Die Europäische Aktiengesellschaft (SE) als Rechtsform für mittelständische Unternehmen – Teil 24 – Inhalt der Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer, Gesetzliche Auffangregelung

7.3 Inhalt der Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer

Die inhaltliche Ausgestaltung der Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer unterliegt weitegehend dem Ermessen der Parteien. Sowohl hinsichtlich der Vereinbarung über die betriebliche Mitbestimmung, d.h. die Vertretung der Interessen der Arbeitnehmer auf Betriebsebene, als auch hinsichtlich der unternehmerischen Mitbestimmung, d.h. die Mitwirkung der Arbeitnehmer bzw. Arbeitnehmervertreter an Entscheidungen im Aufsichts- bzw. Verwaltungsorgan, sind zwingende gesetzliche Regelungen vorgeschrieben.

Hinsichtlich der betrieblichen Mitbestimmung muss die Vereinbarung mindestens folgende Bestimmungen gem. § 21 I SEBG enthalten:

  • Geltungsbereich der Vereinbarung
  • die Zusammensetzung des SE-Betriebsrats, die Anzahl seiner Mitglieder und Sitzverteilung, einschl. der Auswirkungen wesentlicher Änderungen der Zahl der in der SE beschäftigten Arbeitnehmer
  • Befugnis und Verfahren zur Unterrichtung und Anhörung des SE-Betriebsrats
  • die Häufigkeiten der Sitzungen des Betriebsrates
  • die für den SE-Betriebsrat bereitzustellenden finanziellen und materiellen Mittel
  • Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vereinbarung und die Laufzeit

Für den Fall, dass ebenso Regelungen über die unternehmerische Mitbestimmung, d.h. die Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Aufsichts- bzw. Verwaltungsorgan aufzunehmen sind, soll die Vereinbarung gem. § 21 III SEB mindestens folgende Punkte regeln:

  • die Zahl der Mitglieder des Aufsichts- oder Verwaltungsorgans der SE, welche die Arbeitnehmer wählen oder bestellen können oder deren Bestellung sie empfehlen oder ablehnen können
  • das Verfahren, nach dem die Arbeitnehmer diese Mitglieder wählen oder bestellen können
  • die Rechte der Arbeitnehmervertreter in dem Aufsichts- oder Verwaltungsorgan

7.4 Gesetzliche Auffangregelung

Sowohl für die betriebliche Mitbestimmung als auch für die unternehmerische Mitbestimmung greifen im Falle des Scheiterns der Verhandlungen gesetzliche Auffangregelungen.

Die Auffangregelung über den SE-Betriebsrat im Rahmen der betrieblichen Mitbestimmung ist anwendbar, wenn

  • die Parteien dies explizit vereinbaren oder
  • bis zum Ende des für die Verhandlungen vorgesehenen Zeitraums gem. § 20 SEBG keine Vereinbarung zwischen den Leitungen und dem besonderen Verhandlungsgremium zustande gekommen ist oder
  • bei Neuverhandlungen i.S.d. § 18 III 1 SEBG keine Einigung erzielt wurde.

Um einen SE-Betriebsrat zu gründen, bedarf es somit einer Vereinbarung zwischen der Leitung und dem besonderen Verhandlungsgremium oder den Ablauf der Frist für die Durchführung der Verhandlungen.

7.4.1 Der SE-Betriebsrat

Der SE-Betriebsrat setzt sich aus Arbeitnehmervertretern der SE, ihrer Tochtergesellschaften und Betriebe zusammen und ist für diejenigen Angelegenheiten zuständig, die die SE, ihre Tochtergesellschaften oder Betriebe betreffen. Der SE-Betriebsrat tritt einmal jährlich mit der Unternehmensleitung zusammen. Die Unternehmensleitung hat den Betriebsrat über die Entwicklung der SE zu unterrichten und anzuhören. Er ist Bindeglied zwischen der Unternehmensleitung und den nationalen Arbeitnehmervertretungen.[1] Ferner ist der SE-Betriebsrat verpflichtet, sowohl die Arbeitnehmervertretungen der SE, den Tochtergesellschaften und Betrieben über die Ergebnisse der Unterrichtung zu informieren.

7.4.2 Mitbestimmung im Aufsichts- und Verwaltungsorgan

Für die Anwendung der gesetzlichen Auffangregelung über die Arbeitnehmermitbestimmung, d.h. die Mitwirkung der Arbeitnehmer bzw. Arbeitnehmervertreter an Entscheidungen im Aufsichts- bzw. Verwaltungsorgan müssen zunächst gem. §§ 22 I, 34 I SEBG die gleichen Voraussetzungen erfüllt sein wie für die Anwendbarkeit der Auffangregelung für den SE-Betriebsrat.

Darüber hinaus sind weitere Voraussetzungen, die je nach Gründungsform variieren, zu erfüllen:

  • Bei der Gründung einer SE durch Umwandlung bleiben alle vor der Umwandlung bestehenden Mitbestimmungsrechte bestehen.
  • Bei Gründung einer SE durch Verschmelzung finden die Vorschriften der Arbeitnehmermitbestimmung nur dann Anwendung, wenn vor der Eintragung der SE Mitbestimmungsrechte bestanden, die sich auf mindestens 25 % der gesamten Arbeitnehmer erstreckten oder weniger als 25 % der gesamten Arbeitnehmer erstreckten und das besondere Verhandlungsgremium einen entsprechenden Entschluss fasste.
  • Bei Gründung einer Holding-SE oder einer Tochtergesellschaft finden die Vorschriften der Arbeitnehmermitbestimmung nur dann Anwendung, wenn vor der Eintragung der SE Mitbestimmungsrechte bestanden, die sich auf mindestens 50 % der gesamten Arbeitnehmer erstreckten oder weniger als 50 % der gesamten Arbeitnehmer erstreckten und das besondere Verhandlungsgremium einen entsprechenden Entschluss fasste.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Europäische Aktiengesellschaft (SE) als Rechtsform für mittelständische Unternehmen“ von Harald Brennecke, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, und Sarah Schwab, Wirtschaftsjuristin LL.M., mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-60-1.


 

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Stand: Januar 2017


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Über die Autoren:

Harald Brennecke, Rechtsanwalt

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Rechtsanwalt Harald Brennecke ist Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Fachanwalt für Insolvenzrecht.

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  • Firmenkäufen
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  • Geschäftsführerverträgen
  • Sanierung, Insolvenzvermeidung und Insolvenzbegleitung:
    Harald Brennecke ist seit 1999 im Bereich der Unternehmenssanierung tätig. Als Fachanwalt für Insolvenzrecht berät und begleitet er Sanierungen und betreut Geschäftsführer und Gesellschafter bei Firmeninsolvenzen. Er unterstützt Geschäftsführer in der Unternehmenskrise hinsichtlich der für sie bestehenden Haftungsrisiken sowie Gesellschafter im Interesse der Wahrung der Unternehmenswerte. Er unterstützt bei der Suche nach Investoren und Wagniskapitalgebern (venture capital), begleitet Verhandlungen und erstellt Investorenverträge.


Rechtsanwalt Harald Brennecke hat im Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht veröffentlicht:

  • "Das Recht der GmbH", Verlag Mittelstand und Recht, 2015, ISBN 978-3-939384-33-5
  • "Der Gesellschaftsvertrag der GmbH - Die GmbH-Satzung in Theorie und Praxis", 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-40-3
  • "Der Unternehmenskauf -  Rechtliche Risiken bei Kauf und Verkauf mittelständischer Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-18-2
  • "Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-29-8
  • "Gesellschaftsrecht in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-26-7
  • "Die Limited in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-34-2
  • "Der Insolvenzplan – Sanierungsinstrument in der Insolvenz", 2007, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-03-8
  • "Die Regelinsolvenz - Insolvenz für Unternehmer und Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-07-6
  • "Gesellschafterinteressen in der Publikums-KG: Auskunftsrechte der Kommanditisten einer Publikums-KG gegen Treuhänder“, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-28-1
  • "Die Gesellschafterversammlung: Ein Leitfaden", Harald Brennecke und Dipl.-Jur. Marc Schieren, M. L. E., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-50-2
  • "Arztpraxis – Kauf und Übergang", Harald Brennecke und Michael Kaiser, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-54-0

Folgende Veröffentlichungen von Rechtsanwalt Brennecke sind in Vorbereitung:

  • Die Due Diligence – Rechtliche Prüfung beim Unternehmenskauf
  • Die Liquidation der Kapitalgesellschaft
  • Die Unternehmergesellschaft (UG)

Harald Brennecke ist Dozent für Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht im DeutscherAnwaltVerein.  
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

  • Gesellschaftsrecht für Steuerberater und Unternehmensberater – Grundlagen des Gesellschaftsrechts
  • Gesellschaftsvertragsgestaltung – Grundlagen und Risiken
  • Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) – kleine Chance, großes Risiko
  • Welche Gesellschaftsform ist die Richtige? Vor- und Nachteile der Rechtsformen für Unternehmer
  • Geschäftsführerhaftung – Geschäftsführung von Kapitalgesellschaften; das letzte große Abenteuer der westlichen Zivilisation
  • Insolvenzrecht für Gründer und lebende Unternehmen: Aus Insolvenzen anderer lernen heißt das eigene Insolvenzrisiko zu vermeiden
  • Unternehmenssanierung: Kopf aus dem Sand! Wer zu spät reagiert, reagiert nie wieder.
  • Insolvenzrecht für Steuerberater – Grundlagen des Insolvenzrechts für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer
  • Insolvenzrecht für Unternehmensberater – Sanierungschancen erkennen und wahren
  • Insolvenzberatung: das (enorme) Haftungsrisiko des Sanierungsberaters

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