Bankvertragsrecht – Teil 05 – Oder-Konto und Treuhandkonto

Oder-Konto und Treuhandkonto

Wie beim Und-Konto gibt es beim Oder-Konto mehrere Kontoinhaber. Anders als beim Und-Konto sind beim Oder-Konto alle Kontoinhaber alleine berechtigt, das Konto zu belasten. Das kann insbesondere dann wichtig sein, wenn durch Abwesenheit, Krankheit oder Geschäftsundfähigkeit oder gar Tod eines Kontoinhabers, dieser Inhaber faktisch nicht mehr über das Guthaben verfügen kann.

In Oder-Konto-Verträgen wird in aller Regel vertraglich festgelegt, dass die Bank jeden Kontoinhaber in Anspruch nehmen kann, wenn ein debitorischer Kontostand entsteht. Es entsteht somit eine Gesamtschuld der Kontoinhaber.
Weil jeder Kontoinhaber das Konto eigenmächtig belasten kann und somit grundsätzlich den anderen Kontoinhaber mit in die Haftung ziehen kann, ist in Oder-Konten geregelt, dass jeder Inhaber das Konto nur „vorübergehend und im banküblichen Rahmen“ überziehen kann. Eine weitergehende Bevollmächtigung der Inhaber zur Kontoüberziehung ist unwirksam.

Beispiel

Herr Zimmer und Frau Fall leben zusammen und haben bei der F-Bank ein Oder-Konto eingerichtet. Sowohl Herr Zimmer als auch Frau Fall können das Konto verpflichten und Überweisungen bzw. Einziehungsermächtigungen tätigen. Überzieht Herr Zimmer das Konto um 100 EUR, weil er mehrere Rechnungen für Handwerkerleistungen begleicht, die er in Auftrag gegeben hat, haftet Frau Fall mit ihm gemeinsam auf den Überziehungsbetrag von 100 EUR. Die Bank kann beide in Anspruch nehmen.

Kauft Herr Zimmer allerdings ein neues Auto und will dafür das Konto mit 40.000 EUR überziehen, darf die Bank diesen Überweisungsauftrag nicht durchführen, weil er das Konto nicht nur vorübergehend und im banküblichen Rahmen belastet.

2.2.4. Treuhandkonto

Als Treuhandkonten werden Konten bezeichnet, die ausschließlich für Gelder bestimmt sind, die dem Kontoinhaber von einer dritten Person anvertraut worden sind. Der Kontoinhaber soll die anvertrauten Geldbeträge für den Treugeber treuhänderisch im eigenen Namen verwalten. Dabei sind der Treugeber und der Treuhänder durch einen Treuhandvertrag verbunden, der den Treuhänder insbesondere zum sorgsamen Umgang mit dem ihm anvertrauten Geld verpflichtet. Das Treuhandverhältnis besteht also nicht zu der Bank, bei der das Konto gegründet wurde, sondern zwischen Kontoinhaber als Treuhänder und dem Dritten als Treugeber. Das auf das Konto gebuchte Geld ist somit wirtschaftlich gesehen nicht das Geld des Treuhänders sondern das eines Dritten. Der Treuhänder ist aber alleinig verfügungsberechtigt. Sinn des Treuhandkontos ist oft, dass beim Kauf von hochpreisigen Waren der Verkäufer die Sicherheit erhält, den Kaufpreis vollständig zu erlangen, der Käufer aber nicht das Risiko trägt, zu bezahlen, ohne dann die Ware zu erhalten.

Beispiel

Herr Mayer hat eine Immobilie im Wert von 300.000 EUR gekauft. Damit er den Eigentumserwerb abschließen kann, muss der Verkäufer Herrn Mayer im Grundbuch eintragen lassen. Herr Mayer hat aber Sorge, dem Verkäufer das Geld zu geben, bevor die Grundbucheintragung abgeschlossen ist. Der Verkäufer hingegen hat Sorge, dass er den Kaufbetrag nicht erhält aber seine Immobilie vollständig verliert, wenn er vor Erhalt der Kaufsumme die Übertragung vornehmen lässt. Keiner will also den „ersten Schritt“ machen.
Man einigt sich darauf, das Geld auf ein Treuhandkonto einzubezahlen. Treuhänder wird Notar Dr. Müller. Herr Mayer zahlt das Geld auf das Treuhandkonto ein und verliert die Verfügungsbefugnis. Der Verkäufer veranlasst die Grunbducheintragung. Sobald die Eintragung erfolgt ist, wird Dr. Müller das Geld an den Verkäufer weiterleiten. Herr Mayer läuft somit nicht Gefahr, dass er das Geld bezahlt, ohne die Immobilie zu erhalten. Gleichzeitig hat er ab Eingang des Geldes auf dem Treuhandkonto keine Verfügungsmöglichkeit mehr, sodass sicher ist, dass der Verkäufer das Geld erhält.

Man unterscheidet verdeckte und offene Treuhandkonten. Bei ersteren wird kein Aufschluss über das Treuhandverhältnis gegeben. Das Treuhandverhältnis ist allein im Innenverhältnis zwischen Treuhänder und Treugeber maßgeblich. Beim offenen Treuhandkonto wird das Konto entsprechend bezeichnet und gekennzeichnet, sodass offengelegt wird, dass ein Treuhandkonto besteht. Dies ist insbesondere bei den Ander-Konten der Fall.

Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Bankvertragsrecht“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Bank- und Kapitalmarktrecht, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2014, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-32-8.


 

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Stand: Dezember 2014


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Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht

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Rechtsanwältin Carola Ritterbach arbeitet seit vielen Jahren im Bereich des Bankrechts. Sie ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht. Sie unterstützt Verbraucher und Unternehmer in jeglichen Bereichen, in denen Schwierigkeiten mit ihren Banken aufgetreten sind oder drohen aufzutreten.

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Rechtsanwältin Carola Ritterbach hat im Bankrecht veröffentlicht:

  • Die Beraterhaftung im Kapitalmarktrecht, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-30-4
  • Kreditsicherheiten, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-27
  • Kreditzinsen und Vorfälligkeitsentschädigung - Gewinn- und Schadensberechnung der Banken, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-45-8
  • Bankvertragsrecht, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-32-8
  • Kreditvertragsrecht, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-35-9
  • Leasingrecht – Einführung in das Recht des Leasings, ISBN 978-3-939384-25-0, 2014, Verlag Mittelstand und Recht

 

Rechtsanwältin Ritterbach ist Dozentin für Bank- und Kapitalmarktrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Bank- und Kapitalmarktrecht im Deutschen Anwaltsverein.

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