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Entstehen von Ansprüchen nach § 15b InsO

1.1 Entstehen, Erlöschen und Geltendmachung der Ansprüche

In der Praxis ist es von großer Bedeutung, wann die Ansprüche entstehen, erlöschen und wie sie geltend gemacht werden. Dadurch können Fragen bezüglich der Verjährung und der Zuständigkeit geklärt werden-

1.1.1 Entstehen der Ansprüche

Die Ansprüche aus § 15b InsO entstehen nach neuen Urteilen des BGHs erst zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung (vgl. BGH, Urteil von 16. 3. 2009 II ZR 32/08; OLG Hamburg, NZI 2009, 486). Während in älteren Urteilen noch davon ausgegangen wird, dass die Ansprüche bereits zum Zeitpunkt der verbotswidrigen Zahlungen entstehen (vgl. BGH, Urteil vom 11. 9. 2000 II ZR 370/99 (Celle), NJW 2001, 304), kann davon ausgegangen werden, dass in Zukunft die Instanzenrechtsprechung sich der neuen Auffassung anschließen wird.

Der Schaden für die Gläubigergesamtheit entsteht erst durch die Eröffnung des Insolvenzantrags, daher ist ebenfalls davon auszugehen, dass zu diesem Zeitpunkt der Anspruch entsteht (vgl. (Noack/Servatius/Haas/Haas, 23. Aufl. 2022, GmbHG § 64 Rn. 35).

Wird der Insolvenzantrag mangels Masse abgelehnt, entsteht der Anspruch zu dem Zeitpunkt, an dem die Abweisung erfolgt (vgl. Noack/Servatius/Haas/Haas, 23. Aufl. 2022, GmbHG § 64 Rn. 36).

1.1.2 Erlöschen der Ansprüche

Die Ansprüche aus §§ 15b Abs. 4, Abs. 5 InsO erlöschen mit ihrer Erfüllung. Eine Aufrechnung der Ansprüche steht der Eigenart des Ersatzanspruchs entgegen und ist daher ausgeschlossen (vgl. BGH, Beschluss vom 15.10.2019 – II ZR 425/18, NZI 2019, 932).

Der Anspruch erlischt, wenn das Insolvenzverfahren nach § 212 InsO eingestellt wird. Ein Insolvenzantrag ist nach § 212 InsO auf Antrag des Schuldners einzustellen, wenn der Eröffnungsgrund des Insolvenzverfahrens nach Einstellung nicht mehr vorliegt.

Wird das Insolvenzverfahren durch einen Insolvenzplan beendet und nach § 258 InsO aufgehoben, bleiben die Ansprüche aus §§ 15b Abs. 4, Abs. 5 InsO bestehen (vgl. BGH, Vorlagebeschluss vom 2.12.2014 – II ZR 119/14, NZI 2015, 85).

1.1.3 Geltendmachung der Ansprüche

Die Ansprüche aus § 15b InsO zielen darauf ab die verteilungsfähige Masse der GmbH zum Vorteil der Gesamtgläubigerschaft zu erhalten und die Vorrangstellung der Gläubiger im Insolvenzverfahren zu bewahren. Daher werden die Ansprüche in der Regel vom Insolvenzverwalter nach § 80 InsO im eröffneten Insolvenzverfahren geltend gemacht. Im Falle der Eigenverwaltung wird der Anspruch vom Sachverwalter geltend gemacht. Ist davon auszugehen, dass begründete Ansprüche gegen den Geschäftsführer realisiert werden können, ist zu beachten ob ausreichend Masse besteht, um wenigstens die Verfahrenskosten zu decken. Eine Abtretung des Anspruchs ist zulässig, wenn eine gleichwertige Gegenleistung erlangt wird (vgl. MüKoGmbHG/Müller, 4. Aufl. 2022, GmbHG § 64 Rn. 232).

1.1.3.1 Ablehnung mangels Masse

Wird der Insolvenzantrag nach § 26 InsO mangels Masse eingestellt oder das Insolvenzverfahren nach § 207 InsO später eingestellt, soll dies nicht der Durchsetzung der Ansprüche entgegenstehen. In diesen Fällen soll der Geschäftsführer nicht besonders privilegiert werden. Daher können die einzelnen Gläubiger hierbei die Ansprüche nach § 829 ZPO pfänden und im Rahmen der Einzelzwangsvollstreckung nach § 835 ZPO geltend machen (vgl. MüKoGmbHG/Müller, 4. Aufl. 2022, GmbHG § 64 Rn. 233).

1.1.3.2 Geltendmachung durch Gläubiger

Eine direkte Geltendmachung der Ansprüche durch die Gläubiger, wie im Aktienrecht, wird von der Rechtsprechung abgelehnt.

Nach § 93 AktG bestehen allgemeine Sorgfaltspflichten von AG Vorständen bei ihrer Geschäftsführung gegenüber der Gesellschaft. Diese Pflichten sollen zum einen die Interessen der Aktionäre, zum anderen die Gläubiger der AG schützen. Besonders durch § 93 Abs. 5 AktG soll ein Gläubigerschutz geboten werden. Demnach sind Gläubiger einer AG unter gewissen Voraussetzungen berechtigt in eigenem Namen Ersatzansprüche gegen die ersatzpflichtigen Vorstandsmitglieder geltend zu machen. Sie können unmittelbar die Forderungen geltend machen, sofern keine Befriedigung durch die Gesellschaft erfolgen kann. Dadurch wird Aufwand im Wege der Einzelzwangsvollstreckung erspart (MüKoAktG/Spindler, 6. Aufl. 2023, AktG § 93 Rn. 331).

Die Rechtsprechung sieht keine Notwendigkeit einer Analogie des § 93 Abs. 5 AktG auf das GmbH-Recht, da sich die Ansprüche gegen den Geschäftsführer zugunsten der GmbH richten und nicht durch die Gläubiger persönlich geltend gemacht werden sollen (vgl. BGH, Urt. v. 19.11.2019 – II ZR 233/18, DStR 2020, 458 Rn. 20). Diese Rechtsprechung wird vermutlich auf § 15b InsO anwendbar sein und somit sollten die Ansprüche aus § 15b InsO nicht unmittelbar durch die Gläubiger geltend gemacht werden.

1.1.3.3 Zuständigkeit

Nach §§ 71 Abs. 1 und 23 Nr. 1 GVG sind Amtsgerichte bis zu einem Wert von 5000 Euro zuständig. Für Verfahren über 5000 Euro hinaus sind Landgerichte zuständig. Bei den Rechtsstreitigkeiten handelt es sich um Handelssachen im Sinne des § 95 Abs. 1 Nr. 4 lit. a GVG, dabei spielt es keine Rolle, ob sich das Verfahren gegen den faktischen Geschäftsführer richtet. Daher kann der Kläger gemäß § 96 GVG beantragen, dass sich die Kammer für Handelssachen mit der Rechtsstreitigkeit befasst. Die Örtliche Zuständigkeit liegt bei dem Gericht am Wohnsitz des Beklagten, also dem Geschäftsführer, nach §§ 12, 13 ZPO. Ebenso ist das Gericht am Erfüllungsort, dem Sitz der GmbH, nach § 29 ZPO. Der Geschäftsführer kann eine Widerklage nach § 33 ZPO gegen den Insolvenzverwalter persönlich erheben. Dafür muss ein enger Zusammenhang zwischen dem Gegenstand der Klage und der Widerklage bestehen. Der Anspruch aus § 15b InsO ist zudem schiedsfähig. Der Insolvenzverwalter und der Geschäftsführer können in einem Schiedsverfahren eine Einigung erzielen, an eine Schiedsabrede zwischen der Gesellschaft und dem Geschäftsführer ist der Insolvenzverwalter hingegen nicht gebunden (vgl. MüKoGmbHG/Müller, 4. Aufl. 2022, GmbHG § 64 Rn. 234).

Beispiel

Der Lieferant L hat noch eine offene Forderung gegen die X-GmbH. Der X-GmbH geht es finanziell jedoch nicht gut und der Geschäftsführer G der X-GmbH muss einen Insolvenzantrag aufgrund von Zahlungsunfähigkeit einreichen. Bevor er den Insolvenzantrag eingereicht hat, hat er mit dem übrigen Vermögen der X-GmbH eine Forderung des Lieferanten und Freundes F des G befriedigt. Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der X-GmbH wird mangels Masse abgelehnt.

  • In einem eröffneten Insolvenzverfahrens hätte G für die Zahlung an F persönlich nach § 15b Abs. 4 InsO gehaftet. Der Anspruchsinhaber ist die X-GmbH und der Anspruch wird in der Regel vom Insolvenzverwalter geltend gemacht. Da das Insolvenzverfahrens mangels Masse nach § 26 InsO abgelehnt wurde, wird der Anspruch nicht durch den Insolvenzverwalter geltend gemacht. Daher hat L die Möglichkeit im Wege der Einzelzwangsvollstreckung einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zu erwirken. Hiernach wird der Anspruch der X-GmbH gegen G aus § 15b Abs. 4 InsO nach § 829 ZPO gepfändet und an L überwiesen. Die gepfändete Forderung kann G nach § 835 ZPO geltend machen und kann die Zahlung seiner Forderung gegen die X-GmbH von G bis zur Höhe der verbotenen Zahlung ersetzt bekommen.

1.2 D&O-Versicherungen

Ob D&O-Versicherer für die Ansprüche aus § 15b InsO einstehen müssen ist umstritten. Die meisten Versicherungen geben nur Schutz gegen einen Schadensersatz- oder Haftungsanspruch.

Bei dem Ersatzanspruch nach § 15b InsO handele es sich um einen Anspruch eigener Art und nicht um einen Schadensersatzanspruch. Daher bestehe keine Pflicht für die Versicherung, wie bei einem Schadensersatzanspruch einzustehen. (vgl. LG Köln, Urteil vom 09.12.2021; FD-VersR 2021, 440868).

Obwohl diese Annahme zutrifft, hat ein D&O-Versicherer für den Anspruch aus § 15b InsO einzustehen. Im versicherungsrechtlichen Kontext ist der Anspruch als Schadensersatzanspruch zu sehen. Besonders mit Blick auf § 15b Abs. 4 S. 2 InsO ist die Ähnlichkeit des Erstattungsanspruch und einem Schadensersatzanspruch ausreichend gegeben, dass der D&O-Versicherer einstehen muss. Für die Versicherung ist daher der Schutzbereich eröffnet und die Versicherung hat für den Zahlungsanspruch einzustehen (vgl. Noack/Servatius/Haas/Haas, 23. Aufl. 2022, GmbHG § 64 Rn. 74; BGH, Urteil vom 18.11.2020 – IV ZR 217/19, NZG 2021, 291).


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