Die Gesellschafterversammlung: Ein Leitfaden – Teil 02 – Gesetzlicher Aufgabenkreis der Gesellschafterversammlung

2.2.4 Teilung, Zusammenlegung und Einziehung von Gesellschaftsanteilen

Sofern Teile eines Gesellschaftsanteils veräußert werden sollen, bedarf es hierzu gemäß § 46 Nr. 4 GmbHG eines zustimmenden Beschlusses der Gesellschafterversammlung.[1] Dies gilt ebenso für Entscheidungen über die Zusammenlegung mehrerer Gesellschaftsanteile sowie die Einziehung nach § 34 GmbHG.[2] Diese Aufgaben können an andere Gesellschaftsorgane delegiert werden.[3]

2.2.5 Aufgaben im Zusammenhang mit der Geschäftsführung

Die Gesellschafter wählen darüber hinaus den oder die Geschäftsführer als gesetzliche Vertreter der GmbH, § 46 Nr. 5 GmbHG. Dies betrifft zunächst nur die Stellung als Organ der Gesellschaft. Die Modalitäten seiner Anstellung (Vertragsdauer, Vergütung u.Ä.) sind dagegen in einem Anstellungsvertrag zu regeln, der ebenfalls in die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung fällt.[4]

Die Gesellschafter können Regelungen zur Überwachung der Geschäftsführung treffen (§ 46 Nr. 6 GmbHG), wobei sie hierbei an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden sind.[5]

Beispiel

Geschäftsführer G steht in Verdacht, unberechtigt Briefmarken der X GmbH privat genutzt zu haben.

  • Die Gesellschafter veranlassen eine Prüfung der Portobücher. Eine Videoüberwachung der Poststelle wäre dagegen unverhältnismäßig.

Die Gesellschafterversammlung ist für die Entlastung der Geschäftsführung, also die Erklärung, dass die Geschäftsführung gebilligt und auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen verzichtet werde, zuständig.[6] Diese erfolgt regelmäßig mit der Feststellung des Jahresabschlusses. Einen Anspruch auf Entlastung haben der oder die Geschäftsführer dagegen nicht. Ein Geschäftsführer kann jedoch Klage auf Feststellung, dass keine Ansprüche der Gesellschaft gegen ihn bestehen, erheben.[7] Bei der Entlastung mehrerer Geschäftsführer ist möglicherweise getrennt abzustimmen, wenn sachliche Gründe hierfür (zum Beispiel die Missbilligung der Handlungen nur eines Geschäftsführers) vorliegen.[8]

Eine Übertragung dieser Zuständigkeiten auf andere Organe (außer naturgemäß die Geschäftsführung selbst) ist möglich.[9]

2.2.6 Bestellung von Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten

Die Gesellschafterversammlung beschließt im Innenverhältnis über die Erteilung einer Prokura (§§ 48 ff. HGB) oder einer Handlungsvollmacht (§ 54 HGB). Die Erteilung als solche erfolgt im Außenverhältnis durch entsprechende Erklärung der Geschäftsführung an den Prokuristen oder Handlungsbevollmächtigten.[10] Der Widerruf kann dagegen auch allein durch den Geschäftsführer erfolgen.[11]

2.2.7 Zuständigkeiten nach dem Umwandlungsgesetz

Für die Entscheidung über

  • Formwechsel (§ 193 Abs. 1 UmwG),
  • Verschmelzung mit anderen Rechtsträgern (§§ 2 ff. UmwG, § 13 Abs. 1 UmwG)
  • Spaltung (§§ 123 ff., 125, 13 UmwG) oder
  • Vermögensübertragung auf die öffentliche Hand (§§ 174 ff., 177, 125, 13 UmwG)

müssen entsprechende Beschlüsse in der Gesellschafterversammlung getroffen werden.[12]

Den Gesellschaftern obliegt damit die Entscheidung über die Zukunft "ihres" Unternehmens. Derartige Entscheidungen müssen zwingend im Rahmen einer Gesellschafterversammlung getroffen und können nicht zum Gegenstand eines Umlaufverfahrens, also eines schriftlichen Verfahrens, gemacht werden.[13]

2.2.8 Abschluss von Unternehmensverträgen

Der Abschluss von Unternehmensverträgen fällt nach §§ 291 ff. AktG analog in den Zuständigkeitsbereich der Gesellschafterversammlung und zwar unabhängig davon, ob es sich bei der betreffenden GmbH um das herrschende oder ein beherrschtes Unternehmen handelt.[14]

2.2.9 Geltendmachung gesellschaftsinterner Ansprüche

Die Gesellschafter sind für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen und die Bestellung eines besonderen Vertreters in Prozessen zwischen der Gesellschaft und einem ihrer Geschäftsführer oder Gesellschafter zuständig (§ 46 Nr. 8 GmbHG). Wird kein besonderer Vertreter bestellt, verbleibt es bei der allgemeinen Vertretungsmacht der Geschäftsführung. Die Gesellschafter sollen bei derartigen inneren Angelegenheiten selbst entscheiden können, ob gegen eine dieser Personen Ansprüche geltend gemacht werden sollen.[15] Ein anspruchsstellender Beschluss der Gesellschafterversammlung ist materielle Voraussetzung einer möglichen Klage.[16] Für die Vertretung im Prozess kann ein besonderer Vertreter bestellt werden.[17]

2.2.10 Wahl eines Aufsichtsrates oder Beirates sowie der Abschlussprüfer

Die Gesellschafter wählen und entlasten ferner die Mitglieder eines Aufsichtsrates oder Beirates sowie die Abschlussprüfer (§ 318 Abs. 1 S. 1 HGB), wobei die Modalitäten in der Regel im Einzelnen durch den Gesellschaftsvertrag festgelegt werden.[18] Im Rahmen der Bildung eines Aufsichtsrates gelten insbesondere das Mitbestimmungsrecht und damit die Beteiligung der Arbeitnehmervertreter ergänzend.[19] Diese Wahlkompetenzen können auf andere Organe übertragen werden.[20]

2.2.11 Weitere Aufgaben

Zu den weiteren gesetzlichen Aufgaben der Gesellschafterversammlung gehören

  • die Entscheidung über die Offenlegung eines Einzelabschlusses nach internationalen Rechnungslegungsstandards (§ 325 Abs. 2a HGB) und über die Billigung des von den Geschäftsführern aufgestellten Abschlusses gemäß § 46 Nr. 1a GmbHG
  • die Billigung eines von den Geschäftsführern aufgestellten Konzernabschlusses, § 42a Abs. 4 GmbHG
  • der Ausschluss eines Gesellschafters aus wichtigem Grund[21] sowie
  • die Bestellung eines Gesellschafters oder eines Dritten zur Verwahrung der Geschäftsbücher nach Beendigung der Liquidation, § 74 Abs. 2 S. 1, 2 GmbHG.[22]

Diese Zuständigkeiten sind dispositiv und können damit auf andere Gesellschaftsorgane übertragen werden.[23]

Die nachfolgenden Aufgaben sind dagegen zwingend und müssen daher von den Gesellschaftern wahrgenommen werden:

  • die Einforderung und Rückzahlung von Nachschüssen, §§ 26 Abs. 1, 46 Nr. 3, 30 Abs. 2 GmbHG sowie[24]
  • die Auflösung der Gesellschaft, § 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG.[25]

2.3 Aufgabenerweiterung und -einschränkung durch Satzung

Die Gesellschafter können sich weitere Entscheidungen vorbehalten. In der Praxis behalten sich Gesellschafter häufig Geschäfte von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung vor, wozu beispielsweise große Investitionen, Grundstücks- und Kreditgeschäfte oder die Einstellung leitender Mitarbeiter gehören können.[26] Je mehr Entscheidungen die Gesellschafter sich jedoch vorbehalten, desto mehr besteht die Gefahr, dass das operative Geschäft gehemmt wird; schließlich sind Beschlüsse der Gesellschafter nur in einem mit durchaus erheblichem Aufwand verbundenen Verfahren einzuholen.[27]

Ein solcher Entscheidungsvorbehalt kann sich entweder aus

  • dem Gesellschaftsvertrag
  • einer Geschäftsordnung oder
  • dem Anstellungsvertrag des Geschäftsführers

ergeben.

Die Möglichkeit der Regelung im Gesellschaftsvertrag stellt aufgrund der für Änderungen notwendigen notariellen Beurkundung und Eintragung in das Handelsregister die starrste und kostenintensivste dar; Regelungen in einer Geschäftsordnung oder im Anstellungsvertrag lassen sich dagegen flexibler handhaben. Im Außenverhältnis berühren derartige Regelungen nicht die Wirksamkeit von rechtsgeschäftlichen Handlungen des Geschäftsführers, solange der Geschäftsgegner die Beschränkungen in der Vertretungsmacht des Geschäftsführers nicht positiv kennt oder diese evident auf der Hand liegt.[28]

2.4 Kompetenzen von Aufsichtsräten und anderen Sonderorganen

Zwar sind die Gesellschafter primär für die oben genannten Aufgaben zuständig. Im Rahmen des gesetzlich zulässigen (s.o.) können die Gesellschafter gemäß § 45 Abs. 2 GmbHG in der Satzung einzelne Kompetenzen auf andere Organe, zum Beispiel

  • einen obligatorischen oder fakultativen Aufsichtsrat
  • die Geschäftsführung oder
  • andere durch die Satzung vorgesehene Sonderorgane, z.B. einen Beirat,

übertragen.[29]


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Gesellschafterversammlung: Ein Leitfaden“ von Harald Brennecke, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, und Dipl.-Jur. Marc Schieren, M. L. E., mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-50-2.


 

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Stand: Januar 2016


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Harald Brennecke, Rechtsanwalt

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Rechtsanwalt Harald Brennecke ist Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Fachanwalt für Insolvenzrecht.

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    Harald Brennecke ist seit 1999 im Bereich der Unternehmenssanierung tätig. Als Fachanwalt für Insolvenzrecht berät und begleitet er Sanierungen und betreut Geschäftsführer und Gesellschafter bei Firmeninsolvenzen. Er unterstützt Geschäftsführer in der Unternehmenskrise hinsichtlich der für sie bestehenden Haftungsrisiken sowie Gesellschafter im Interesse der Wahrung der Unternehmenswerte. Er unterstützt bei der Suche nach Investoren und Wagniskapitalgebern (venture capital), begleitet Verhandlungen und erstellt Investorenverträge.


Rechtsanwalt Harald Brennecke hat im Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht veröffentlicht:

  • "Das Recht der GmbH", Verlag Mittelstand und Recht, 2015, ISBN 978-3-939384-33-5
  • "Der Gesellschaftsvertrag der GmbH - Die GmbH-Satzung in Theorie und Praxis", 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-40-3
  • "Der Unternehmenskauf -  Rechtliche Risiken bei Kauf und Verkauf mittelständischer Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-18-2
  • "Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-29-8
  • "Gesellschaftsrecht in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-26-7
  • "Die Limited in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-34-2
  • "Der Insolvenzplan – Sanierungsinstrument in der Insolvenz", 2007, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-03-8
  • "Die Regelinsolvenz - Insolvenz für Unternehmer und Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-07-6
  • "Gesellschafterinteressen in der Publikums-KG: Auskunftsrechte der Kommanditisten einer Publikums-KG gegen Treuhänder“, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-28-1
  • "Die Gesellschafterversammlung: Ein Leitfaden", Harald Brennecke und Dipl.-Jur. Marc Schieren, M. L. E., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-50-2
  • "Arztpraxis – Kauf und Übergang", Harald Brennecke und Michael Kaiser, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-54-0

Folgende Veröffentlichungen von Rechtsanwalt Brennecke sind in Vorbereitung:

  • Die Due Diligence – Rechtliche Prüfung beim Unternehmenskauf
  • Die Liquidation der Kapitalgesellschaft
  • Die Unternehmergesellschaft (UG)

Harald Brennecke ist Dozent für Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht im DeutscherAnwaltVerein.  
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

  • Gesellschaftsrecht für Steuerberater und Unternehmensberater – Grundlagen des Gesellschaftsrechts
  • Gesellschaftsvertragsgestaltung – Grundlagen und Risiken
  • Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) – kleine Chance, großes Risiko
  • Welche Gesellschaftsform ist die Richtige? Vor- und Nachteile der Rechtsformen für Unternehmer
  • Geschäftsführerhaftung – Geschäftsführung von Kapitalgesellschaften; das letzte große Abenteuer der westlichen Zivilisation
  • Insolvenzrecht für Gründer und lebende Unternehmen: Aus Insolvenzen anderer lernen heißt das eigene Insolvenzrisiko zu vermeiden
  • Unternehmenssanierung: Kopf aus dem Sand! Wer zu spät reagiert, reagiert nie wieder.
  • Insolvenzrecht für Steuerberater – Grundlagen des Insolvenzrechts für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer
  • Insolvenzrecht für Unternehmensberater – Sanierungschancen erkennen und wahren
  • Insolvenzberatung: das (enorme) Haftungsrisiko des Sanierungsberaters

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