DER KUNDENFANG AUS WETTBEWERBSRECHTLICHER SICHT
Allgemeines:
Die Beeinflussung des Kunden, vor allem mittels Werbung, gehört zum Wesen des Wettbewerbs. Wird der Kunde allerdings mit Methoden beeinflusst, die seine freie Willensentscheidung im Bezug auf den Kauf von Waren beeinflussen oder ausschließen, kann die Werbung u einem Kundenfang und somit wettbewerbswidrig werden. Es ist wettbewerbswidrig, Kunden durch das Ausüben physischen und psychischen Drucks zum Abschluss eines Geschäftes zu veranlassen. Die Entscheidung des Kunden zum Kauf der Ware wird erschlichen, verfälscht oder erkauft. Die folgenden Untergruppen legen die häufigsten Verstöße diesbezüglich dar:
- Wertreklame
- Werbung per Telefon, Telefax oder E-Mail
- Briefkastenwerbung
- Koppelungsgeschäfte und Vorspannangebote
1. Wertreklame
Ziel der Wertreklame ist es, das Urteil des Kunden zu trüben und ihn zum Abschluss eines Vertrages zu veranlassen. Wort- und Anschauungsreklame stellen keine Behinderung des Wettbewerbes dar, sie sind vielmehr das Wesen der Werbung. Der Kunde wird vielmehr durch unsachliche Mittel und besondere Vergünstigungen in seiner Entscheidungsfreiheit gehemmt und beeinflusst. Unter diese Fallgruppe gehören vor allem Zugaben, Werbegeschenke, Werbeprämien, Mitgehartikel, Gratisauslosungen, Gewinnspiele, Freikarten etc. Es ist entscheidend, ob der Kunde mit einer vom Abschluss eines Kaufgeschäftes abhängigen Vergünstigung verlockt wird oder ob es eine selbstständige Vergünstigung ist, die ihm angeboten wird. Um eine Wettbewerbswidrigkeit beurteilen zu können, kommt es darauf an, ob die Vergünstigungen und Zuwendungen noch im Rahmen einer Aufmerksamkeitswerbung fallen. Unbedenklich sind Gratisauslosungen bei denen es zu keiner Kontaktaufnahme mit dem Kunden kommt. Fraglich ist die Wettbewerbswidrigkeit, wenn der Kunde zum Erhalt der Vergünstigung erst das Geschäft der Verteilers aufsuchen muss. In diesem Fall kann es bereits zu einem psychologischen Kaufzwang kommen, dass der Kunde aus Peinlichkeit oder Dankbarkeit dazu verpflichtet fühlt, etwas bei dem Verteiler zu kaufen. Der Entschluss des Kunden wird dahingehend verfälscht, dass er die Ware nicht mehr wegen ihrer Qualität oder Preisgünstigkeit kauft, sondern wegen der zugaben und Zuwendungen. Es existieren zwei mögliche Fälle dieses Kaufzwanges, einerseits den psychologischen Kaufzwang, andererseits den rechtlichen Kaufzwang. Beim rechtlichen Kaufzwang wird dem Kunden eine geldwerte Vergünstigung in Aussicht gestellt, die er allerdings erst erhält, wenn er eine bestimmte Ware oder eine bestimmte Warenmenge abnimmt. Wenn die Kunden das Gefühl haben, sich aufgrund der Zuwendung erkenntlich zeigen zu müssen tritt der sogenannte psychologische oder moralische Kaufzwang auf. Der Zusatz zu einer Vergünstigung oder einem Warengeschenk, dass kein Kaufzwang besteht, reicht hier nicht aus. Auch wenn dem Kunden bewusst ist, dass er die Zuwendung ohne den Kauf einer Ware erhält, wird doch ein großer moralischer Druck auf ihn ausgeübt.
2. Werbung per Telefon, Telefax oder E-Mail
a. Telefonwerbung:
Bei der Werbung per Telefon sind zweie Arten zu unterscheiden, die gegenüber Privatpersonen und die gegenüber Geschäftsleuten.
b. Gegenüber Privatpersonen:
Anrufe von Händler oder Vertretern zur Anbahnung eines Geschäftsabschlusses oder Anbietung von Waren oder Dienstleistungen sind grundsätzlich wettbewerbswidrig. Bereits der erste Anruf eines Werbenden stellt eine unberechtigten Eingriff in die Privatsspähre des Angerufenen dar. Dieser wird genötigt, das Gespräch anzunehmen, bevor er entscheiden kann, ob er das Gespräch mit dem Anrufer fortsetzen will. Die im Rahmen von Telefonanrufen geschlossenen Verträge behalten aber unbeschadet dessen ihre Wirksamkeit. Eine Ausnahme hierzu liegt darin, dass der Angerufene vorher klar und unmissverständlich sein Einverständnis zu solch einer Werbeform gegeben hat. Unaufgeforderte Verbraucherumfragen von anerkannten Marktforschungsinstituten sind ebenfalls zulässig, da diese im Gewerbeauftrag handeln. Ein Versicherungsgeber darf seine Kunden aber nicht mit Telefonwerbung belästigen, auch wenn er mit ihnen durch ein Vertragsverhältnis bereits in einer geschäftlichen Verbindung steht.
c. Gegenüber Gewerbetreibenden:
Akquiseanrufe in einem Gewerbebetrieb stören den Angerufenen erheblich in seiner beruflichen Tätigkeit. Durch solche Anrufe ist der Telefonanschluss des Gewerbetreibenden für eine gewisse Zeit belegt und verhindert somit die Annahme von wichtigen Gesprächen. Es ist ebenfalls ein großer Aufwand diese Anrufer wieder los zu werden und sich wieder in seine Arbeit einzufinden. Bei Gewerbetreibenden ist die telefonische Werbung zunächst grundsätzlich verboten gem. § 1 UWG. Allerdings ist auch hier der Einzelfall ausschlaggebend. Grundsätzlich rechnet der Gewerbetreibende eher mit Anrufen Fremder als eine Privatperson, trotz allem wird durch den Anrufer die Zeit des Gewerbetreibenden in Anspruch genommen und die Telefonleitung für Gespräche nach außen belegt. Das Argument des Eindringens in die Privatsphäre des Anrufempfängers scheidet hier aus, da der Gewerbetreibende aufgeschlossener ist gegenüber Telefonanrufen Fremder als ein Privatmann, da sich hinter dem Anruf auch ein neues Geschäft verbergen könne. Ein Telefonanruf ist demnach bei einem tatsächlichen oder bei einem mutmaßlichen Interesse oder Einverständnis des Gewerbetreibenden zulässig. Ein mutmaßliches Interesse liegt dann vor, wenn der Anrufer aufgrund konkreter und tatsächlicher Umstände von einem sachlichen Interesse des Angerufenen ausgehen kann. Ein solches Interesse liegt aber noch nicht vor, wenn ein allgemeiner Sachbezug zwischen der Werbung und dem Geschäftsbetrieb des Angerufenen liegt. Es kommt zusätzlich darauf an, ob die Annahme des Anrufers gerechtfertigt ist, dass der Angerufene seinen Anruf erwartet oder diesem aufgeschlossen gegenübersteht.
Vorab ist zu prüfen:
- ob der Gegenstand des Anrufes einen allgemeinen Sachbezug zum Geschäft des Angerufenen aufweist und
- ob ein konkreter, aus dem Interessensbereich des Angerufenen herzuleitender Grund gegeben ist, gerade telefonisch anstatt schriftlich kontaktiert zu werden Wenn beide Voraussetzungen gleichzeitig vorliegen, besteht ein vermutetes Einverständnis des Angerufenen.
Man kann immer von einem vermuteten Einverständnis ausgehen, wenn der Anrufer und der Angerufene eine Geschäftsbeziehung haben oder eine bestanden hat.
d. Werbung per Telefax:
Das Telefax ist neben der E-Mail das wichtigste Kommunikationsmittel für einen Unternehmer. Auch die Werbung per Telefax ist grundsätzlich wettbewerbswidrig sowohl gegenüber Gewerbetreibenden als auch Privatpersonen, wenn kein ausdrückliches Einverständnis vorliegt. Die Belegung des Telefax-Gerätes stellt eine kostenmäßige Belastung durch das Betreiben des Gerätes, Strom, Toner, Wartung, Ausdruck und Papier dar.
e. Werbung per E-Mail:
Die Werbung per e-Mail ist unzulässig und wettbewerbswidrig. Die Werbung per E-Mail, sog. Spam-Mails stellen eine unzumutbare Belästigung des betreffenden Betriebes dar. Beim Leeren des täglichen Briefkastens entsteht ein erheblicher Aufwand die Spam-Mails von den normalen E-Mails zu trennen, da oftmals nicht aus dem Betreff erkannt werden kann, ob es sich um Werbung handelt oder nicht. Zu viele E-Mails belegen den Account zusätzlich und überlagern den Account in der Weise, dass zusätzliche Mails nicht mehr gespeichert werden können. Eine E-Mail-Werbung gegenüber Gewerbetreibenden ist nur dann zulässig, wenn die E-Mail im Interessensbereich des Empfängers liegt, laufende Geschäftsbeziehungen bestehen und ein Einverständnis des E-Mail-Empfängers vorliegt.
3. Briefkastenwerbung:
Werbewurfsendungen, wie Werbebriefe, Handzettel, Prospekte und ähnliches sind wettbewerbsrechtlich grundsätzlich zulässig. Der Werbecharakter eines solchen Briefes oder Schreibens kann rein Äußerlich erkannt werden und dann direkt weggeschmissen werden. Anders verhält sich die Sachlage bei Werbebriefen, die als Privatbrief gekennzeichnet sind. Die Hinnahme des ersten Briefes ist dem Empfänger noch zuzumuten und muss somit als hinnehmbar eingestuft werden. Ist der Werbende allerdings dazu aufgefordert worden, solche Werbebriefe zu unterlassen, liegt in der erneuten Zusendung solcher Briefe eine widerrechtliche Eigentums- und Besitzverletzung sowie eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Hat sich ein Beworbener mittels einem „Keine Werbung“-Aufkleber an seinem Briefkasten gegen solche Werbesendungen verwehrt, steht ihm, wie im oberen Fall ebenso ein Unterlassungsanspruch zu. Werbebeilagen in Zeitungen stellen keinen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht dar, da man davon ausgehen kann, dass der Käufer bzw. Abonnement mit dem Kauf der Zeitung zum Empfang der Werbung konkludent eingewilligt hat.
4. Koppelungsgeschäfte und Vorspannangebote:
a. Koppelungsgeschäfte:
Ein Koppelungsgeschäft kommt in den Fällen zustande, in denen ein Verkäufer mehrere Waren oder Leistungen zu einem Gesamtpreis anbietet. Hierbei muss zwischen offenen und verdeckten Koppelungen unterschieden werden. Ei einer offenen Koppelung sind die Einzelpreise der Waren getrennt ausgezeichnet und die Waren können auch getrennt erworbene werden. Bei einer verdeckten Koppelung werden die Waren ohne Nennung des Einzelpreises nur zusammen zu einem Gesamtpreis abgegeben. Offene Koppelungen sind nicht wettbewerbswidrig. Bei verdeckten Koppelungen kommt es darauf an, inwiefern der Preisvergleich zu Waren anderer Unternehmen erschwert wird. Die ist vor allem bei branchenverschiedenen Waren (unterschiedliche Art und Beschaffenheit) der Fall, da der Kunde die Preiswürdigkeit der gekoppelten Waren durch einen vergleich mit den Preisen anderer Wettbewerber nicht mehr vergleichen kann.
b. Vorspannangebote:
Vorspannangebote sind Lockangebote besonderer Art. Vorspannangebote sollen den Absatz einer marktüblichen Hauptware dadurch fördern, dass dem Kunden eine sehr preisgünstig erscheinende, meist Branchen oder betriebsfremde Nebenware angeboten wird, die er nur erwerben kann, wenn er auch die Hauptware erwirbt. Eine solche Vorspannware hat meist einen zugabeähnlichen Charakter und überschreitet die Geringwertigkeitsgrenze.
Kontakt: brennecke@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2004
Wir beraten Sie gerne persönlich, telefonisch oder per Mail. Sie können uns Ihr Anliegen samt den relevanten Unterlagen gerne unverbindlich als PDF zumailen, zufaxen oder per Post zusenden. Wir schauen diese durch und setzen uns dann mit Ihnen in Verbindung, um Ihnen ein unverbindliches Angebot für ein Mandat zu unterbreiten. Ein Mandat kommt erst mit schriftlicher Mandatserteilung zustande.
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Über die Autoren:
Harald Brennecke, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz
Rechtsanwalt Harald Brennecke berät und vertritt als Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz bei Verstößen im Bereich des unlauteren Wettbewerbs, sei es im außergerichtlichen Bereich der Abmahnungen und Abschlussschreiben, im Bereich der einstweiligen Verfügungen oder in gerichtlichen Hauptsacheverfahren und wehrt unberechtigte Abmahnungen ab. Er verhandelt Vertragsstrafevereinbarungen zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr zwischen Verletzern und Verletzten.
Er prüft Werbeauftritte und Werbemaßnahmen wie Internetseiten, Onlineshops, Firmenauftritte, Prospekte und AGB auf wettbewerbswidrige Inhalte zur Vermeidung von Abmahnrisiken.
Rechtsanwalt Brennecke berät Unternehmer beim Schutz ihrer Geschäftsgeheimnisse und Kundendaten. Er ist im Bereich der UWG-Straftaten als Srafverteidiger und bei der Ermittlung und Dokumentation von Straftaten und der Erstellung von Strafanzeigen tätig, unter anderem bei Strafbarer Werbung, 16 UWG oder Verrat von Geschäftsgeheimnissen, 17 UWG, wie z.B. die unberechtigte Verwendung von Kundendaten.
Harald Brennecke hat im unter anderem veröffentlicht:
- "Wettbewerbsrecht - Einführung in das Recht des unlauteren Wettbewerbs und das UWG", Harald Brennecke und Florin Brückner, 2010, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-12-0.
- "17 UWG - Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen“, 2015, ISBN 978-3-939384-38-0, Verlag Mittelstand und Recht
- "Urheberrecht - eine Einführung", von Harald Brennecke und Simon Hofmann, 2011, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-23-6
- "Lizenzrecht - eine Einführung. Lizenzarten und Lizenzverträge.“ von Harald Brennecke und Florin Brückner, 2010, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-08-3
- "Markenrecht - eine Einführung Markenformen, Markenschutz und Markenanmeldung ", Harald Brennecke und Florin Brückner, 2010, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-22-9
Weitere Veröffentlichungen von Harald Brennecke sind in Vorbereitung, unter anderem zum Thema
- Recht im Marketing
Harald Brennecke ist Dozent für Wettbewerbsrecht, Urheberrecht und Lizenzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:
- Schutz von Kundenadressen und Geschäftsgeheimnissen – 17 UWG in Theorie und Praxis
- Strategische Ausrichtung von Unternehmen aus wettbewerbsrechticher Sicht
- Markenschutzstrategien als betriebswirtschaftliches Instrument
- Onlineshops rechtssicher gestalten
- Lizenzvertragsgestaltung
- Der Gebrauchtsoftwarekauf
- Vertriebslizenzen in Recht und PraxisK
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Telefon: 0721-20396-28
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