Erwerbsminderungsrente und Berufsunfähigkeitsrente - Teil 18 – Hinzuverdienstgrenzen bei voller EM

5.3 Hinzuverdienstgrenzen

Die Hinzuverdienstgrenzen der EM-Renten sind in § 96a Abs. 2 SGB VI geregelt. Ein Einkommen von bis zu 450 Euro monatlich gilt für die Auszahlung der Rente als unbedenklich. Wird diese Grenze jedoch überschritten, so muss vom Rentenversicherungsträger überprüft werden, ob die bereits gewährte Rente noch gezahlt werden kann. Möglich ist, dass diese Rente nur noch anteilig ausbezahlt, oder sogar voll einbehalten wird. Wenn der Hinzuverdienst des Erwerbsgeminderten in manchen Monaten verschieden hoch ausfällt, so wird auch die Rente in diesen Monaten in unterschiedlicher Höhe ausbezahlt.

Zweimal innerhalb eines Kalenderjahres (Januar-Dezember) darf der Hinzuverdienst um das Doppelte des „regulären Verdienstes“ überschritten werden, ohne dass dies eine Kürzung der Rente zur Folge hat. Dies gilt allerdings nur, wenn im Monat, bevor die Hinzuverdienstgrenze überschritten wird, ebenfalls ein Hinzuverdienst vorlag und dieser sich unter der Hinzuverdienstgrenze befand.

Beispiel
E ist voll erwerbsgemindert und erhält deswegen ab Januar 2011 eine volle EM-Rente. Er arbeitet jedoch nach wie vor stundenweise im Unternehmen seines Bruders auf 450 Euro Basis. E kann somit problemlos zusätzlich im Juli Urlaubsgeld und im Dezember Weihnachtsgeld erhalten. Seine Rente wird durch diese Zahlungen nicht gekürzt. Erhält E jedoch sein erstes Gehalt im Juli inklusive Urlaubsgeld, wird die Rente gekürzt. In diesem Fall liegt schließlich kein Einkommen vor dem Monat vor, in dem die Hinzuverdienstgrenze überschritten wird. (Siehe dazu die Richtlinie zum sogenannten Vormonatsprinzip R 3.3.1.2.1.).

Da dieses Vorgehen jedoch höchst umstritten ist, wird aktuell vor dem Bundessozialgericht geklärt, ob die Rentenversicherungsträger in den vorgestellten Fällen die EM-Renten kürzen dürfen (BSG-B 5 R 76/08 R). Betroffenen, denen aufgrund dieses „Vormonatsprinzips“ die EM-Rente gekürzt worden ist, empfiehlt sich deshalb das Einlegen eines Widerspruchs gegen den entsprechenden Bescheid.

Wichtig ist, dass ein Hinzuverdienst der Rentenversicherung mitgeteilt werden muss. Man spricht hier von einer Mitwirkungspflicht, die der Erwerbsgeminderte höchstpersönlich zu erfüllen hat. Nach der ständigen Rechtsprechung der Sozialgerichte reicht es nämlich nicht aus, dass ein Arbeitgeber oder Sozialleistungsträger die Einkünfte des Versicherten an den Rentenversicherungsträger meldet. Kommt der Erwerbsgeminderte dieser Pflicht nicht nach und übersteigen seine Einkünfte die Hinzuverdienstgrenze, kann die Rentenversicherung die zu Unrecht ausbezahlte Rente zurückfordern.

Die persönliche Hinzuverdienstgrenze des Betroffenen wird erstmalig in seinem Rentenbescheid berechnet und ausgewiesen. Leider hat diese Hinzuverdienstgrenze nur Wirkung für das Kalenderjahr, in dem der Rentenbescheid ergeht. Die Hinzuverdienstgrenze orientiert sich nämlich an der sogenannten Bezugsgröße nach § 18 SGB IV. Diese berechnet sich aus dem Arbeitsentgelt aller Versicherten der Rentenversicherung des vorangegangenen Jahres. Für das Jahr 2012 beträgt diese Bezugsgröße beispielsweise 2.625 Euro/Monat, im Jahr 2011 lag sie bei 2.555 Euro/Monat. Da sich diese Bezugsgröße jedes Jahr ändert, muss dementsprechend auch die persönliche Hinzuverdienstgrenze jedes Jahr neu berechnet werden. Dies geschieht immer zum 01. Januar eines Jahres, in den neuen Bundesländern unter Umständen auch am 01. Juli. Auskunft über die aktuelle persönliche Hinzuverdienstgrenze kann zum Beispiel beim Rentenversicherungsträger eingeholt werden.

5.3.1 Volle Erwerbsminderungsrente

Erwirtschaftet ein EM-Rentner einen Hinzuverdienst über 450 Euro, so wird dieser mit der EM-Rente verrechnet. Das kann zur Folge haben, dass die EM-Rente nicht mehr voll ausbezahlt wird. Je nach Hinzuverdienst, kann die Rente zu ¼, halb, oder zu ¾ gekürzt werden. Für jede dieser Staffelungen berechnet sich die Hinzuverdienstgrenze mithilfe eines anderen Richtwertes.

Die Hinzuverdienstgrenze hängt weiter auch von der Höhe der bisher geleisteten Beiträge zur Rentenversicherung und somit letztendlich auch von der Höhe des ehemals erreichten Gehaltes ab. Für Personen, die vor dem Eintritt der Erwerbsminderung arbeitslos oder in einem Minijob tätig waren, wird ein pauschaler Wert angesetzt.

Als letzer Faktor fließt in die Berechnung der Rentenhöhe zudem ein, ob für den Versicherten der Rentenwert Ost oder West anzusetzen ist. Dieser richtet sich nach dem Beschäftigungsort des Versicherten (§ 228a Abs. 2 SGB VI). Im Jahr 2012 betrug der Rentenwert West 28,07 Euro, der Rentenwert Ost 24,92 Euro. Anders als der Rentenwert West, kann sich der Rentenwerst Ost nicht nur zum 01.01. eines Jahres, sondern zusätzlich auch zum 01.07 desselben Jahres ändern. In solchen Fällen ändert sich für die neuen Bundesländer die Hinzuverdienstgrenze innerhalb eines Jahres im Januar und im Juli.

Da die Berechnung des persönlichen Hinzuverdienstes durchaus umfangreich ist, soll sie an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt werden. Beispiele für die Berechnung des Hinzuverdienstes finden sich dafür im Anhang. Für Personen, die bei teilweiser Erwerbsminderung eine Arbeitsmarktrente erhalten, gibt es allerding noch etwas wichtiges zu beachten: Die Arbeitsmarktrente in Höhe der vollen EM-Rente wird dann gezahlt, wenn zwar noch ein Teilleistungsvermögen des Versicherten vorhanden ist, ein entsprechender Teilarbeitsplatz aber nicht gefunden werden kann. Erhält der Erwerbsgeminderte nun aber ein regelmäßiges Gehalt, so ist für ihn der Arbeitsmarkt offensichtlich doch nicht verschlossen. In einem solchen Fall wird die Rentenversicherung erneut überprüfen, ob die Voraussetzungen für die Auszahlung einer vollen EM-Rente vorliegen und den Versicherten gegebenenfalls auf eine teilweise EM-Rente zurückstufen.
Mit einer Zurückstufung ist im Besonderen dann zu rechnen, wenn der Erwerbsgeminderte einer regelmäßigen Beschäftigung mit einer täglichen Arbeitszeit von 3-6 Stunden nachgeht.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch "Renten wegen Erwerbsminderung und Berufsunfähigkeit" von Olaf Bühler, Rechtsanwalt und Anna Martyna Werchracki, Wirtschaftsjuristin LL.B., 1. Auflage 2014, erschienen 2014 im Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-31-1.


 

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Stand: Januar 2014


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