Die strafbefreiende Selbstanzeige – Teil 19 – Voraussetzungen der Fremdanzeige nach § 371 Abs. 4 AO
Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter
6.1 Voraussetzungen der Fremdanzeige nach § 371 Abs. 4 AO
Für eine wirksame Fremdanzeige müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein.
6.1.1 Inhalt der Fremdanzeige
Eine Fremdanzeige erfordert die Mitteilung, dass
- eine Erklärung unrichtig oder unvollständig ist und
- es dadurch zu einer Verkürzung von Steuern kommen kann oder bereits gekommen ist oder
- eine durch Steuerzeichen oder Steuerstempler zu entrichtende Steuer nicht in der richtigen Höhe entrichtet wurde.
Die Vorschrift des § 371 Abs. 4 AO steht damit in einem unmittelbaren und untrennbaren Zusammenhang mit der sich aus § 153 AO ergebenden Berichtigungspflicht.
§ 153 AO sieht in seinen drei Absätzen folgende Erklärungspflichten vor:
- § 153 Abs. 1 S. 1 AO: Pflicht zur Berichtigung fehlerhafter Erklärungen für den Steuerpflichtige selbst
- § 153 Abs. 1 S. 2 AO: Pflicht zur Berichtigung fehlerhafter Erklärungen für den Gesamtrechtsnachfolger des Steuerpflichtigen und für die nach §§ 34, 35 AO für den Steuerpflichtigem handelnden Personen
- § 153 Abs. 2 AO: Pflicht zur Meldung nachträglich eingetretener Veränderungen von Tatsachen bei Steuervergünstigungen
- § 153 Abs. 3 AO: Anzeigepflicht für den besonderen Fall der zweckwidrigen Verwendung von Sachen, die einer Verbrauchsteuer unterliegen
Die Pflicht zur Berichtigung nach § 153 AO setzt voraus, dass der Stpfl. die Unrichtigkeit und Unvollständigkeit der Erklärung tatsächlich nachträglich, d.h. nach der Abgabe der Steuererklärung, erkennt. Überdies muss er erkannt haben, dass eine bedingte Steuerverkürzung bereits eingetreten ist oder dass es zu einer Verkürzung von Steuern kommen kann (§ 153 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO).
Nach § 371 Abs. 4 AO muss die in § 153 AO vorgesehene Anzeige rechtzeitig und ordnungsgemäß erfolgen. § 371 Abs. 4 AO besagt, dass wenn die in § 153 vorgesehene Anzeige rechtzeitig und ordnungsmäßig erstattet wird, wird ein Dritter, der die in § 153 bezeichneten Erklärungen abzugeben unterlassen oder unrichtig oder unvollständig abgegeben hat, strafrechtlich nicht verfolgt wird, es sei denn, dass ihm oder seinem Vertreter vorher die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen der Tat bekannt gegeben worden ist.
6.1.2 Personenkreis
Bei der Fremdanzeige nach § 371 Abs. 4 AO ist der Anzeigenerstatter der Anzeigepflichtige i.S.d. § 153 AO.
Nach § 153 Abs. 1 AO ist mithin anzeigepflichtig
- der Stpfl. (§ 153 Abs. 1 S. 1 AO i.V.m. § 33 AO)
- sein Gesamtrechtsnachfolger (§ 153 Abs. 1 S. 2 AO i.V.m. § 45 AO) und
- die nach §§ 34, 35 AO für den Steuerpflichtigen oder seinen Gesamtrechtsnachfolger handelnden Personen (§ 153 Abs. 1 S. 2 AO).
6.1.3 Rechtzeitige Anzeige
Die Anzeige ist rechtzeitig erstattet, wenn sie unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, erstattet worden ist. Maßgebend ist der Zeitpunkt, in dem der Anzeigepflichtige positiv erkannt hat, dass der ursprüngliche Steuerpflichtige keine oder unvollständige oder unrichtige Erklärungen abgegeben oder durch Steuerzeichen oder Steuerstempler einen zu niedrigen Steuerbetrag entrichtet hat. Fahrlässiges Nichterkennen oder bloße Zweifel genügen nicht. Ein schuldhaftes Zögern liegt nicht vor, wenn der Steuerpflichtige sich vor Abgabe der Anzeige sachkundigen Rat zu der Frage einholen will, ob ihm gegebenenfalls der Vorwurf vorsätzlichen Verhaltens gemacht werden könnte und mithin mehr als die Anzeige einer unrichtigen Steuererklärung, nämlich einer strafbefreienden Selbstanzeige im Sinne des § 371 Abs. 1 AO nötig ist.
6.1.4 Ordnungsgemäße Anzeige
Die Anzeige ist ordnungsgemäß abgegeben, wenn der Anzeigenerstatter sich mit der Anzeige an eine Finanzbehörde wendet, die er nach den gegebenen Umständen für zuständig halten kann. Dabei bedarf die Anzeige keiner besonderen Form, sie kann ferner mündlich als auch schriftlich erfolgen.
6.1.5 Inhalt der Anzeige
Aus dem Begriff „ordnungsgemäß“ lässt sich nicht herleiten, dass die Anzeige dem Inhalt nach einer strafbefreienden Selbstanzeige im Sinne des § 371 Abs. 1-3 AO entsprechen muss. Ausreichend soll sein, wenn die Angabe der Unrichtigkeit bzw. Unvollständigkeit der steuerlichen Erklärung nach dem Kenntnisstand des Anzeigenden erfolgt und die Finanzbehörde in die Lage versetz wird, nähere Nachforschungen anstellen zu können.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die strafbefreiende Selbstanzeige“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Steuerrecht, Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Jens Bierstedt LL.M., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-47-2.

Weiterlesen:
zum vorhergehenden Teil des Buches
zum folgenden Teil des Buches
Links zu allen Beiträgen der Serie Buch - Strafbefreiende Selbstanzeige
Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter
Stand: Januar 2016