Einführung ins Erbrecht Teil 5: Der Alleinerbe – 5. Nachlassinsolvenz

Ist abzusehen, dass der Nachlass zur Bezahlung der Gläubiger nicht ausreicht, kann der Erbe einen Antrag auf Eröffnung der Nachlassinsolvenz stellen, § 1980 BGB.

Der Antrag auf Nachlassinsolvenz ist nicht beim Nachlassgericht, sondern beim Insolvenzgericht zu stellen. Zuständig ist das Insolvenzgericht, in dessen Bezirk der Erblasser zuletzt wohnte. Das Insolvenzgericht ist wie das Nachlassgericht Teil des Amtsgerichts. Der Erbe hat eine Liste der Nachlasswerte, der Gläubiger und der Schulden aufzustellen und beim Gericht einzureichen. Einen Antrag auf Nachlassinsolvenz können neben dem Erben auch der Nachlassverwalter, der Testamentsvollstrecker oder die Nachlassgläubiger stellen.
Die Nachlassinsolvenz hat ähnliche Wirkung wie die Nachlassverwaltung. Das Gericht benennt einen Insolvenzverwalter, der anstelle des Erben den Nachlass ordnet, verwaltet und die Gläubiger bezahlt. Der Erbe verliert auch hier seine Verfügungsberechtigung über den Nachlass. Gleichzeitig haftet er nicht mit seinem gesamten privaten Vermögen gegenüber den Gläubigern. Er haftet allein mit dem Nachlass.

Aufgebotsverfahren

Ein Nachlass kann sehr unübersichtlich sein. Es kann aus unterschiedlichen Positionen zu Gunsten der Erben bestehen, aber auch aus Schulden. Zu klären ist dann, in welcher Höhe ein Anspruch der Gläubiger gegen den Erblasser bzw. die Erben besteht. Fressen die Schulden den Nachlass auf, oder verbleibt noch etwas für die Erben? Um diese Fragen klären zu können, kann der Erbe ein Aufgebotsverfahren einleiten, § 1970 BGB. Im Erbrecht dient das Aufgebotsverfahren der Feststellung des Umfangs der Nachlassverbindlichkeiten. Gläubiger des Erblassers, die ihre Rechte nicht fristgerecht anmelden, können nach dem Ausschlussurteil nur noch Zahlung aus dem Nachlass, nicht aber aus dem weiteren Vermögen der Erben verlangen. Hierdurch erhalten die Erben die Sicherheit, ob der Nachlass überschuldet ist oder nicht.

Zur Einleitung des Aufgebotsverfahrens ist beim örtlich zuständigen Nachlassgericht (Teil des Amtsgerichts in dessen Bezirk der Erblasser zuletzt wohnte) ein schriftlicher Antrag zu stellen. Dazu wird der Erbe nach den ihn bekannten Gläubigern und deren Adressen befragt. Das Gericht wendet sich dann schriftlich an die Gläubiger und fordert sie auf, ihre Forderungen gegen den Nachlass geltend zu machen. Zusätzlich setzt das Gericht den Gläubigern eine Frist zur Geltendmachung der Forderungen. Ist diese Frist verstrichen, ergeht auf Antrag des Erben ein Urteil, ein sog. Ausschlussurteil. Das Ausschlussurteil führt dazu, dass die Gläubiger, die sich innerhalb der gesetzten Frist gemeldet haben, zu erst aus dem Nachlass bezahlt werden. Reicht der Nachlass nicht für die Bezahlung der angemeldeten Forderungen aus, haftet der Erbe mit seinem eigenen Vermögen .
Gläubiger, die sich zu spät gemeldet haben, können zwar ihre Ansprüche aus dem Nachlass geltend machen, aber erst nach den Gläubigern, die sich fristgerecht gemeldet haben. Die säumigen Gläubiger verlieren ihren Anspruch nicht, sie werden aber zweitrangig aus dem Nachlass bezahlt. Ist dieser aufgebraucht, erhalten sie nichts. Der Erbe kann sich auf die sogenannte Erschöpfung des Nachlasses berufen, § 1973 I BGB. Der Erbe haftet nicht mit seinem eigenen Vermögen für den Rest der Gläubigerforderungen. Er haftet also nur mit dem Nachlass.

Inventarerrichtung

Der Erbe kann im Aufgebotsverfahren oder in der Nachlassinsolvenz vom Gericht zur Errichtung eines sogenannten Inventars verpflichtet werden. Der Erbe kann auch freiwillig ein Inventar errichten, § 1993 BGB. Ein Inventar ist ein Verzeichnis über die beim Eintritt des Erbfalls vorhandenen Nachlassgegenstände, samt Beschreibung und Wertangabe, sowie über die Nachlassverbindlichkeiten, § 2001 BGB. Das Nachlassverzeichnis ist beim Nachlassgericht einzureichen. Bei der Errichtung des Inventars ist der Erbe nicht allein; ihn unterstützt entweder ein Notar oder eine vom Gericht beauftragte Person. Der Erbe kann auch die gesamte Inventarerrichtung an das Gericht oder den Notar abgeben. Zur Errichtung wird dem Erben eine Frist gesetzt. Diese ist unbedingt einzuhalten.

Die Errichtung des Inventars führt zur Vermutung, dass die im Inventar aufgeführten Gegenstände zum Nachlass gehören, § 2009 BGB. Der Erbe kann anschließend, eine Nachlassverwaltung oder Nachlassinsolvenz beantragen und damit eine beschränkte Erbenhaftung herbeiführen. Die Inventarerrichtung führt selbst noch nicht zur Beschränkung der Haftung, sie bereitet diese lediglich vor. Errichtet der Erbe aber das Inventar absichtlich falsch, so kommt es zur unbeschränkten Erbenhaftung, d.h. der Erbe haftet den Gläubigern mit dem Nachlass und mit seinem eigenen Vermögen. Gleiches gilt, wenn der Gläubiger die vom Gericht gesetzte Frist versäumt, sich wiederholt weigert die Richtigkeit des Inventars Eides stattlich zu versichern oder vor Gericht zu erscheinen.

Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch "Erbrecht – Eine Einführung“ von Harald Brennecke, Dr. Maren Augustin und Isabell Hartung, ISBN 978-3-939384-17-5.


 

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Stand: August 2009


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Über die Autoren:

Harald Brennecke, Rechtsanwalt

Portrait Harald-Brennecke

Harald Brennecke ist seit 1997 mit erbrechtlichen Mandaten befasst.
Als Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht berät er insbesondere bei der Gestaltung von Unternehmertestamenten, der Übertragung von Unternehmensanteilen und der Ausarbeitung von Unternehmererbverträgen im Hinblick auf die Sicherung der Unternehmensnachfolge. Als Fachanwalt für Insolvenzrecht berät er Erben und potenzielle Erben bei überschuldetem Nachlass in Bezug auf Erbausschlagung, Dürftigkeitseinreden und der Beantragung und Begleitung bei Nachlassinsolvenzverfahren.
Er berät weiterhin bei der Erstellung von Testamenten und der Gestaltung von Vermögensübergängen, insbesondere aus erbschaftssteuerlicher Sicht und der Auseinandersetzung von Erbengemeinschaften. Er berät bei Pflichtteilsansprüchen, Vermächtnissen sowie bei Fragen der Vorerbschaft und Nacherbschaft. Er begleitet Erben bei der Beantragung von Erbscheinen und der Abwicklung der Erbschaft.

Harald Brennecke hat im Erbrecht veröffentlicht:

  • "Erbrecht – Eine Einführung“ von Harald Brennecke und Dr. Maren Augustin, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-17-5
  • „Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuerrecht: Das Recht der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Möglichkeiten zur Verringerung der Steuerbelastung bei Erbschaften und Schenkungen“, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-16-8

Bereits 1999 war er Experte für Erbrecht in einer Serie von Live-Fernsehsendungen.
Rechtsanwalt Brennecke ist Dozent für Erbrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.

Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

  • Erbrecht für Steuerberater – Grundlagen des Erbrechts als Basis erbschaftssteuerrechtlicher Beratung
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