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Das Pflichteilsrecht ist verfassungsgemäß

Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer ist einer von zwei Söhnen der Erblasserin. Sie hatte ihn zu ihrem Alleinerben eingesetzt.

In den letzten drei Jahren vor ihrem Tod wurde die Erblasserin wiederholt tätlich von ihrem anderen Sohn angegriffen, der mit ihr zusammen in einem Haus lebte. Dieser Sohn litt an einer schizophrenen Psychose. Einen Monat vor ihrem Tod entzog die Erblasserin dem Sohn – dem Bruder des Beschwerdeführers - wegen der von ihm begangenen Misshandlungen den Pflichtteil.

Im Februar 1994 wurde die Erblasserin von ihrem psychisch kranken Sohn erschlagen, weil dieser Angst bzw. Wut wegen seiner bevorstehenden Einweisung in ein Krankenhaus hatte. Ein Gutachter stellte fest, dass der psychisch erkrankte Sohn bei der Tötung schuldunfähig war. Das LG ordnete daraufhin seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an.

Vertreten durch seinen Betreuer, machte der psychisch erkrankte Sohn gegen den Beschwerdeführer seinen Pflichtteilsanspruch geltend. LG und OLG gaben der hierauf gerichteten Klage statt, da auf Grund der Schuldunfähigkeit des erkrankten Sohnes keine wirksame Pflichtteilsentziehung stattfinden konnte.

 

Entscheidung:

Die gegen diese Entscheidungen gerichtete Verfassungsbeschwerde hatte Erfolg. Das BverfG (Entscheidung vom 19.04.2005, AZ.: 1 BvR 1644/00) entschied, das dass Urteil des OLG den Beschwerdeführer in seinem Erbrecht verletzt.

Zu den von der Erbrechtsgarantie des Art. 14 Abs.1 S.1 GG geschützten Bereichen gehört das Recht der Kinder des Erblassers auf eine unentziehbare und bedarfsunabhängige Teilhabe am Nachlass. Das Pflichtteilsrecht ist Ausdruck einer umfassenden Familiensolidarität, innerhalb derer Eltern und Kinder füreinander die Verantwortung übernehmen. Diese Pflicht zur gegenseitigen Sorge rechtfertigt es, dem Kind mit dem Pflichtteilsrecht auch über den Tod des Erblassers hinaus eine ökonomische Versorgung zu sichern. Diese Rechte und Pflichten werden durch § 2303 Abs.1 BGB gesichert. Die Vorschrift gewährt den Kindern einen Anteil am Nachlass, lässt dem Erblasser aber gleichzeitig genügend Freiraum, sein Vermögen nach seinen Vorstellungen zu verteilen (Testierfreiheit).

Die Regelungen über die Pflichtteilsentziehungsgründe des § 2333 Nr.1 und 2 BGB sind zudem mit dem GG vereinbar. Hiernach ist nur bei einem außerordentlich schweren Fehlverhalten des Kindes die Versagung des Pflichtteilsanspruchs gerechtfertigt.

Nach diesen Grundsätzen ist die Entscheidung des OLG nicht vertretbar. Der psychisch kranke Sohn war laut Sachverständigem bei der Tötung der Erblasserin zwar schuldunfähig im strafrechtlichen Sinn, aber immerhin in der Lage, das Unrecht seiner Tat einzusehen. Damit könnte der Sohn den Tatbestand des ,,nach dem Leben Trachtens`` gemäß § 2333 Nr.1 BGB erfüllt haben. Dies muss das OLG prüfen.


Kontakt: kontakt@fasp.de

Stand: Dezember 2025



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