Insolvenzrecht und Restschuldbefreiung in Europa - Teil 23 - Tschechische Republik (Tschechien) Teil 1

6. Tschechische Republik (Tschechien)


6.1. Einleitung

6.1.1. Gesetz über die Insolvenz und die Formen ihrer Lösung

In Tschechien trat am 1. Januar 2008 ein neues Insolvenzgesetz in Kraft (im folgenden TIG). Es stellt die erste umfassende Regelung des tschechischen Insolvenzrechts dar, da das frühere Gesetz nur die Möglichkeit des Verkaufs des Schuldnervermögens kannte. Der Konkurs kam dann oft zu spät, die Gläubiger hatten keinen Einfluss auf die Wahl der Konkurslösung, sie konnten die Wahl des Konkursverwalters nicht beeinflussen, zu den einzelnen Informationen hatten sie nur einen geringeren Zugang.
Insolvenzverfahren in der Tschechischen Republik gehörten zu den längsten und problematischsten in Europa. Das neue Gesetz soll das gesamte Verfahren beschleunigen und effektiver machen, denn es schafft Raum für ein differenziertes Herangehen, beseitigt einige Verfahrensstufen und Institutionen, die eine Insolvenzverschleppung ermöglichten. Als eines der modernsten Insolvenzgesetze in Europa sollte es den Wirtschaftsalltag in der Tschechischen Republik erheblich verbessern.

6.1.2. Ziel des Gesetzes

Das Ziel des neuen tschechischen Insolvenzgesetzes besteht unter anderem darin, dass das Schuldnervermögen nicht verkauft wird, sondern dass die Schulden fortlaufend befriedigt werden. Diese Form der Gläubigerbefriedigung kann manchmal günstiger als die Zwangsvollstreckung sein. Das gesamte Vermögen des Schuldners wird blockiert, um die angemeldeten Gläubiger zu befriedigen. Hierzu werden die Forderungen der Gläubiger, je nach der Art und Höhe, in verschiedene Gruppen eingeteilt. Das Unternehmen sollte ferner als eine einheitliche Gesellschaft weiter funktionieren, damit sich sein Wert erhöhen könnte.

6.1.3. Verfahrensgrundsätze

Das tschechische Insolvenzverfahren beruht auf bestimmten Verfahrensgrundsätzen, die im § 5 beispielhaft aufgezählt sind. Das Insolvenzverfahren muss beispielsweise so geführt werden, dass kein Teilnehmer ungerecht behandelt wird und dass eine möglichst schnellste und sparsamste Befriedigung erreicht wird. Den Gläubigern, die grundsätzlich gleiche oder ähnliche Stellung haben, stehen im Insolvenzverfahren die gleichen Rechte zu (Gleichbehandlungsgrundsatz von diesen Gläubigern) . Weiter sind die Gläubiger verpflichtet, die Befriedigung ihrer Forderungen außerhalb des Insolvenzverfahrens zu unterlassen.

6.2. Insolvenzverfahren

6.2.1. Der Begriff „Insolvenz“

Das tschechische Insolvenzgesetz kennt zwei Definitionen der Insolvenz (§ 3 TIG). Falls man kein Unternehmer und gleichzeitig eine natürliche Person ist, ist nur die Variante der Zahlungsunfähigkeit möglich:

  • der Schuldner hat mindestens 2 Gläubiger
  • die Geldforderungen oder andere Vermögensrechte seitens der Gläubiger (Zahlungspflichten) sind um mehr als 30 Tage nach der Fälligkeit offen
  • es ist offenbar, dass der Schuldner in der Zukunft nicht in der Lage sein wird, sie zu erfüllen.
  • der Schuldner ist nicht mehr in der Lage, seinen Zahlungspflichten nachzukommen, § 3 Abs. 1 TIG (z.B. wenn er die Zahlungen des wesentlichen Teils seiner Zahlungspflichten eingestellt hat)

Eine Überschuldung liegt vor, wenn alle Schulden das gesamte Vermögen einer juristischen Person oder eines Unternehmers als natürliche Person übersteigen (§ 3 Abs. 3 TIG).

6.2.2. Insolvenzschuldner

Das Insolvenzverfahren kann über das Vermögen jedes Schuldners (natürliche sowie juristische Personen) eröffnet werden. Der Begriff „juristische Person“ wird in § 18 Abs.2 des tschechischen Bürgerlichen Gesetzbuchs definiert. Danach sind juristische Personen

  • Vereinigungen natürlicher oder juristischer Personen (vorwiegend handelt es sich um die Gesellschaften des Privatrechts),
  • Zweckvereinigungen des Eigentums,
  • Einheiten der Gebietsselbstverwaltung,
  • andere Subjekte, die das Gesetz bestimmt.

Das TIG nennt in § 6 TIG Ausnahmen hierzu, zum Beispiel den Staat, die Tschechische Nationalbank oder die Universitäten.
Für das tschechische Insolvenzverfahren werden laut § 7 TIG die Regelungen der tschechischen ZPO entsprechend angewendet.

 

Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch "Insolvenzrecht und Restschuldbefreiung in Europa - Ein Vergleich der Insolvenzordnungen der Länder der EU" von Harald Brennecke und Eva Otépková, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-05-2.

 


 

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Stand: März 2009


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Über die Autoren:

Harald Brennecke, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

Portrait Harald-Brennecke

Rechtsanwalt Harald Brennecke ist Gründer und Managing Partner der Kanzlei Brennecke & Partner. Er ist überwiegend im Bereich des Insolvenzrechts für Unternehmer und Unternehmen tätig.

Harald Brennecke ist seit 1999 im Bereich der Unternehmenssanierung tätig. Als Fachanwalt für Insolvenzrecht gestaltet er Sanierungen und begleitet Firmeninsolvenzen. Rechtsanwalt Brennecke berät insbesondere Geschäftsführer in der Unternehmenskrise hinsichtlich der für diese bestehenden  Haftungsrisiken sowie Gesellschafter im Interesse der Unternehmenssanierung unter dem Blickwinkel des Unternehmens als Vermögensbestandteil des Gesellschafters. Er vertritt bei unzulässigen oder unbegründeten Insolvenzanträgen. Rechtsanwalt Brennecke verhandelt mit Insolvenzverwaltern hinsichtlich des Erwerbs von Unternehmen aus der Insolvenz zum Zwecke der Unternehmensfortführung durch Investoren oder Familienangehörige. Weiter vertritt Rechtsanwalt Brennecke bei Ansprüchen des Insolvenzverwalters aus Anfechtung gegen Gesellschafter, Familienangehörige oder Dritte sowie bei (den häufig unterschätzten) Haftungsansprüchen gegen Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften.   

Er berät Insolvenzschuldner hinsichtlich der Erlangung der Restschuldbefreiung und der hierfür erforderlichen Obliegenheiten und vertritt im gesamten Insolvenzverfahren um sicherzustellen, dass der Schuldner die an ihn gestellten Obliegenheitsanforderungen zur Erlangung der Restschuldbefreiung (die über das hinausgehen, was ein Insolvenzverwalter vom Schuldner verlangt und verlangen darf) erfüllt. Der Irrtum, dass Insolvenzschuldner alleine dann schon Restschuldbefreiung erhielten, wenn sie alle Anforderungen des Insolvenzverwalters erfüllen, ist leider immer noch weit verbreitet.

Rechtsanwalt Brennecke berät Schuldner über das Vorgehen bei der Nutzung der Alternativen des europäischen Insolvenzrechts zur Restschuldbefreiung. In wenigen speziellen Fällen bietet ausländisches Insolvenzrecht Vorteile.

Er hat mehrere Bücher im Bereich Insolvenzrecht veröffentlicht, so

  • "Gesellschaftsrecht in der Insolvenz", ISBN 978-3-939384-267
  • "Die Limited in der Insolvenz", ISBN 978-3-939384-34-2
  • "Der Insolvenzplan – Sanierungsinstrument in der Insolvenz", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-06-9
  • "Die Restschuldbefreiung", 2006, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-00-7 
  • "Privatinsolvenz/Verbraucherinsolvenz - Eine Einführung", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-13-1
  • "Insolvenz und Restschuldbefreiung in Europa", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-05-2
  • "Der Insolvenzplan und der Verbraucherinsolvenzplan - Sanierungsinstrument in der Insolvenz - für Verbraucher und Unternehmen", ISBN 978-3-939384-06-9
  • "Die Regelinsolvenz - Insolvenz für Unternehmer und Unternehmen", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-07-6 
  • "Das Recht der GmbH", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-33-5
  • "Der Gesellschaftsvertrag der GmbH - Die GmbH-Satzung in Theorie und Praxis", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-40-3
  • "Der Unternehmenskauf -  Rechtliche Risiken bei Kauf und Verkauf mittelständischer Unternehmen", Verlag Mittelstand und Recht, 2014, ISBN 978-3-939384-18-2
  • "Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-29-8

Weitere Veröffentlichungen sind in Vorbereitung, so

  • „Selbständigkeit in der Insolvenz“
  • „Schutzschirm und Eigenverwaltung“
  • „Die Liquidation von Kapitalgesellschaften“

Er ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht im DeutscherAnwaltVerein und Dozent für Insolvenzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.  Er moderiert die Gruppe Insolvenz und Insolvenzvermeidung bei XING.
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

  • Insolvenzrecht für Gründer und lebende Unternehmen: Aus Insolvenzen anderer lernen heißtdas eigene Insolvenzrisiko zu vermeiden
  • Unternehmenssanierung: Kopf aus dem Sand! Wer zu spät reagiert, reagiert nie wieder.
  • Insolvenzrecht für Steuerberater – Grundlagen des Insolvenzrechts für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer 
  • Insolvenzrecht für Unternehmensberater – Sanierungschancen erkennen und wahren
  • Insolvenzberatung: das (enorme) Haftungsrisiko des Sanierungsberaters 
  • Selbständigkeit in der Insolvenz – die große Chance des Neustarts


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