Die Betriebsvereinbarung – Das Regelungsinstrument der Betriebspartner – Teil 01 – Was ist eine Betriebsvereinbarung?

1. Was ist eine Betriebsvereinbarung?

Für die gemeinsame Aufstellung und Gestaltung betrieblicher Regelungen durch den Arbeitgeber und den Betriebsrat sieht der Gesetzgeber in § 77 BetrVG ein bestimmtes Regelungsinstrument vor - die Betriebsvereinbarung.

1.1. Begriffserklärung

Bei der Betriebsvereinbarung handelt es sich um einen sogenannten Normenvertrag, welcher schriftlich abgeschlossen wird. Ähnlich eines Gesetzes stellt sie Normen auf, welche für die Belegschaft des Betriebes einerseits, und den Arbeitgeber andererseits verbindlich sind. Hierdurch wird auf die einzelnen Arbeitsverhältnisse der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer Einfluss genommen. Darüber hinaus kann die Betriebsvereinbarung auch Bestimmungen zu den Rechten und Pflichten der sogenannten Betriebspartner, also zu denen des Arbeitgebers und des Betriebsrats, enthalten.

1.2. Rechtswirkung

Hinsichtlich der Rechtswirkung von Betriebsvereinbarungen muss zwischen der normativen und der schuldrechtlichen Wirkung unterschieden werden.

1.2.1. Normativ

§ 77 Abs. 4 S. 1 BetrVG legt die unmittelbare und zwingende Geltung von Betriebsvereinbarungen fest. Man spricht hier von der sogenannten normativen Rechtswirkung auf das Arbeitsverhältnis.

Unmittelbar heißt, dass Regelungen der Betriebsvereinbarung sofort und ohne Weiteres, d.h. ohne gesonderte Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und dem einzelnen Arbeitnehmer, für die einzelnen Arbeitsverhältnisse und damit für alle im Betrieb tätigen Arbeitnehmer gelten. Deren Zustimmung ist nicht erforderlich.

Zwingend bedeutet, dass von den Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung nicht durch eine anderslautende vertragliche Abmachung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer abgewichen werden darf. Möglich bleibt dies jedoch dann, wenn die arbeitsvertragliche Abrede für den Arbeitnehmer günstiger ist als die Regelung der Betriebsvereinbarung (--> 6.3.1., sog. Günstigkeitsregelung).

1.2.2. Schuldrechtlich

Die Betriebsvereinbarung begründet auch im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat Rechte und Pflichten, welche die Betriebspartner untereinander haben. Dies ist die sogenannte schuldrechtliche Wirkung und hat zur Folge, dass ausschließlich die vertragsschließenden Parteien diese Rechte und Pflichten geltend machen können. So hat z.B. nur der Betriebsrat einen Anspruch auf die Durchführung der Betriebsvereinbarung durch den Arbeitgeber (--> 3.1.1.).

1.3. Wesentliche Elemente einer Betriebsvereinbarung

Aus den zwei unterschiedlichen Rechtswirkungen einer Betriebsvereinbarung ergeben sich auch deren wesentliche Elemente. Dies sind zum einen Regelungen mit Normcharakter und zum anderen schuldrechtliche Abreden, welche lediglich die Betriebspartner gegenseitig berechtigen und verpflichten.

1.3.1. Individualnormen

Eine Betriebsvereinbarung kann Regelungen in Form von Individualnormen beinhalten. Dies sind Rechtsnormen, die sich unmittelbar auf die Arbeitsverhältnisse auswirken und sich auf deren Abschluss, Inhalt oder Beendigung beziehen. Zu beachten ist aber, dass es nicht möglich ist, ein Arbeitsverhältnis durch eine Betriebsvereinbarung zu begründen oder zu beenden.[1] Individualnormen sind insbesondere Regelungen zu Themen wie Arbeitsentgelt, oder Arbeitszeit sowie solche in Gestalt von Auswahlrichtlinien nach § 95 BetrVG.

1.3.2. Betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Normen

Des Weiteren werden in Betriebsvereinbarungen oftmals auch Normen zu betrieblichen Fragen festgelegt. Solche betrieblichen Normen betreffen das Arbeitsverhältnis des einzelnen Arbeitnehmers nicht direkt, da sie sich an die Belegschaft des Betriebes als Ganzes richten. Typische betriebliche Normen sind bspw. Regelungen zu Torkontrollen, Kleiderordnungen oder Rauchverboten.

Ferner können auch sogenannte betriebsverfassungsrechtliche Normen Bestandteil von Betriebsvereinbarungen sein. Diese betreffen die Rechte und Pflichten der Betriebspartner als solche. In Betracht kommen hier unter anderem Regelungen zur Freistellung von Betriebsratsmitgliedern (§ 38 Abs. 1 S. 3 BetrVG) sowie zur Errichtung einer ständigen Einigungsstelle (§ 76 Abs. 1 S. 2 BetrVG).

1.3.3. Schuldrechtliche Abreden

Schließlich können sich die Betriebspartner auch gegenseitig Verpflichtungen auferlegen oder Rechte einräumen. Hierbei spricht man von schuldrechtlichen Abreden, welche eine entsprechende Rechtswirkung nur zwischen den Betriebspartnern haben. Die von der Betriebsvereinbarung betroffenen Arbeitnehmer können sich auf eine derartige Abrede nicht berufen (--> 1.2.2.).

Beispiel
Die Betriebspartner schließen eine Betriebsvereinbarung zur Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze ab. Abschließend wird noch festgelegt, dass für die Kündigung der Vereinbarung eine beiderseitige, verkürzte Frist von einem Monat gelten soll.

o Grundsätzlich gilt für Betriebsvereinbarungen eine Kündigungsfrist von drei Monaten (§ 77 Abs. 5 BetrVG). Im vorliegenden Fall haben sich die Betriebspartner aber auf eine zulässige Verkürzung dieser Frist geeinigt. Es handelt sich hierbei um eine schuldrechtliche Abrede, die lediglich den Arbeitgeber und den Betriebsrat berechtigt bzw. verpflichtet. Die von der Betriebsvereinbarung betroffenen Arbeitnehmer haben demnach keinen Anspruch auf die Einhaltung dieser Kündigungsfrist.

1.4. Unterschied zur Regelungsabrede

Neben der Betriebsvereinbarung gibt es noch ein weiteres Regelungsinstrument der Betriebsverfassung. Hierbei handelt es sich um die Regelungsabrede, die oftmals auch Betriebsabsprache genannt wird. Auch sie ist ein Vertrag, welcher zwischen den Betriebspartnern abgeschlossen wird.

Im Gegensatz zur Betriebsvereinbarung entfaltet die Regelungsabrede keine normative Wirkung auf das Arbeitsverhältnis (--> 1.2.1.). Sie gilt vielmehr ausschließlich zwischen den Betriebspartnern, entfaltet daher lediglich schuldrechtliche Wirkung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat (--> 1.2.2.). Ein weiterer Unterschied zur Betriebsvereinbarung ist, dass die Regelungsabrede nicht schriftlich abgeschlossen werden muss (--> 2.1.3.), aber natürlich kann. Auf der Grundlage einer Regelungsabrede können sich die Betriebspartner verpflichten, eine bestimmte Handlung vorzunehmen oder zu unterlassen.

Beispiel
Der Arbeitgeber sagt dem Betriebsrat mündlich zu, dass er ihm künftig bestimmte Räumlichkeiten für die Betriebsratsarbeit zur Verfügung stellt.

  • Die Betriebspartner haben eine formlose Regelungsabrede abgeschlossen. Auf ihrer Grundlage kann nur der Betriebsrat die Bereitstellung der Räumlichkeiten verlangen.


[1] BAG 02.10.1974, AP BGB § 613a Nr. 1.

Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Betriebsvereinbarung – Das Regelungsinstrument der Betriebspartner“ von Tilo Schindele, Rechtsanwalt, und Alexander Geier, Wirtschaftsjurist LL.B., erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-70-0.


 

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Stand: Januar 2017


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Normen: § 77 BetrVG

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