Die strafbefreiende Selbstanzeige – Teil 14 – Identifizierung des Täters und Person des Entdeckers (§ 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO)
Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter
5.6.1.4 Identifizierung des Täters
Nach dem BGH(Fußnote) ist nicht erforderlich, dass die Person des Täters entdeckt sein muss, da das Gesetz bereits dem Wortlaut nach auf die Tat abstellt.
Beispiel
Die Mutter M der Steuerpflichtigen A hat Kapitalvermögen auf einem Konto in Österreich angelegt. M verwaltet das Vermögen treuhänderisch für A. Die Steuerfahndung hegt lediglich gegen M den Verdacht, die Zinseinnahmen aus dem im Ausland belegenden Kapitalvermögen nicht versteuert zu haben. A erstattet Selbstanzeige.
- Die Steuerhinterziehung der A war noch nicht entdeckt, die strafbefreiende Selbstanzeige der A mithin nicht nach § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO gesperrt.
5.6.1.5 Person des Entdeckers
Die Vorschrift des § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO macht keine Aussage darüber, wer mit Entdecker gemeint ist. Nach herrschender Meinung im Schrifttum und der Rechtsprechung kommt daher jedermann als Entdecker in Betracht, wie z.B.
- Amtsträger einer in- oder ausländischen Behörde
- Staatsanwaltschaft
- Polizei
- Gerichte (s. § 116 AO; §§ 160, 163 StPO) oder
- Privatpersonen.
Bei Privatpersonen wird zunächst darauf abgestellt, ob der Betreffende das Verhalten des Steuerpflichtigen seinem Sinngehalt nach erfasst hat. Ist dies der Fall, so kommt es darauf an, ob der Tatentdecker dem Steuerpflichtigen nahe steht. Bei nahestehenden Personen wird vermutet, dass diese ihre Kenntnisse nicht an die zuständige Behörde weiterleiten. Nahestehende Personen sind Verwandte, aber auch Mitgesellschafter oder sonstige Bevollmächtigte des Steuerpflichtigen, insbesondere soweit letztere gerade tätig werden, um die Selbstanzeige zu erstatten. Tatbeteiligte werden die Tat regelmäßig nicht offenbaren wollen, sodass diese als Tatentdecker ausscheiden. Ebenfalls nicht in Betracht kommen für den Steuerpflichtigen tätige Rechtsanwälte und Steuerberater, da sie der Schweigepflicht unterliegen. Durch diese zahlreichen Ausnahmen ist die Tatentdeckung durch Privatpersonen praktisch kaum relevant, da die Ermittlungsbehörde die Entdeckung durch eine solche Person beweisen muss.(Fußnote)
In erster Linie sind geeignete Entdecker die Amtsträger der Finanzbehörde. Zum Begriff der Finanzbehörde ist § 6 Abs. 2 AO heranzuziehen. Der Amtsträger kann insbesondere der Veranlagungsstelle als auch der Steuer- oder Zollfahndung angehören.
Beispiel
Der Steuerpflichtige A hat in der Zeit vom 31.3.2014 bis zum 15.2.2015 falsche Umsatz-, Einkommens- und Gewerbesteuererklärungen abgegeben. Die Schweizer Polizei hat auf Grund eines Durchsuchungsbeschlusses des Amtsgerichts K am 16.4.2015 bei der Firma C in Basel Kontoauszüge, Rechnungskopien und andere Unterlagen über die Geschäftsbeziehungen dieser Firma zu A beschlagnahmt.
A erstattet am 18.4.2015 eine Selbstanzeige beim Finanzamt T, in der er die unrichtige Verbuchung privater Feingoldeinkäufe für die Jahre 2014 und 2015 einräumt.
- Das Auffinden der Unterlagen in Basel ist nicht geeignet, um eine Tat als entdeckt anzusehen, weil gewisse Prüfungsschritte schon begonnen haben müssen, um eine Tat zu mindestens ansatzweise als entdeckt anzusehen. Daher ist die Selbstanzeige des A wirksam.
Beispiel
Der Unternehmer A stellt für die Buchhaltung und die Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen zum 1.1.2009 den Buchhalter B ein. Dieser stellt fest, dass in den Jahren 2006 bis 2008 regelmäßig unrichtige Umsatzsteuervoranmeldungen und unrichtige Umsatzsteuerjahreserklärungen abgegeben wurden. B unterrichtet A hierüber und versichert ihm, Stillschweigen zu bewahren. Am 28.2.2010 kündigt A dem B fristlos ohne Angaben von Gründen.
B ist über die Ungerechtigkeit derart verärgert, dass er dem A mitteilt, ihn beim Finanzamt wegen der Steuerhinterziehung der Jahre 2006 bis 2008 anzuzeigen. A erstattet beim Finanzamt eine Selbstanzeige.
- Die Tat des A ist noch nicht entdeckt, die strafbefreiende Selbstanzeige mithin nicht nach § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO gesperrt. Die Entdeckung der Tat beruht nicht auf den in § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO aufgeführten Tatsachen. Denn entschließt sich die Vertrauensperson nach Wegfall der Vertrauensgrundlage zu einem späteren Zeitpunkt zur Erstattung einer Selbstanzeige, beruht die Gefahr der Verfolgung dann nicht mehr auf der Entdeckung, sondern auf persönlichen Motiven, die rechtlich irrelevant sind. Diese Sinnesänderung hat für den Täter nicht den Verlust des Selbstanzeigerechts zur Folge.(Fußnote) Daher ist die Selbstanzeige des A wirksam erstattet.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die strafbefreiende Selbstanzeige“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Steuerrecht, Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Jens Bierstedt LL.M., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-47-2.

Weiterlesen:
zum vorhergehenden Teil des Buches
zum folgenden Teil des Buches
Links zu allen Beiträgen der Serie Buch - Strafbefreiende Selbstanzeige
Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter
Stand: Januar 2016