Die gesetzlichen Gewährleistungsrechte im Kauf und Werkvertragsrecht und ihre Einbeziehung in AGB

Das zum 01.01.2002 in Kraft getretene neue Schuldrecht bestimmt in den §§ 433, 633 BGB, dass der Verkäufer /Unternehmer eine Sache bzw. ein Werk frei von Sach- und Rechtsmängeln zu liefern hat. Die früher mitunter problematische Beantwortung der Frage, ob nun ein Sach- oder aber ein Rechtsmangel vorliegt, ist nun praktisch ohne Bedeutung. Ebenso stark an Bedeutung eingebüßt hat die oft schwierige und wegen der Anknüpfung an unterschiedlichen Rechtsfolgen heftig umstrittene Unterscheidung zwischen Sachmangel und Falschlieferung (sog. aliud). Der Gesetzgeber hat nun in den §§ 434 Abs. 3 und 633 Abs. 2 BGB eine Gleichstellung beider Problemkreise verfügt, was zu einer erheblichen rechtlichen Vereinfachung geführt hat. Eine Sache oder ein Werk ist daher nach neuem Recht stets mangelhaft, wenn die vereinbarte Beschaffenheit nicht besteht. Existiert keine solche Vereinbarung, so liegt ein Mangel immer dann vor, wenn eine Sache oder ein Werk nicht dem entspricht, was bei Dingen der gleichen Art üblich ist und der Käufer/ Besteller daher erwarten kann. Konkret bedeutet dies, dass im Kaufrecht eine Sache bereits dann mangelhaft ist, wenn ein Käufer eine Motorsäge erwirbt, die sich allenfalls zum Schneiden von Ästen eignet, obwohl der Käufer gegenüber dem Verkäufer vorher klargestellt hat, dass er eine Säge zum Fällen von Bäumen benötige. Ferner liegt ebenfalls bereits ein Mangel der gesamten Sache vor, wenn bei zur Selbstmontage bestimmten Produkten die Montageanleitung mangelhaft ist, d.h. in schlechtem Deutsch verfasst oder aus anderen Gründen unverständlich ist (sog. Ikea-Klausel des BGB). Wenn im Rahmen eines Kauf- oder Werkvertrages Mängel auftreten, so gilt der Vertrag nach neuem Recht als nicht erfüllt. Übliche Rechtsfolge ist daher zuallererst der Anspruch des Käufers bzw. Bestellers auf Nacherfüllung. Unterschiede gibt es lediglich noch in der Art der Nacherfüllung: Während der Käufer gemäß § 439 Abs. 1 BGB die Wahl zwischen der Beseitigung des Mangels oder der Lieferung einer mangelfreien Sache hat, sieht der Gesetzgeber diese Wahlmöglichkeit des Bestellers im Werkvertragsrecht nicht vor. Vielmehr ist es dem Unternehmer überlassen, ob er seiner Pflicht zur Nacherfüllung nachkommt, indem er die Mängel beseitigt oder ein neues Werk herstellt (§ 635 Abs. 1 BGB). Den verschiedenen Regelungen gemeinsam ist jedoch, dass die Nachbesserung auf Kosten des Schuldners zu erfolgen hat. Bei Werkverträgen kann sich der Unternehmer in seinen AGB ein Nachbesserungsrecht bei Mangelhaftigkeit des Werkes vorbehalten und so die Rechte des Bestellers zuerst einmal auf Nachbesserung beschränken. Allerdings ist ein mehr als zweimaliges Nachbesserungsrecht zugunsten des Auftragnehmers nicht mehr zulässig, da dies für den Auftraggeber unzumutbar wäre. Ist eine Nacherfüllung nicht mehr möglich, weigert sich der Schuldner oder hat der Gläubiger lange genug gewartet, kann sowohl bei Kauf- als auch bei Werkverträgen statt Erfüllung Minderung des Entgelts bzw. Schadensersatz verlangt werden. Eine weitere Möglichkeit besteht in der Rückgängigmachung des Vertrages. Deutlich betont werden muss jedoch noch einmal, dass von den genannten Alternativen des Gewährleistungsrechts erst dann Gebrauch gemacht werden kann, wenn eine Nacherfüllung ausscheidet. Die gesetzlichen Gewährleistungsrechte setzen einen Mindeststandard, der mittels AGB in der Regel nicht unterschritten werden darf. Ausnahmen gelten jedoch bei Kaufverträgen zwischen Privatleuten. So ist es nach wie vor gestattet, beim Verkauf vollständig privat genutzter Pkw vertraglich einen Ausschluss jeglicher Gewährleistung zu vereinbaren (,,gekauft wie gesehen``). Eine Haftung des (privaten) Verkäufers käme dann nur auf Grund von arglistig verschwiegener Mängel in Betracht. Dieselbe Regelung gilt sinngemäß auch für Kaufvertrage zwischen Unternehmen. Stehen sich jedoch Privatpersonen und Unternehmer, wozu auch Selbständige und Kleingewerbetreibende zählen, als Vertragsparteien gegenüber, so ist ein Ausschluss der Gewährleistung durch das Unternehmen sowohl durch einzelvertragliche Regelungen als auch durch AGB-Klauseln regelmäßig nicht zulässig. Ebenso unzulässig ist die vertragliche Verkürzung der Gewährleistungsfristen, etwa durch AGB; eine diesbezügliche Klausel ist also rechtlich unwirksam. Die gesetzlichen Gewährleistungsfrist beträgt bei Kaufverträgen grundsätzlich zwei Jahre (§ 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB). Dies gilt nicht nur für neue sondern auch für gebrauchte Sachen. Allerdings kann bei letzteren die Frist auf ein Jahr reduziert werden (§ 475 Abs. 2 BGB), wobei dies in der Praxis für gebrauchte Sachen wohl die Regel ist. Bei werkvertraglichen Gewährleistungsansprüchen tritt eine Verjährung frühestens nach zwei Jahren ein (§ 634 a Abs. 1 Nr. 1 BGB). Unstreitig gelten die oben genannten Fristen für nicht offensichtliche Mängel. Interpretationsspielraum bietet das neue Schuldrecht jedoch bei der Frage, inwieweit AGB-Klauseln zulässig sind, die bei offensichtlichen Mängeln eine Frist zur Anzeige dieser Mängel setzen, nach deren Ablauf Gewährleistungsansprüche nicht mehr geltend gemacht werden können. Für Aufklärung sorgte diesbezüglich ein Urteil des Landgerichts Hamburg aus dem Jahre 2003. Das Gericht hatte über die als AGB-Klausel gewertete ,,Aufforderung`` eines Versandhauses zu entscheiden, offensichtliche Mängel der zugesandten Ware sofort nach Erhalt anzuzeigen. Die Richter erklärten diese Klausel für unwirksam und begründeten dies damit, dass selbst ein fahrlässiges Nichterkennen offensichtlicher Mängel nicht dazu führen dürfe, dass der Verbraucher seine Gewährleistungsansprüche verliere. Den Einwand des Versandhauses, wonach eine Nichtbeachtung der sofortigen Anzeigepflicht mangels entsprechender vertraglicher Regelungen ohne Folgen bleibe, ließ das Gericht nicht gelten. Die Platzierung der ,,Aufforderung`` bei den Gewährleistungsrechten könne bei dem Kunden den Eindruck erwecken, dass die Nichtanzeige offensichtlicher Mängel zum Verlust seiner Ansprüche führt. Aus der Urteilsbegründung kann gefolgert werden, dass auch bei offensichtlichen Mängeln die Anzeigepflicht nicht kürzer als die Gewährleistungsfrist sein darf und entgegenstehende AGB-Klauseln unwirksam sind. Doch trotz dieser neuen, sehr verbraucherfreundlichen Rechtsprechung ist es ratsam, Mängel unverzüglich anzuzeigen, da sich sonst das Problem der Beweislast stellen kann. Denn nur in den ersten sechs Monaten nach dem Kauf wird widerleglich vermutet, dass der Mangel bereits von Anfang an vorhanden war. Nach diesem Zeitpunkt muss der Käufer gegebenenfalls beweisen, dass die Sache bereits beim Kauf Fehler aufwies, was in der Regel nur schwer möglich sein wird. Auf dem Gebiet des AGB-Rechts bei Werkverträgen leitete der BGH im März 2002 fast zeitgleich mit dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform eine bedeutende Wende ein. In Abkehr der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung erklärte der Bundesgerichtshof die so genannte Subsidiaritätsklausel bei Bauträgerverträgen für unwirksam. Bauträger sind im wesentlichen Unternehmer, die Bauvorhaben in eigenem Namen realisieren und fertiggestellte Objekte schlüsselfertig an den Besteller übergeben. Die Subsidiaritätsklausel war bis zur Neubeurteilung durch den BGH gängige Praxis und beinhaltete eine Haftungserleichterung des Bauträgers. In seinen AGB ließ der Unternehmer eine Gewährleistungspflicht gegen sich erst gelten, wenn der die Bemühungen des Vertragspartners erfolglos geblieben waren, die vom Bauträger abgetretenen Gewährleistungsansprüche gegen die anderen an der Errichtung des Objektes beteiligten (Sub-) Unternehmer durchzusetzen. Der BGH erklärte diese Klausel in seinem neuen Urteil für unwirksam, weil sie gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des AGB-Verwenders darstelle. Wenige Monate später, ebenfalls im Jahre 2002, urteilte der Bundesgerichtshof über eine Klausel, die ein Generalunternehmer bei Verträgen über die Errichtung bezugsfertiger Häuser verwendete. Diese Klausel sah die Möglichkeit vor, dass der Unternehmer im Namen des Bestellers Bauaufträge an Drittfirmen vergeben konnte. Der BGH sah darin eine überraschende Klausel, mit der der Vertragspartner des AGB-Verwenders nicht zu rechnen brauchte, so dass diese Klausel gemäß § 305 c Abs. 1 BGB nicht Bestandteil des Vertrages geworden war. In seiner Begründung führte der BGH aus, dass der Auftraggeber eines Generalunternehmers erwarte, dass dieser in eigener Verantwortung das Bauobjekt zum vertraglich festgelegten Preis erstellt und, falls notwendig, Subunternehmen in eigenem Namen beauftragt. Keinesfalls jedoch wolle der Besteller zusätzliche Verpflichtungen gegenüber Drittfirmen durch eine klauselartige Bevollmächtigung im Vertrag mit dem Generalunternehmer eingehen. Mit diesem Urteil hinsichtlich der Bewertung von überraschenden AGB-Klauseln knüpft der BGH an seine Rechtsprechung vor der Einbeziehung des AGB-Gesetzes in das BGB an. Wie weiter oben bereits ausgeführt, benutzte der BGH jedoch in einem anderen Fall das Inkrafttreten der Schuldrechtsreform für eine grundlegende Neuausrichtung. Es wird daher weiterhin interessant sein zu sehen, wie die Judikative vor dem Hintergrund der größten Umwälzung des Zivilrechts seit 1900 rechtliche Probleme auf dem zentralen Gebiet des Schuldrechts in Zukunft bewertet und der noch recht überschaubaren Rechtsprechung weitere Entscheidungen hinzufügt.
Kontakt: brennecke@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: 02.02.2004


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Über die Autoren:

Harald Brennecke, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz

Portrait Harald-Brennecke

Rechtsanwalt Harald Brennecke ist im Datenschutzstrafrecht als Strafverteidiger tätig.

Rechtsanwalt Brennecke hat zum Datenschutzrecht veröffentlicht:

  • „17 UWG – Betriebsgeheimnisse und Verrat durch (ehemalige) Mitarbeiter“, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-38-0
  • "Einführung in das Datenschutzrecht", Kapitel im E-Business Handbuch für Entscheider, 2. Aufl., ISBN 3.540-43263-9, 2002, Springer-Verlag

Folgende Veröffentlichung von Rechtsanwalt Brennecke ist in Vorbereitung:

  • Einführung in das Datenschutzstrafrecht

Rechtsanwalt Brennecke war an der IHK Karlsruhe als Dozent für Datenschutzrecht tätig. Er ist Dozent für Datenschutzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.

Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zu den Themen:

  • Schutz von Kundenadressen und Geschäftsgeheimnissen – 17 UWG in Theorie und Praxis
  • Datenschutzstrafrecht
  • Datenschutz in Franchisesystemen – Die unterschätzte Gefahr für Franchisesysteme

Kontaktieren Sie Rechtsanwalt Harald Brennecke unter:
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Telefon: 0721-20396-28

 


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