Die internationale Entsendung von Mitarbeitern – Teil 10 – Die vier Vertragsmodelle, Vertragsform und Schriftformklausel, Dauer der Auslandstätigkeit

6. Kapitel Vertragsgestaltung

Die Entsendung eines Mitarbeiters ins Ausland ist nicht von einem allgemeinen Direktionsrecht des Arbeitgebers gedeckt. Bei jeder Entsendungsform werden Einzelabsprachen getroffen, die festzuhalten sind [1]. Letztlich ist der Auslandseinsatzvertrag eine Zusammenfassung von Besonderheiten, die für den Mitarbeiter (nur) während seiner Auslandstätigkeit gelten. Für einen erfolgreichen Entsendevertrag sind im Vorfeld eine Vielzahl von wichtigen Fragen zu klären. Die Klärung dieser Themen ist mitentscheidend für den Erfolg und Misserfolg einer Entsendung. Zu klären sind insbesondere (nicht abschließende Aufzählung):

  • Was ist die genaue Funktion im Ausland (bspw. Organmitglied oder Arbeitnehmer) und die genaue Aufgabenbeschreibung?
  • Wie gestaltet sich die Anbindung an das entsendende Unternehmen u.a. Berichtspflichten, aber auch Rückkehrregelungen?
  • Wie ist die (zusätzliche) Vergütungsgestaltung?
  • Wie sind die Einreise-, die Arbeits- und die Aufenthaltsbestimmungen vor Ort?
  • Wie gestaltet sich die genaue sozialversicherungsrechtliche Situation?
  • Wie verhält es sich mit der steuerlichen Situation für den entsandten Arbeitnehmer?
  • Welche sonstigen Besonderheiten des jeweiligen Auslandseinsatzes gibt es sonst noch zu beachten?
  • Wurden alle zur Verfügung stehenden Informationen und Quellen hierfür genutzt (z.B. Rentenversicherungsanstalt, Finanzamt, IHKn [2], AHKn [3], Deutsche Botschaft vor Ort)?

Eine Ausnahme von dem Grundsatz der einvernehmlichen Änderung des Arbeitsvertrages (Entsendung aufgrund einer Zusatzvereinbarung) besteht dann, wenn im Arbeitsvertrag die Entsendemöglichkeit bereits ausdrücklich vorgesehen ist. Dies ist der Fall, wenn es sich um eine arbeitsvertragliche Entsendung bzw. eine sehr kurze Entendung mit Dienstreisecharakter handelt.

Beispiel: „arbeitsvertragliche Entsendung“:

Klaus ist Elektroinstallateur. In seinem Arbeitsvertrag ist u.a. eine Klausel aufgenommen worden, die besagt, dass er zur Auslandstätigkeit von kurzer Dauer –nicht länger als sechs Monate– verpflichtet ist. Dies stellt einen sogenannten Montagefall dar, der als arbeitsvertragliche Entsendung gilt.

6.1. Die vier Vertragsmodelle

In der Praxis haben sich vier verschiedene Vertragsmodelle etabliert: das Einvertragsmodell, das Zweivertragsmodell, das Übertrittsmodell und das Mehrvertragsmodell. Die Entscheidung für eine der Varianten ist abhängig davon, welche Entsendungsform gewählt wird, was das Ziel von Unternehmen und Mitarbeiter ist, aber auch davon, was für das Zielland passend ist. Gewöhnlich entscheidet man sich für das Einvertrags- oder das Mehrvertragsmodell. Dennoch werden hier kurz alle vier in Frage kommenden Vertragsgestaltungsformen beschrieben.

6.1.1. Einvertragsmodell

Das Einvertragsmodell ist die einfachste Möglichkeit. Dies kann angewendet werden, wenn der Mitarbeiter ausschließlich eingestellt wurde, damit er im Ausland für das einstellende Unternehmen arbeitet. In diesem Fall liegt kein Arbeitsvertrag für das Inland vor. Ist von einem klassischen Entsendevertrag die Rede, bezieht sich dieser in der Praxis meist auf das Einvertragsmodell.

6.1.2. Zweivertragsmodell

Hat ein Mitarbeiter bereits einen Arbeitsvertrag mit dem Unternehmen in Deutschland und wird von seinem Arbeitgeber ins Ausland geschickt, liegt ein Zweivertragsmodell vor. Allerdings nur dann, wenn zusätzliche Recht und Pflichten für den Auslandseinsatz festgehalten werden. In der Praxis ruht der deutsche Arbeitsvertrag, solange der Entsendungsvertrag im Ausland gilt. Die ist der Normalfall bei einer Entsendung.

6.1.3. Übertrittsmodell

Das Übertrittsmodell liegt vor, wenn lediglich zwischen dem Arbeitnehmer und dem Auslandsunternehmen ein Vertrag abgeschlossen und ausschließlich diese Beschäftigung ausgeübt wird. Diese Variante sieht keine Anbindung an die Heimatgesellschaft vor [4].

6.1.4. Mehrvertragsmodell

In einigen Ländern wird das Mehrvertragsmodell erforderlich, um einen ausländischen Mitarbeiter überhaupt beschäftigen zu können. In diesem Fall erhält der Mitarbeiter einen deutschen Vertrag, einen Entsendevertrag und einen lokalen Vertrag mit dem ausländischen Unternehmen.

  • Welches Vertragsmodell das richtige für die betreffende Entsendung ist, kann man anhand verschiedener Fragen klären, hier einige Beispiele:
  • Welche Version bringt weder uns noch dem Mitarbeiter Nachteile oder gar Schadenersatzforderungen?
  • Hat die Vertragsstruktur Einfluss auf die Sozialversicherung?
  • Inwieweit ist der Mitarbeiter abhängig vom Heimatunternehmen (vollkommene vertragliches Lösen vom Stammhaus bedeutet Übertrittsmodell, Mitarbeiter hat eine enge vertragliche Bindung zum Stammhaus bedeutet Mehrvertragsmodell)?
  • Wie ist die steuerliche Handhabung bei der Auswahl des entsprechenden Vertragsmodells?

Diese Fragen sind nicht abschließend und nur als Anhaltspunkt anzusehen.

6.2. Vertragsform / Schriftformklausel

Der Auslandsarbeitsvertrag kann wie der inländische Arbeitsvertrag grundsätzlich formfrei verabredet werden. Mit Blick auf eventuelle spätere Beweisschwierigkeiten sollte jedoch immer eine schriftliche Niederlegung der wesentlichen arbeitsvertraglichen Abreden erfolgen. Speziell im Falle der Entsendung ist dies aufgrund diverser zusätzlicher Abreden, die im Vergleich zu einem Heimatarbeitsvertrag beachtet werden müssen, zwingend die Schriftform empfehlenswert.

Für den Fall, dass der Anstellungsvertrag mit der Auslandsgesellschaft nicht oder nicht nur in deutscher Sprache abgefasst worden ist, sollte eine Schriftformklausel dahingehend aufgenommen werden, welcher Vertragstext in welcher Sprache bzw. in welcher Übersetzung bei Auslegungsstreitigkeiten letztlich maßgeblich sein soll.

Empfehlenswert ist es auch, bei Abschluss des Arbeitsvertrages mit dem Unternehmen im Ausland in einer anderen als der deutschen Sprache eine beglaubigte Übersetzung des landessprachlichen Vertragstextes anzufertigen und beiderseits mit zu unterzeichnen.

6.3. Dauer der Auslandstätigkeit

Beginn und - bei befristeten Verträgen – Ende des Arbeitsverhältnisses, sind eindeutig anzugeben. Kann die Dauer eines befristeten Arbeitsverhältnisses im Voraus nur ungefähr abgeschätzt werden – z.B. bei der Einarbeitung einer einheimischen Fachkraft oder wenn eine Baumaßnahme fertigzustellen ist – kann nach Ablauf einer bestimmten Zeitspane eine Kündigungsmöglichkeit vorgesehen oder von vornherein eine Höchstvertragsdauer vereinbart werden.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die internationale Entsendung von Mitarbeitern“ von Tilo Schindele, auf Arbeitsrecht spezialisierter Rechtsanwalt, und Babett Stoye, LL.B., mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-57-1.


 

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Kontakt: tilo.schindele@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2016


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