerte im Hauptsacherfahren

Der Streitwert im Hauptsacheverfahren richtet sich grundsätzlich nach dem Umfang der Anfechtung des Abgabenbescheids (vgl. § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG)).

Beispiel 1
A erhält einen Abgabenbescheid über 1.000 € für diverse Beiträge. Diesen hält er teilweise für berechtigt, teilweise möchte er allerdings gegen den Bescheid vorgehen. So sind aus seiner Sicht 300 € streitig. Nach erfolgloser Durchführung des Widerspruchverfahrens erhebt er Anfechtungsklage

Hätte A hier gegen den gesamten Abgabenbescheid geklagt, läge der Streitwert bei 1.000 €. Gleichwohl hält er nur 300 € für streitig, sodass er nur eine sog. Teilanfechtung erreichen möchte. Der Streitwert liegt damit bei 300 €.

5.6.2 Streitwert im vorläufigen Rechtsschutz

Der Streitwert im vorläufigen Rechtsschutz ist naheliegender Weise deutlich geringer als im Hauptsacheverfahren (vgl. § 53 Abs. 3 i.V.m. § 52 GKG). Er liegt in der Regel bei 0,5 des Hauptsachestreitwerts, in den Fällen des § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VwGO, die im Kommunalabgabenrecht der Regelfall sind, sogar nur 0,25 der streitgegenständlichen Abgabe.

5.7 Rechtsmittel

Gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts können grundsätzlich sowohl Kläger als auch Beklagte Rechtsmittel einlegen. In Betracht kommen, je nachdem, was für eine Entscheidung angegriffen werden soll, Berufung, Revision oder Beschwerde.

5.7.1 Berufung

Die Berufung (vgl. §§ 124 ff. VwGO) richtet sich ausschließlich gegen Urteile des Verwaltungsgerichts in der sog. 1. Instanz und geht an das nächsthöhere Oberverwaltungsgericht in die sog. 2. Instanz. Ist die Berufung beim Oberverwaltungsrecht eingelegt worden, so prüft dieses erneut alle Sach- und Rechtsfragen und trifft eine Entscheidung. Kommt es dabei zu dem Schluss, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtswidrig war, hebt es diese auf und verweist das Verfahren zur erneuten Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurück.

Allerdings ist die Berufung seit ca. 1997 nicht mehr generell statthaft, sondern bedarf der Zulassung entweder durch das erstinstanzliche Gericht selbst in seiner Entscheidung oder, falls dies dort nicht erfolgt ist, auf gesonderten Antrag durch das Gericht, das auch über die Berufung nach deren Zulassung zu entscheiden hat. Zugelassen wird die Berufung gem. § 124 Abs. 2 VwGO nur unter bestimmten, restriktiv geregelten Voraussetzungen, die im Wesentlichen den Zulassungsgründen der Revision nachgebildet sind (vgl. nächster Abschnitt).

Die Berufung ist eine weitere Tatsacheninstanz. Es kann unter bestimmten Voraussetzungen neuer Sachvortrag erfolgen und es kann wie vor dem Gericht 1. Instanz auch zu Beweiserhebungen kommen.

5.7.2 Revision

Gegen Urteile des Oberverwaltungsgerichts steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn sie vom Oberverwaltungsgericht in der angegriffenen Entscheidung oder vom Bundesverwaltungsgericht auf Beschwerde zugelassen wird (vgl. § 132 VwGO).

Die Revision darf allerdings nur dann zugelassen werden, wenn einer von den im Gesetz abschließend genannten drei Zulassungsgründen vorliegt (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO):

  1. Grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache,
  2. Divergenz: Abweichung der Entscheidung von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts,
  3. Verfahrensfehler, der die Entscheidung möglicherweise beeinflusst hat.

Ist die Revision zugelassen und eingelegt worden, so prüft das Bundesverwaltungsgericht nur noch Rechtsfragen, keine Sachfragen. Es findet also insbesondere im Rahmen der Revision keine Beweiserhebung mehr statt, sondern das Bundesverwaltungsgericht prüft ausschließlich die richtige Anwendung reversiblen Rechts. Revisibel ist grundsätzlich nur Bundes-, kein Landesrecht, also kann ein ggf. gerügter Verstoß gegen ein Kommunalabgabengesetz eines Bundeslandes oder eine kommunale Abgabensatzung, die ebenfalls Landesrecht darstellt, in der Revision nicht überprüft werden.

5.7.3 Beschwerde

Gegen Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, die im vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO ergehen, können die Beteiligten Beschwerde nach § 146 Abs. 4 VwGO zum Oberverwaltungsgericht erheben.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Kommunalabgabenrecht“ von Olaf Bühler, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, und Patrick Christian Otto, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-62-5.


 

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Stand: Januar 2017


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