Kommunalabgabenrecht – Teil 19 – Aussetzung der Vollziehung durch die Behörde, Anordnung und Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung durch das Gericht

5.4.2 Aussetzung der Vollziehung durch die Behörde

Um auch im vorläufigen Rechtsschutz nicht sofort vor Gericht ziehen zu müssen und dies insoweit zu entlasten, ordnet § 80 Abs. 6 VwGO an, dass vor Stellung eines Eilantrags vor dem Verwaltungsgericht erst ein Antrag auf Aussetzung an die zuständige Behörde der Gemeinde zu richten ist. Dieser kann sowohl bei der Ausgangsbehörde, die den Abgabenbescheid erlassen hat, als auch bei der Widerspruchsbehörde erhoben werden. Widerspruchsbehörde ist nach § 73 VwGO in Selbstverwaltungsangelegenheiten die Gemeinde selbst, ansonsten die nächst höhere Behörde. Eine Antragstellung ist dabei sowohl mündlich als auch schriftlich möglich, wobei sich Schriftlichkeit zu Beweiszwecken stets empfiehlt. Zu beachten ist dabei in jedem Fall, dass der Antrag nicht noch im Laufe des gerichtlichen Prozesses nachholbar ist, also bis zur Erhebung des Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz beim Verwaltungsgericht zwingend erfolglos (will heißen, abschlägig oder innerhalb angemessener Zeit überhaupt nicht verbeschieden) gestellt worden sein muss. Das Verfahren muss vor allem auch dann betrieben werden, wenn die Behörde bereits zu erkennen gegeben hat, dass sie dem Antrag nicht stattgeben wird.

Die Behörde wird jedoch dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung dann stattgeben, wenn unter Berücksichtigung aller Belange - einschließlich der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs - das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das Vollzugsinteresse der Behörde überwiegt.(Fußnote) Dies ist insb. dann nicht der Fall, wenn der Abgabenbescheid offensichtlich rechtmäßig war.

Im Kommunalabgabenrecht erlangt dabei der § 80 Abs. 4 S. 3 VwGO besondere Bedeutung. Danach soll eine Aussetzung der Vollziehung immer dann erfolgen, wenn und soweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Abgabenbescheids bestehen. Diese bestehen dann, wenn ein Erfolg des Rechtsbehelfs in der Hauptsache (also im Widerspruchsverfahren oder im gerichtlichen Verfahren) wahrscheinlicher ist als ein Unterliegen (also theoretisch ab 51:49 % Erfolgswahrscheinlichkeit). Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens hingegen offen (Wahrscheinlichkeit 50:50), so liegen die ernsthaften Zweifel nicht vor und die Behörde wird den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung in der Regel ablehnen. In der Regel deshalb, weil selbst dann noch ein letzter "Notanker" helfen kann. So ist dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung dann stattzugeben, wenn eine unbillige Härte des Vollzugs vorliegt, was dann der Fall ist, wenn die Höhe der Kosten eine ruinöse Wirkung hat (drohende Insolvenz oder Existenzgefährdung). Dies muss der Antragsteller jedoch bereits im Antrag selbstständig darlegen und geltend machen. Kommt die Behörde zu dem Ergebnis, dass weder ernsthafte Zweifel noch eine unbillige Härte vorliegen, wird sie den Antrag ablehnen. Dann ist der Weg frei, die Streitigkeit gerichtlich klären zu lassen.

Das Gesetz kennt von diesem grundsätzlich erforderlichen Procedere zwei Ausnahmen, die in § 80 Abs. 6 S. 2 VwGO formuliert sind. So kann es auch vorkommen, dass die Behörde ohne Nennung von triftigen Gründen keine Entscheidung über den Antrag trifft. In diesem Fall kann der Antragsteller den gerichtlichen Antrag anbringen, ohne zwingend auf eine Entscheidung warten zu müssen. (vgl. § 80 Abs. 6 S. 2 Nr. 1 VwGO). Die Länge der Frist richtet sich dabei nach den Umständen des Einzelfalls, ist aber in jedem Fall kürzer als die Frist für Widersprüche von drei Monaten (vgl. § 75 S. 2 VwGO). Als Richtwert ist häufig von einer Frist von einem Monat auszugehen, bei besonderer Eile von zwei Wochen. Verstreicht diese Frist fruchtlos, so gilt der Antrag als erfolglos gestellt und der Antragsteller kann einen Antrag an das Verwaltungsgericht stellen. Anderseits bedarf es auch dann nach § 80 Abs. 6 S. 2 Nr. 2 VwGO keiner vorherigen Antragstellung, wenn eine Vollstreckung droht. Dies ist dann der Fall, wenn schon mit der Vollstreckung begonnen wurde, die Behörde deren Beginn für einen unmittelbar bevorstehenden Termin angekündigt hat oder schon konkrete Vorbereitungen für eine alsbaldige Vollstreckung getroffen hat. Dies ist letztlich deshalb konsequent, weil die Behörde auch durch die Stellung des Antrags nicht daran gehindert ist, zu vollstrecken, während sie noch mit der Prüfung des Antrags befasst ist.

5.4.3 Anordnung und Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung durch das Gericht

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren kann nach § 80 Abs. 5 VwGO ein Antrag auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs oder eine Anfechtungsklage(Fußnote) gestellt werden. Zuständig für den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist dabei das Gericht der Hauptsache. Dementsprechend ist der Antrag auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung auch nur zulässig, wenn Widerspruch oder Anfechtungsklage in der Hauptsache statthaft wären. Dies ist etwa dann nicht der Fall, wenn die Frist für Widerspruch und Anfechtungsklage (vgl. §§ 70, 74 VwGO) bereits verstrichen ist; dies erhellt schon aus der Überlegung, dass in diesem Fall bereits zulässigerweise kein Widerspruch bzw. keine Klage mehr erhoben werden kann, deren aufschiebende Wirkung angeordnet werden könnte. So kann sich der Adressat des Abgabenbescheids dann nicht mehr durch die Stellung eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO "retten". Andererseits ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auch dann möglich, wenn der Antragsteller bereits gezahlt hat und nun sein Geld wiederhaben möchte.

Nachdem nun alle Zulässigkeitshürden, wie soeben dargestellt, beachtet wurden, kann das Gericht prüfen, ob der Antrag auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung begründet ist und in der Sache entscheiden. Der Antrag ist begründet, wenn die Abwägung zwischen Vollzugsinteresse und Suspensivinteresse zugunsten des Antragstellers ausfällt. Dabei stellt das Gericht aufgrund der Eilbedürftigkeit eine sog. summarische Prüfung an. Geprüft wird daher nur der Abgabenbescheid selbst im Hinblick auf ihm offensichtlich anhaftende Fehler. Eine umfassende Prüfung komplizierter Rechtsfragen oder eine aufwändige Klärung von Tatsachen findet daher nicht statt. Folglich werden auch Zeugen und Sachverständige erst im Hauptsacheverfahren angehört, sodass in der Regel nur nach Aktenlage entschieden wird.

Hat das Gericht seine Prüfung abgeschlossen, entscheidet es durch Beschluss, der entweder die Ablehnung des Antrags oder die völlige bzw. teilweise Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage gegen den Abgabenbescheid ausspricht.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Kommunalabgabenrecht“ von Olaf Bühler, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, und Patrick Christian Otto, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-62-5.


 

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Stand: Januar 2017


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