Internationales Insolvenzrecht: Insolvenz ausländischer Gesellschaften in Deutschland

Wird eine Gesellschaft mit Sitz im Ausland insolvent, sind inländische Zweigniederlassungen und Gläubiger vor die Fragen gestellt,

  • welches Gericht für das Insolvenzverfahren international zuständig ist,
  • ob ein separates Verfahren für das in Deutschland befindliche Vermögen beantragt werden kann,
  • ob die nach deutschem Recht bestehenden Aus- und Absonderungsrechte der Gläubiger anerkannt werden oder
  • was passiert, wenn die Gläubiger in Unkenntnis des ausländischen Insolvenzverfahrens an den Schuldner geleistet haben.

Für alle EU-Mitgliedstaaten mit Ausnahme von Dänemark gibt es eine Verordnung über Insolvenzverfahren, die unmittelbar gilt. Nationale Durchführungsvorschriften dazu finden sich in Art. 102 des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung. In bestimmten Bereichen, in denen die Verordnung keine Regelungen enthält oder Wahlrechte eröffnet, ist darüber hinaus das deutsche Internationale Insolvenzrecht heranzuziehen. Erfasst sind alle Gesamtverfahren, welche die Insolvenz des Schuldners voraussetzen und den vollständigen oder teilweisen Vermögensbeschlag gegen den Schuldner sowie die Bestellung eines Verwalters zur Folge haben.

Das internationale Insolvenzrecht geht von dem Prinzip aus, dass ein Hauptverfahren eröffnet wird, welches das gesamte weltweite Vermögen der schuldnerischen Gesellschaft erfasst (Universalitätsprinzip). Auf EU-Ebene ist die internationale Zuständigkeit für dieses Verfahren besonders geregelt: Zuständig ist der Staat, in dem der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners liegt. Dies ist der Ort, an dem das schuldnerische Unternehmen üblicherweise und für Dritte erkennbar der Verwaltung seiner Interessen nachgeht, wobei bei Gesellschaften eine Vermutung dafür spricht, dass dies der Ort des satzungsmäßigen Sitzes ist. So sind deutsche Insolvenzgerichte zuständig für eine englische Limited, die ihre Geschäfts- und Verwaltungstätigkeit in Deutschland ausübt und in England nur einen »Briefkasten« unterhält. Die innerstaatliche Zuständigkeit eines bestimmten Gerichts bestimmt sich dann nach dem Recht dieses Mitgliedstaates.

Auch wenn Deutschland für ein Hauptverfahren nicht zuständig ist, kann unter bestimmten Voraussetzungen nach deutschem Recht ein Territorialverfahren durchgeführt werden, das nur das hier befindliche Vermögen erfasst. Strengere Voraussetzungen gelten hierfür, wenn im Ausland noch kein Hauptverfahren eröffnet wurde; das deutsche Territorialverfahren wird dann als Partikularverfahren bezeichnet.

An weniger strenge Voraussetzungen ist ein Territorialverfahren geknüpft, wenn im Ausland bereits ein Hauptverfahren läuft; dann spricht man von einem Sekundärinsolvenzverfahren. Zuständig für den Antrag auf Eröffnung eines solchen Territorialverfahrens ist in Deutschland ausschließlich das Insolvenzgericht an der Zweigniederlassung des schuldnerischen Unternehmens. Hat das Unternehmen keine Zweigniederlassung und ist trotzdem ein Territorialverfahren zulässig, so ist jedes Insolvenzgericht zuständig, in dessen Bezirk sich Vermögen des Schuldners befindet.  

Wäre für das Hauptverfahren ein EU-Land zuständig, so kann in Deutschland ein Partikularverfahren überhaupt nur eröffnet werden, wenn der Schuldner hier eine Zweigniederlassung besitzt. Weiter muss die Verfahrenseröffnung von einem lokalen Gläubiger beantragt werden.

Alternativ dazu ist das Partikularverfahren auch dann zulässig, wenn im für das Hauptverfahren zuständigen Staat die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens rechtlich nicht möglich ist, z.B. wenn dort mangels Masse kein Verfahren eröffnet werden kann. Liegt die internationale Zuständigkeit des Hauptverfahrens bei einem anderen Staat, ist ein Partikularverfahren in Deutschland zulässig, wenn der Schuldner hier eine Zweigniederlassung besitzt oder ein Gläubiger ein besonderes Interesse an der Verfahrenseröffnung glaubhaft macht. Dieses liegt insbesondere vor, wenn er in einem ausländischen Verfahren voraussichtlich wesentlich schlechter stehen würde. Das Partikularverfahren kann nur von einem Gläubiger beantragt werden. Wird später ein Hauptinsolvenzverfahren eröffnet, wird das Partikularverfahren zum Sekundärverfahren.

Die Zwecke des Sekundärinsolvenzverfahrens sind vielfältig: Einerseits dient es dem Schutz der inländischen Interessen, andererseits kann seine Eröffnung auch zweckmäßig sein, wenn das Vermögen des Schuldners zu verschachtelt ist, um als Ganzes verwaltet zu werden, oder wenn die Rechtsunterschiede in den betroffenen Staaten zu groß sind. Antragsberechtigt ist deshalb neben dem schuldnerischen Unternehmen und den Gläubigern auch der Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens. Das Sekundärverfahren blockiert in Deutschland weitgehend die Wirkungen des Hauptinsolvenzverfahrens.Innerhalb der EU wirken Entscheidungen über Eröffnung, Abwicklung und Beendigung des Verfahrens sowie Entscheidungen in deren unmittelbarem Zusammenhang auch in allen übrigen Mitgliedstaaten. Das heißt, sie müssen anerkannt werden, ohne dass eine Entscheidung eines Gerichts des anderen Staates erforderlich wäre (Art. 16, 17 EuInsVO).


Kontakt: brennecke@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Dezember 2004


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Über die Autoren:

Harald Brennecke, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

Portrait Harald-Brennecke

Rechtsanwalt Harald Brennecke ist Gründer und Managing Partner der Kanzlei Brennecke & Partner. Er ist überwiegend im Bereich des Insolvenzrechts für Unternehmer und Unternehmen tätig.

Harald Brennecke ist seit 1999 im Bereich der Unternehmenssanierung tätig. Als Fachanwalt für Insolvenzrecht gestaltet er Sanierungen und begleitet Firmeninsolvenzen. Rechtsanwalt Brennecke berät insbesondere Geschäftsführer in der Unternehmenskrise hinsichtlich der für diese bestehenden  Haftungsrisiken sowie Gesellschafter im Interesse der Unternehmenssanierung unter dem Blickwinkel des Unternehmens als Vermögensbestandteil des Gesellschafters. Er vertritt bei unzulässigen oder unbegründeten Insolvenzanträgen. Rechtsanwalt Brennecke verhandelt mit Insolvenzverwaltern hinsichtlich des Erwerbs von Unternehmen aus der Insolvenz zum Zwecke der Unternehmensfortführung durch Investoren oder Familienangehörige. Weiter vertritt Rechtsanwalt Brennecke bei Ansprüchen des Insolvenzverwalters aus Anfechtung gegen Gesellschafter, Familienangehörige oder Dritte sowie bei (den häufig unterschätzten) Haftungsansprüchen gegen Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften.   

Er berät Insolvenzschuldner hinsichtlich der Erlangung der Restschuldbefreiung und der hierfür erforderlichen Obliegenheiten und vertritt im gesamten Insolvenzverfahren um sicherzustellen, dass der Schuldner die an ihn gestellten Obliegenheitsanforderungen zur Erlangung der Restschuldbefreiung (die über das hinausgehen, was ein Insolvenzverwalter vom Schuldner verlangt und verlangen darf) erfüllt. Der Irrtum, dass Insolvenzschuldner alleine dann schon Restschuldbefreiung erhielten, wenn sie alle Anforderungen des Insolvenzverwalters erfüllen, ist leider immer noch weit verbreitet.

Rechtsanwalt Brennecke berät Schuldner über das Vorgehen bei der Nutzung der Alternativen des europäischen Insolvenzrechts zur Restschuldbefreiung. In wenigen speziellen Fällen bietet ausländisches Insolvenzrecht Vorteile.

Er hat mehrere Bücher im Bereich Insolvenzrecht veröffentlicht, so

  • "Gesellschaftsrecht in der Insolvenz", ISBN 978-3-939384-267
  • "Die Limited in der Insolvenz", ISBN 978-3-939384-34-2
  • "Der Insolvenzplan – Sanierungsinstrument in der Insolvenz", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-06-9
  • "Die Restschuldbefreiung", 2006, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-00-7 
  • "Privatinsolvenz/Verbraucherinsolvenz - Eine Einführung", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-13-1
  • "Insolvenz und Restschuldbefreiung in Europa", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-05-2
  • "Der Insolvenzplan und der Verbraucherinsolvenzplan - Sanierungsinstrument in der Insolvenz - für Verbraucher und Unternehmen", ISBN 978-3-939384-06-9
  • "Die Regelinsolvenz - Insolvenz für Unternehmer und Unternehmen", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-07-6 
  • "Das Recht der GmbH", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-33-5
  • "Der Gesellschaftsvertrag der GmbH - Die GmbH-Satzung in Theorie und Praxis", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-40-3
  • "Der Unternehmenskauf -  Rechtliche Risiken bei Kauf und Verkauf mittelständischer Unternehmen", Verlag Mittelstand und Recht, 2014, ISBN 978-3-939384-18-2
  • "Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-29-8

Weitere Veröffentlichungen sind in Vorbereitung, so

  • „Selbständigkeit in der Insolvenz“
  • „Schutzschirm und Eigenverwaltung“
  • „Die Liquidation von Kapitalgesellschaften“

Er ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht im DeutscherAnwaltVerein und Dozent für Insolvenzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.  Er moderiert die Gruppe Insolvenz und Insolvenzvermeidung bei XING.
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

  • Insolvenzrecht für Gründer und lebende Unternehmen: Aus Insolvenzen anderer lernen heißtdas eigene Insolvenzrisiko zu vermeiden
  • Unternehmenssanierung: Kopf aus dem Sand! Wer zu spät reagiert, reagiert nie wieder.
  • Insolvenzrecht für Steuerberater – Grundlagen des Insolvenzrechts für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer 
  • Insolvenzrecht für Unternehmensberater – Sanierungschancen erkennen und wahren
  • Insolvenzberatung: das (enorme) Haftungsrisiko des Sanierungsberaters 
  • Selbständigkeit in der Insolvenz – die große Chance des Neustarts


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Telefon: 0721-20396-28

 


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