Die Gesellschafterversammlung: Ein Leitfaden – Teil 22 – Rechtsschutzbedürfnis, Anfechtungsfrist, Urteilswirkungen, Vergleich

8.5.2.2 Rechtsschutzbedürfnis

Das Rechtsschutzbedürfnis eines Gesellschafters zur Anfechtung eines Beschlusses wird durch die Stellung als Organ der Gesellschaft grundsätzlich indiziert. Es ist nicht mehr gegeben, wenn ein einfacherer oder schnellerer Weg zur Durchsetzung der Rechte besteht. Im GmbH-Recht wird dies regelmäßig nur im Rahmen eines Informationserzwingungsverfahren (§§ 51a, 51b GmbHG) der Fall sein, in dem ein Gesellschafter Auskünfte von der Geschäftsführung und Einsicht in Geschäftsunterlagen verlangen kann.[1]

Beispiel
Im Gesellschaftsvertrag der X GmbH ist geregelt, dass die Fehlerhaftigkeit von Beschlüssen vor Klageerhebung zunächst intern zu rügen ist. Dies interessiert Gesellschafter A aber nicht. Er möchte keine Zeit verlieren und erhebt sofort Anfechtungsklage.

  • Die Klage ist unzulässig. Er muss zunächst innerhalb der Gesellschafterversammlung rügen, dass der angegriffene Beschluss fehlerhaft ist.

8.5.2.3 Anfechtungsfrist

Die Klage ist innerhalb einer "angemessen" Frist zu erheben. Angemessen ist nach § 246 Abs. 1 AktG analog im Regelfall eine Frist von vier Wochen.

Beispiel
Am 3. Mai 2016 fasst die Gesellschafterversammlung der X GmbH einen Beschluss, mit dem Gesellschafter A nicht einverstanden ist. Am 17. Juni 2016 erhebt er dagegen Anfechtungsklage.

  • Die Klage ist verfristet und damit unzulässig.

Im Einzelfall können Umstände eine längere Frist erfordern, wenn etwa ein Beschluss in rechtlicher, wirtschaftlicher oder tatsächlicher Hinsicht derart komplex ist, dass eine längere Vorlaufzeit benötigt wird.[2] Der Gesellschaftsvertrag kann die Klagefrist verlängern, nicht jedoch verkürzen.[3]

Beispiel
Der Beschluss betrifft jedoch einen rechtlich wie wirtschaftlich hoch komplexen Beherrschungsvertrag, der rund 500 Seiten umfasst. Für die rechtliche Prüfung braucht selbst die auf derartige Fragen spezialisierte Kanzlei, die A mandatiert hat, rund drei Monate.

  • In diesem Fall ist die Klageerhebung auch noch nach etwa drei Monaten zulässig.

Die Frist beginnt, sobald der anfechtungsberechtigte Gesellschafter Kenntnis von dem anzufechtenden Beschluss erhält.[4] Der Fristbeginn kann durch die Satzung modifiziert werden, z.B. indem sie vom Zugang eines Protokolls abhängig gemacht wird.[5] Wird die Klage nach Ablauf der Anfechtungsfrist erhoben, führt dies dazu, dass sie unzulässig ist.[6]


8.5.2.4 Urteilswirkungen

Das dem klägerischen Antrag stattgebende Urteil hat Gestaltungswirkung (§ 248 AktG analog). Es führt also rückwirkend zur Nichtigkeit des angegriffenen Beschlusses und wirkt gegenüber jedermann.[7]

Beispiel
Gesellschafter A erhebt Anfechtungsklage gegen einen Beschluss der Gesellschafterversammlung der X GmbH. Der Klage war erfolgreich, der Beschluss wurde für unwirksam erklärt.

  • Somit kann niemand mehr Klage in Bezug auf den erfolgreich angefochtenen Beschluss erheben.

Wird die Klage dagegen durch Sachurteil abgewiesen, wirkt es lediglich zwischen den Prozessparteien.[8]

Beispiel
Anders, wenn die Klage als unbegründet abgewiesen wurde.

  • In diesem Fall kann beispielsweise jeder andere Gesellschafter erneut Klage mit demselben Beschluss als Streitgegenstand erheben.

8.5.2.5 Vergleich

Die beklagte Gesellschaft ist nicht befugt, einen prozessbeendenden Vergleich einzugehen, da sie im Gegensatz zum Kläger nicht frei über den Streitgegenstand verfügen kann.[9]


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Gesellschafterversammlung: Ein Leitfaden“ von Harald Brennecke, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, und Dipl.-Jur. Marc Schieren, M. L. E., mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-50-2.


 

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Stand: Januar 2016


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Über die Autoren:

Harald Brennecke, Rechtsanwalt

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Rechtsanwalt Harald Brennecke ist Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Fachanwalt für Insolvenzrecht.

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    Harald Brennecke ist seit 1999 im Bereich der Unternehmenssanierung tätig. Als Fachanwalt für Insolvenzrecht berät und begleitet er Sanierungen und betreut Geschäftsführer und Gesellschafter bei Firmeninsolvenzen. Er unterstützt Geschäftsführer in der Unternehmenskrise hinsichtlich der für sie bestehenden Haftungsrisiken sowie Gesellschafter im Interesse der Wahrung der Unternehmenswerte. Er unterstützt bei der Suche nach Investoren und Wagniskapitalgebern (venture capital), begleitet Verhandlungen und erstellt Investorenverträge.


Rechtsanwalt Harald Brennecke hat im Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht veröffentlicht:

  • "Das Recht der GmbH", Verlag Mittelstand und Recht, 2015, ISBN 978-3-939384-33-5
  • "Der Gesellschaftsvertrag der GmbH - Die GmbH-Satzung in Theorie und Praxis", 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-40-3
  • "Der Unternehmenskauf -  Rechtliche Risiken bei Kauf und Verkauf mittelständischer Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-18-2
  • "Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-29-8
  • "Gesellschaftsrecht in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-26-7
  • "Die Limited in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-34-2
  • "Der Insolvenzplan – Sanierungsinstrument in der Insolvenz", 2007, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-03-8
  • "Die Regelinsolvenz - Insolvenz für Unternehmer und Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-07-6
  • "Gesellschafterinteressen in der Publikums-KG: Auskunftsrechte der Kommanditisten einer Publikums-KG gegen Treuhänder“, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-28-1
  • "Die Gesellschafterversammlung: Ein Leitfaden", Harald Brennecke und Dipl.-Jur. Marc Schieren, M. L. E., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-50-2
  • "Arztpraxis – Kauf und Übergang", Harald Brennecke und Michael Kaiser, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-54-0

Folgende Veröffentlichungen von Rechtsanwalt Brennecke sind in Vorbereitung:

  • Die Due Diligence – Rechtliche Prüfung beim Unternehmenskauf
  • Die Liquidation der Kapitalgesellschaft
  • Die Unternehmergesellschaft (UG)

Harald Brennecke ist Dozent für Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht im DeutscherAnwaltVerein.  
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

  • Gesellschaftsrecht für Steuerberater und Unternehmensberater – Grundlagen des Gesellschaftsrechts
  • Gesellschaftsvertragsgestaltung – Grundlagen und Risiken
  • Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) – kleine Chance, großes Risiko
  • Welche Gesellschaftsform ist die Richtige? Vor- und Nachteile der Rechtsformen für Unternehmer
  • Geschäftsführerhaftung – Geschäftsführung von Kapitalgesellschaften; das letzte große Abenteuer der westlichen Zivilisation
  • Insolvenzrecht für Gründer und lebende Unternehmen: Aus Insolvenzen anderer lernen heißt das eigene Insolvenzrisiko zu vermeiden
  • Unternehmenssanierung: Kopf aus dem Sand! Wer zu spät reagiert, reagiert nie wieder.
  • Insolvenzrecht für Steuerberater – Grundlagen des Insolvenzrechts für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer
  • Insolvenzrecht für Unternehmensberater – Sanierungschancen erkennen und wahren
  • Insolvenzberatung: das (enorme) Haftungsrisiko des Sanierungsberaters

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