Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruch bei vorheriger Grundstücksübertragung
Nach einer aktuellen Entscheidung des BGH (BGH - Urteil vom 08.03.06) muss der Wert eines dem Erblassers vorbehaltenen Wohnrechts bei der Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs nicht berücksichtigt werden. Kommt es (gemäß § 2325 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BGB) auf den Grundstückswert im Zeitpunkt des Erbfalls an, bleibt der Wert des dem Erblasser bei vorheriger Grundstücksübertragung vorbehaltenen Wohnrechts unberücksichtigt. Im zugrunde liegenden Fall, machte die Klägerin Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen ihre Halbschwester geltend. Die Mutter der Parteien setzte die Beklagte 1993 durch notarielles Testament zur Alleinerbin ein. 1995 übertrug sie der Beklagten mit notariellem Übertragungsvertrag ein Wohnhaus unter Vorbehalt eines unentgeltlichen lebenslangen Wohnungsrechts. Die Schenkung erfolgte als belohnende Zuwendung für die 12-jährige Pflege und Versorgung durch die Beklagte. 1999 verstarb die Mutter. Das Landgericht hat der Klägerin einen Pflichtteil von 21.098,41 € und eine Pflichtteilsergänzung von 72.471,53 € zugesprochen. Etwaige Pflegeleistungen wurden dabei nicht berücksichtigt. Das Berufungsgericht hat den Pflichtteilsanspruch - weil nicht angefochten - in der vom Landgericht zuerkannten Höhe bestätigt und einen Pflichtteilsergänzungsanspruch in Höhe von 70.306,95 € zugesprochen. Die Klägerin legte Revision ein. Sie wollte eine weitere Zahlung von 4.485,36 € erreichen, weil bei der Berechnung der Pflichtteilsergänzung der Wert des vorbehaltenen Wohnungsrechts der Erblasserin nicht habe in Abzug gebracht werden dürfen. Die Revision hatte Erfolg. Sie führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. In ständiger, seit langem gefestigter Rechtsprechung geht der Senat davon aus, dass unter Beachtung des Niederstwertprinzips (vgl. § 2325 Abs. 2 Satz 2 BGB) die Schenkung eines Grundstücks unter Nießbrauchsvorbehalt lediglich in dem Umfang ergänzungspflichtig ist, in dem der Grundstückswert den Wert des dem Erblasser verbliebenen Nießbrauchs übersteigt. Kommt es danach auf den Stichtag der Grundstücksübertragung an, weil der für den Zeitpunkt des Schenkungsvollzuges (zunächst ohne Berücksichtigung des Wohnrechts) ermittelte Wert des Grundstücks unter dessen Wert im Zeitpunkt des Erbfalls liegt, ist der Wert des Wohnungsrechts bei der Ermittlung des ergänzungspflichtigen Schenkungswertes (jetzt) in Abzug zu bringen. Ist dagegen der Grundstückswert im Zeitpunkt des Erbfalls der maßgebliche Wert, kommt ein Abzug nicht mehr in Betracht; in diesem Zeitpunkt ist das Wohnungsrecht nicht mehr werthaltig, es ist erloschen. Bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung im Rahmen der Bewertungsvorschrift des § 2325 Abs. 2 BGB muss der Pflichtteilsberechtigte so stehen, als sei der Gegenstand zur Zeit der dinglichen Vollziehung der Schenkung - als dem maßgeblichen Stichtag - in Geld umgesetzt worden; nur der dabei hypothetisch erzielte Erlös (= Wert) ist dem Nachlass hinzuzurechnen (vgl. § 2325 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BGB). Dass das vorbehaltene Grundstücksrecht zu diesem Zeitpunkt für den Erblasser einen Wert hat und daher den Wert der Schenkung mindert, liegt - vor allem wirtschaftlich betrachtet - ebenso auf der Hand wie der im Falle des Erbfallstichtages gegebene vollständige Wertverlust des Nutzungsrechts mit dem Tod des Erblassers. Dem ist im Rahmen der gesetzlichen Regelung nach den vorgegebenen Bewertungsstichtagen - unbeschadet etwaiger Härten im Einzelfall - Rechnung zu tragen.
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Stand: Dezember 2025
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