Die Haftung für Steuerschulden – Teil 06 – Haftung nach §§ 70, 71, 154 und 73 AO

4. Haftung des Vertretenen nach § 70 AO

Der Vertretene haftet gem. § 70 I AO, soweit er nicht selbst Steuerschuldner ist, für die durch den Vertreter veranlasste Steuerhinterziehung oder leichtfertige -verkürzung und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile. Die steuerliche Verfehlung muss bei Ausübung der Obliegenheiten begangen worden sein, es ist also ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den Obliegenheiten des Vertreters und der Steuerverfehlung erforderlich. Unbedeutend ist, ob der Täter dem Vertretenen gezielt einen finanziellen Vorteil verschaffen wollte oder nicht.

Die Vorschrift hat insb. Bedeutung auf dem Gebiet des Zoll- und Verbrauchersteuerrechts, da sie den Rückgriff auf den Vertretenen ermöglicht und somit einen Ausgleich dafür schafft, dass sich der Steuergläubiger die für den Vertretenen handelnden Dritten nicht aussuchen kann.

§ 70 I AO gilt gem. § 70 II AO nicht bei Taten gesetzlicher Vertreter natürlicher Personen, wenn der Vertretene keine Vermögensvorteile erlangt hat oder wenn er nachweisen kann, dass er den Vertreter sorgfältig ausgewählt und beaufsichtigt hat.

5. Haftung des Steuerhinterziehers nach § 71 AO

Der personelle Anwendungsbereich des § 71 AO ist weiter gefasst als in § 69 AO. Nach § 71 AO haften auch

  • nicht vertretungsberechtigte Angestellte
  • Angehörige von Vertretern nach § 69 AO und
  • andere Personen, soweit durch sie die Hinterziehung oder Steuerhehlerei vollendet worden ist.

Eine leichtfertige Steuerverkürzung reicht für § 71 AO nicht. In diesem Fall findet § 69 AO Anwendung. Bei § 71 AO muss eine vollendete Steuerhinterziehung vorliegen.

Die persönliche Haftung ist auf die Höhe der hinterzogenen Beträge unbeschränkt. Allerdings umschließt sie nur den fiskalischen Schaden, den der Täter durch vorsätzliches Handeln erreicht hat. Ebenso wie für § 69 AO ist auch bei Anwendung des § 71 AO entscheidend, ob die hinterzogenen Steuern bei steuerehrlichem Verhalten hätten bezahlt werden können.

Die Haftung nach § 71 AO erstreckt sich auf Zinsen gem. § 235 AO.

Ein Haftungsbescheid wegen Hinterziehung oder Hehlerei kann selbst dann noch ergehen, wenn die Erststeuer

  • nicht festgesetzt worden ist und wegen Ablauf der Festsetzungsfrist nach § 169 II AO nicht mehr festgesetzt werden kann
  • verjährt oder
  • erlassen ist.

Die Strafbarkeit des Täters und Teilnehmers einer Steuerhinterziehung bzw. -hehlerei ergibt sich aus §§ 370, 374 AO.

Eine Selbstanzeige schränkt die Haftung nicht ein, sondern wirkt sich nur als Strafausschließungsgrund aus. Die für den Erlass des Haftungsbescheids zuständige Stelle der Finanzbehörde hat im Einvernehmen mit der für die Straf- und Bußgeldsachen zuständigen Stellen zu prüfen, ob der Tatbestand der einschlägigen Strafvorschriften gegeben ist.

Die strafrechtliche Verurteilung ist für die Inanspruchnahme der steuerrechtlichen Haftung unerheblich. Die Finanzbehörde ist an die strafrechtlichen Entscheidungen nicht gebunden. Werden im Verfahren vor dem Finanzamt keine Einwendungen gegen die Feststellungen im Strafurteil erhoben, kann das Finanzgericht die tatsächlichen Feststellungen, Beweiswürdigungen und rechtlichen Beurteilungen des Strafgerichts nutzen.

6. Haftung wegen Verletzung der Pflicht zur Kontenwahrheit nach § 154 AO

Ein Konto darf nicht auf einen falschen Namen errichtet werden. Unter einem falschen Namen dürfen keine

  • Buchungen vorgenommen werden
  • Wertsachen in Verwahrung gegeben oder
  • verwendet werden und
  • kein Schließfach genommen werden.

Wurde durch Verstoß gegen § 154 I AO unter falschem oder erdichtetem Namen ein Konto errichtet, so dürfen das Guthaben, beziehungsweise die Wertsachen und Inhalte der Schließfächer nur mit Zustimmung des - für die Einkommenssteuer und Körpersteuer des Verfügungsberechtigten zuständigen - Finanzamtes herausgegeben werden. Waren mehrere Personen über ein Konto verfügungsberechtigt, bedarf es unter Umständen der Zustimmung aller beteiligten Finanzämter zur Herausgabe.(Fußnote)

Bei einem vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verstoß gegen die Pflicht zur Kontenwahrheit besteht eine Haftung nach § 72 AO, soweit durch die Pflichtverletzung die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerverhältnis beeinträchtigt wird.

7. Haftung im Fall der Organschaft nach § 73 AO

Voraussetzung für eine Haftung nach § 73 AO ist ein Organschaftsverhältnis. Eine Organschaft ist die Zusammenfassung von rechtlich selbständigen Unternehmen zu einer Besteuerungseinheit. Ein rechtlich selbständiges Unternehmen wird in ein anderes (den sogenannten Organträger) derart integriert, dass die steuerlichen Vorgänge der Organgesellschaft grundsätzlich dem Organträger als eigene zugerechnet werden. Die beiden Unternehmen erscheinen als einheitlicher Steuerpflichtiger. Ob eine Organschaft vorliegt, richtet sich nach den jeweiligen Steuergesetzen.

Nach § 14 KStG und nach § 2 II GewStG ist eine Organschaft gegeben, wenn alle Gewinne und Verluste der Organgesellschaft (Tochtergesellschaft) zu denen des Organträgers (Muttergesellschaft) zugerechnet werden.

Nach § 2 II Nr. 2 UStG ist eine Organschaft gegeben, wenn nur ein Unternehmen im Sinne des UStG vorliegt, das finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch eingegliedert wird. Das liegt vor, wenn

  • das Unternehmen von den Stimmrechten der Organgesellschaft mehr als 50 % hält
  • die beiden Unternehmen hinreichend eng wirtschaftlich verflochten sind und
  • das eingegliederte Unternehmen jederzeit in der Lage ist, auf der Geschäftsführungsebene der Organgesellschaft eine von seinem Willen abweichende Entscheidung zu verhindern.

Die Organgesellschaft haftet dann für alle Steuern des Organträgers, allerdings wird die Haftung der Organgesellschaft durch den Umfang der Organschaft beschränkt. Diese besteht im Hinblick auf die Organgesellschaft also nur für solche Steuern des Organträgers, die für die Organschaft von Bedeutung sind, nicht aber für etwaige sonstige Steuern.

Beispiel 1

Eine Organschaft wird zum Zwecke der Umsatzsteuer geführt.

  • Eine Haftung für die Gewerbesteuer oder Körperschaftssteuer kommt nicht in Betracht.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Haftung für Steuerschulden“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Steuerrecht, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2015, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-39-7.


 

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Stand: Januar 2016


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Über die Autoren:

Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht

Portrait Carola-Ritterbach

Rechtsanwältin Carola Ritterbach absolviert derzeit den Fachanwaltskurs Steuerrecht. Sie berät Gesellschafter und Unternehmer bei der steuerlichen Gestaltung von Gesellschaften und Unternehmen. Sie begleitet Betriebsprüfungen und vertritt bei Finanzgerichtsstreitigkeiten mit dem Finanzamt oder vor Finanzgerichten.  Rechtsanwältin Ritterbach berät und vertritt bei Steuerselbstanzeigen und Steuerstrafverfahren.  Sie erstellt Unternehmensbewertungen und begleitet Unternehmenskäufe bzw. Unternehmensverkäufe aus steuerrechtlicher Sicht.
Sie berät bei der Gestaltung von Erbschaften und Schenkungen zur Vermeidung unnötiger Erbschaftssteuer und entwirft Vermögensübertragungskonzepte. 
Sie berät hinsichtlich steuerlicher Auswirkungen von Insolvenzen. Dabei prüft und beantragt sie Steuererlasse zum Zweck der Unternehmenssanierung oder für insolvente Steuerschuldner sowie die nachträgliche Aufteilung
on Steuern im Fall der Zusammenveranlagungen bei Insolvenzen einzelner Ehepartner.
Rechtsanwältin Ritterbach ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht und ist seit vielen Jahren im Bereich Bankrecht tätig. Steuerliche Fragen bei Finanzierungsgeschäften treffen daher ihr besonderes Interesse.

Carola Ritterbach hat im Steuerrecht veröffentlicht:

  • Bilanzierung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-49-6
  • Steuerstrafrecht – Strafbarkeit der Organe in Unternehmen, Monika Dibbelt, Carola Ritterbach und Alexander Mayr, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-48-9
  • Die strafbefreiende Selbstanzeige, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-47-2
  • Besteuerung Personengesellschaften, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-52-6
  • Steuerberaterhaftung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Anika Wegner, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-51-9
  • Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuerrecht: Das Recht der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Möglichkeiten zur Verringerung der Steuerbelastung bei Erbschaften und Schenkungen, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-16-8,
  • Die Haftung für Steuerschulden, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-39-7

Weitere Veröffentlichungen von Rechtsanwältin Ritterbach im Steuerrecht sind in Vorbereitung, so

  • Änderung von Steuerbescheiden – Wann darf das Finanzamt einen Steuerbescheid aufheben oder korrigieren

Carola Ritternach ist Dozentin für Steuerrecht bei der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Steuerrecht im Deutschen Anwaltsverein.
 Sie bietet Vorträge und Seminare unter anderem zu folgenden Themen an:

  • Erbschaftssteuer und Schenkungssteuer vermeiden
  • Wahl der Gesellschaftsform unter Steuergesichtspunkten
  • Lohnsteuer- und Umsatzsteuerhaftung des Geschäftsführers
  • Mindestlohn – Worauf hat der Steuerberater zu achten
  • Die Umsatzsteuer – eine kauf- und leasingrechtliche Betrachtung
  • Die steuerliche Organschaft – Was wird wo versteuert?
  • Die Besteuerung ausländischer Einkünfte – Immobilien, Unternehmensbeteiligungen, Kapitalanlagen oder Geschäftsführergehälter

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Normen: § 73 AO, § 2 GewStG, § 2 UStG, § 154 AO, § 69 AO, § 70 AO, § 71 AO

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