Baumängel vor und im Prozess – Teil 12 – Voraussetzungen für einen durchsetzbaren Annahmeanspruch, Abnahmeverlangen, Abnahmeprotokoll

1.3.6. Voraussetzungen für einen durchsetzbaren Abnahmeanspruch

Für einen durchsetzbaren Anspruch der Abnahme seitens des Auftragnehmers ist zunächst die Vollendung der Leistung des Auftragnehmers nötig. Das bedeutet, die bestimmungsgemäße Benutzung des Werkes muss möglich sein. Im nächsten Schritt muss die Bauleistung frei von wesentlichen Mängeln nach § 640 Abs. 1 S. 2 BGB oder § 12 Abs. 3 VOB/B sein. Der Auftragnehmer muss das Werk als vollendet anbieten (gegebenenfalls auch konkludent) und der Auftraggeber muss im Gegenzug die Gelegenheit haben, die Leistung zu überprüfen.

1.3.7. Abnahmeverlangen im Baurecht

Die bedeutendste Abnahmefrist ist die des § 12 Abs. 1 VOB/B. Auf das Abnahmeverlangen des Auftragnehmers muss der Auftraggeber die Abnahme innerhalb von 12 Werktagen durchführen, unter dem Vorbehalt, dass der Bauvertrag keine andere Frist vorsieht. Nach § 640 BGB steht es der Abnahme gleich, wenn der Besteller nicht innerhalb einer vom Auftragnehmer bestimmten, angemessenen Frist abnimmt, obwohl er dazu verpflichtet ist. Dies bedeutet, dass dem Auftraggeber eine Frist zur Abnahme gesetzt wird und bei fruchtlosem Anlauf die Abnahme als erfolgt gelten kann.[1] Nur ein förmliches Abnahmeverlangen kann die Verzugsfolgen auslösen und gewährt dem Auftragnehmer gleichzeitig Schutz vor Forderungen des Auftraggebers. Dieses Abnahmeverlangen ist eine sogenannte empfangsbedürftige Willenserklärung. Demnach müsste die Erklärung (Abnahmeverlangen) mit ausdrücklichem Erklärungsbewusstsein gegenüber dem Auftraggeber erfolgen und diesem nachweisbar zugegangen sein. Erst wenn die Erklärung dem Auftraggeber zugegangen ist, beginnt die Frist zu laufen.[2]

Muster Abnahmeverlangen nach § 640 BGB, § 12 I VOB/B

Musterbetrieb · Musterweg 11 · 12121 Musterhausen
Max Mustermann
Musterstraß 1
11111 Musterstadt

Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit zeigen wir die Fertigstellung des Bauvorhabens _________ Gewerk ________ an und bitten um die Abnahme der

- Gesamtleistung
- Teilleistungen, wie folgt:____ .

Hierzu schlagen wir innerhalb der nächsten 12 Tage folgenden Termin vor:

Termin / angemessene Frist.

Gemäß § 12 I VOB/B (§ 640 I S.1 BGB) ist die Abnahme binnen 12 Tagen durchzuführen, wenn der Aufragnehmer dies nach der Fertigstellung verlangt.

Wir weisen darauf hin, dass der Termin gemäß § 12 Nr.4 Abs. 2 VOB/B (§ 640 Abs. 1 S. 3 BGB) auch ohne Ihre Teilnahme stattfinden kann.

1.3.8. Baurechtliches Abnahmeprotokoll

Über jede Abnahme sollte ein Abnahmeprotokoll ausgearbeitet und darin die Hauptelemente der Abnahme detailliert aufgeführt werden.

Darauf zu achten ist auch, dass das Abnahmeprotokoll von allen Beteiligten unterzeichnet werden muss. Denn nur so lassen sich eventuell später auftretende Mängelrügen, Vertragsstrafenvorbehalte, Abnahmeverweigerung und Beginn der Mängelgewährleistungspflicht angemessen belegen.

Hinweise zu Fehlern bei der Abnahme:

  1. Abnahme ohne Sachverständigen
  2. insbesondere wenn nicht mit einem eigenen Architekten, sondern mit einem Bauträger oder Fertighausunternehmen gebaut wurde, sollte die Abnahme mit einem Sachverständigen, welcher die entsprechende Sachkompetenz besitzt, durchgeführt werden.
  3. Fehlende Dokumentation im Protokoll
  4. Alle noch so zweifelhaften Mängel oder Unklarheiten müssen im Protokoll festgehalten werden, um später diese „reklamieren“ zu können.
  5. Keine Vorbehalte dokumentiert
  6. Das unterzeichnete Abnahmeprotokoll stellt eine Rechtshandlung dar, die Rechtsfolgen –wie Geltendmachung der Vertragsstrafe- eintreten lassen kann.
  7. Zwischenabnahmen
  8. So genannte „Teil- oder Zwischenabnahmen“ sind möglich, jedoch nicht ratsam. Mit Zeitpunkt der jeweiligen Abnahme beginnt entsprechend die dazugehörige Gewährleistungsfrist.

Muster Abnahmeprotokoll:

Abnahmeprotokoll

Bauherr
Architekt
Auftragnehmer
weitere
Bauvorhaben
Gewerk
Bauvertrag vom
Nachtragsvereinbarungen vom
Leistungsverzeichnis

Tag der Abnahme
Teilnehmer

1. Vorbemerkung

Dieses Protokoll als rechtsverbindliche Abnahme ersetzt keine baubehördliche oder anderweitige erforderliche Abnahme verwaltungstechnischer Art.

2. Zeitplan

Die Leistung des Bauvorhabens war entsprechend dem vorliegenden Bauvertrag von _____ bis _____ zu erbringen. Mit der Bauleistung wurde begonnen: ______. Die Bauleistung wurde beendet: _______.

3. Abnahme

3.1. Die Abnahme durch den Bauherrn ist erfolgt:

ja
nein

3.2. Die Abnahme beschränkt sich auf folgende Teilleistungen:

4. Mängel

- Die festgestellten Mängel lauten: ________
- Beseitigung der Mängel erfolgen bis zum: ________

Bei fruchtlosem Verstreichen der vorgenannten Frist, ist der Auftragnehmer berechtigt, die Mängelbeseitigung auf Kosten des Auftraggebers vorzunehmen oder durch Dritte vornehmen zu lassen.

5. Gewährleistung

Die Gewährleistung beginnt am _______ und endet am _________.

6. Vorbehalte

Der Auftraggeber behält sich die Geltendmachung der laut Bauvertrag vereinbarten Vertragsstrafe vor.

7. Unterlagen

Folgende Unterlagen wurden dem Bauherren übergeben: ________.

8. Ergänzungen / Sonstiges

9. Unterschriften


[1] Steiger/Schill, Bauabwicklung nach BGB und VOB, S. 240.

[2] Büchs, Das VOB-Baustellenhandbuch, Abschnitt 6, Abnahme nach Verlangen.

Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Baumängel vor und im Prozess“ von Olaf Bühler, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, und Babett Stoye LL.B., erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-67-0.


 

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Stand: Januar 2017


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