Gesellschaftsrecht in der Insolvenz – Teil 12 - Gebrauchsüberlassung von Wirtschaftsgütern

2.2.3.2 Gebrauchsüberlassung von Wirtschaftsgütern, § 135 Absatz 3 InsO

Vor der Modernisierung war die Gebrauchsüberlassung von Wirtschaftsgütern unter der Bezeichnung der eigenkapital-ersetzenden Nutzungsüberlassung im § 32 Abs. 3 GmbHG a.F. geregelt. Diese sind nunmehr im § 135 Abs. 3 InsO verortet worden.

Gebrauchsüberlassungen sind beispielsweise Miete, Pacht, Leasing oder Lizenzen.

Wenn ein in die Insolvenz geratenes Unternehmen seine gesamten Produktionsanlagen von einem Mitgesellschafter gemietet hat, kann der vermietende Gesellschafter die Anlagen nicht unter Berufung auf das Aussonderungsrecht herausfordern.
Ließe man dies zu, so wäre ein Sanierungsversuch des Insolvenzverwalters unmöglich, da das Unternehmen ohne diese Anlagen wirtschaftlich handlungsunfähig ist. Um diese Situation zu vermeiden, gibt für diese Fälle eine Aussonderungssperre. Der Gesellschafter kann dann den Herausforderungsanspruch für die Dauer eines Jahres ab Verfahrenseröffnung nicht geltend machen.

Die im § 135 Abs. 3 geregelte Aussonderungssperre gilt dem Wortlaut nach nur für Gesellschafter, die ihrem Unternehmen einen Gegenstand zum Gebrauch überlassen haben. Allerdings werden zu den originären Gesellschaftern auch die Personen gezählt, die einem Gesellschafter gleichgestellt sind. Dazu braucht es nur einen Zurechnungszusammenhang, der z.B. schon aufgrund einer familiären Bindung zu einem Gesellschafter bestehen kann.
Bei der Bestimmung des maßgeblichen Personenkreises ist Vorsicht geboten und fachliche Beratung angebracht, da vereinzelt die Ansicht vertreten wird, dass die Sperre auch für tatsächliche Nicht-Gesellschafter gelten solle22.

Weiterhin muss es sich um einen Gegenstand handeln, dessen Gebrauch oder Ausübung für die Fortführung des Unternehmens von erheblicher Bedeutung ist.
Dabei kann es sich sowohl um bewegliche als auch unbewegliche Gegenstände, wie Grundstücke, handeln. Wichtig ist lediglich, dass der Gebrauch der Gegenstände von erheblicher Bedeutung für die Fortführung des Unternehmens ist. Das bedeutet sogleich, dass der Betrieb weitergeführt und nicht eingestellt wird. Wenn nun ohne die Nutzung des Gegenstandes der Betriebsablauf tatsächlich oder wirtschaftlich erheblich beeinträchtigt oder unmöglich wäre, liegt hierin die erhebliche Bedeutung. Es reicht aus, wenn der betreffende Gegenstand nur der Fortführung des Unternehmens dient oder das Fehlen mehr als nur geringfügig stört. Sogar wenn der Gegenstand nicht zum gleichen Preis von anderer Seite beschafft werden kann, z.B. bei ermäßigten Leasingraten, liegt hierin schon die erhebliche Bedeutung für das Unternehmen23.

Beispiel:
Die A-GmbH, ein Autohaus, hält 15 % der Gesellschaftsanteile der B-GmbH und hat mit dieser einen Leasingvertrag über fünfundzwanzig Kraftfahrzeuge geschlossen. Die B-GmbH wird insolvent und benötigt die Fahrzeuge weiterhin im Rahmen des Außendienstes.
Hier besteht ein Aussonderungsverbot für die A-GmbH.

Der Insolvenzverwalter kann, wenn die genannten Voraussetzungen vorliegen, für die Dauer von einem Jahr ab Verfahrenseröffnung die Aussonderungssperre verhängen und die Gegenstände innerhalb dieser Zeit nutzen.
Er hat hierfür dem betreffenden Gesellschafter einen Ausgleich hierfür zu leisten. Diesen Ausgleichsanspruch gab es im „alten“ Kapitalersatzrecht nicht.
Die Höhe des Ausgleichs bestimmt sich nach den durchschnittlich im letzten Jahr vor Verfahrenseröffnung geleisteten Zahlungen. Hat der Gesellschafter den Gegenstand der Gesellschaft unentgeltlich überlassen, besteht kein Ausgleichsanspruch.

Überhöhte Entgelte finden keinen Eingang in die Berechnung. Der Anspruch orientiert sich an markt- bzw. ortsüblichen Entgelten, wie z.B. einem Mietspiegel.

Der Ausgleichsanspruch des Gesellschafters ist eine Masseverbindlichkeit, die genau wie die Vergütung des Insolvenzverwalters, aus der vorhandenen Masse des Unternehmens gezahlt wird24.

Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Gesellschaftsrecht in der Insolvenz“ von Harald Brennecke, Fachanwalt für Insolvenzrecht und Thomas Dörner, wissenschaftlicher Mitarbeiter, 1. Auflage 2014, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht 2014, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-26-7


 

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Stand: Mai 2014


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Über die Autoren:

Harald Brennecke, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

Portrait Harald-Brennecke

Rechtsanwalt Harald Brennecke ist Gründer und Managing Partner der Kanzlei Brennecke & Partner. Er ist überwiegend im Bereich des Insolvenzrechts für Unternehmer und Unternehmen tätig.

Harald Brennecke ist seit 1999 im Bereich der Unternehmenssanierung tätig. Als Fachanwalt für Insolvenzrecht gestaltet er Sanierungen und begleitet Firmeninsolvenzen. Rechtsanwalt Brennecke berät insbesondere Geschäftsführer in der Unternehmenskrise hinsichtlich der für diese bestehenden  Haftungsrisiken sowie Gesellschafter im Interesse der Unternehmenssanierung unter dem Blickwinkel des Unternehmens als Vermögensbestandteil des Gesellschafters. Er vertritt bei unzulässigen oder unbegründeten Insolvenzanträgen. Rechtsanwalt Brennecke verhandelt mit Insolvenzverwaltern hinsichtlich des Erwerbs von Unternehmen aus der Insolvenz zum Zwecke der Unternehmensfortführung durch Investoren oder Familienangehörige. Weiter vertritt Rechtsanwalt Brennecke bei Ansprüchen des Insolvenzverwalters aus Anfechtung gegen Gesellschafter, Familienangehörige oder Dritte sowie bei (den häufig unterschätzten) Haftungsansprüchen gegen Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften.   

Er berät Insolvenzschuldner hinsichtlich der Erlangung der Restschuldbefreiung und der hierfür erforderlichen Obliegenheiten und vertritt im gesamten Insolvenzverfahren um sicherzustellen, dass der Schuldner die an ihn gestellten Obliegenheitsanforderungen zur Erlangung der Restschuldbefreiung (die über das hinausgehen, was ein Insolvenzverwalter vom Schuldner verlangt und verlangen darf) erfüllt. Der Irrtum, dass Insolvenzschuldner alleine dann schon Restschuldbefreiung erhielten, wenn sie alle Anforderungen des Insolvenzverwalters erfüllen, ist leider immer noch weit verbreitet.

Rechtsanwalt Brennecke berät Schuldner über das Vorgehen bei der Nutzung der Alternativen des europäischen Insolvenzrechts zur Restschuldbefreiung. In wenigen speziellen Fällen bietet ausländisches Insolvenzrecht Vorteile.

Er hat mehrere Bücher im Bereich Insolvenzrecht veröffentlicht, so

  • "Gesellschaftsrecht in der Insolvenz", ISBN 978-3-939384-267
  • "Die Limited in der Insolvenz", ISBN 978-3-939384-34-2
  • "Der Insolvenzplan – Sanierungsinstrument in der Insolvenz", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-06-9
  • "Die Restschuldbefreiung", 2006, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-00-7 
  • "Privatinsolvenz/Verbraucherinsolvenz - Eine Einführung", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-13-1
  • "Insolvenz und Restschuldbefreiung in Europa", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-05-2
  • "Der Insolvenzplan und der Verbraucherinsolvenzplan - Sanierungsinstrument in der Insolvenz - für Verbraucher und Unternehmen", ISBN 978-3-939384-06-9
  • "Die Regelinsolvenz - Insolvenz für Unternehmer und Unternehmen", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-07-6 
  • "Das Recht der GmbH", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-33-5
  • "Der Gesellschaftsvertrag der GmbH - Die GmbH-Satzung in Theorie und Praxis", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-40-3
  • "Der Unternehmenskauf -  Rechtliche Risiken bei Kauf und Verkauf mittelständischer Unternehmen", Verlag Mittelstand und Recht, 2014, ISBN 978-3-939384-18-2
  • "Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-29-8

Weitere Veröffentlichungen sind in Vorbereitung, so

  • „Selbständigkeit in der Insolvenz“
  • „Schutzschirm und Eigenverwaltung“
  • „Die Liquidation von Kapitalgesellschaften“

Er ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht im DeutscherAnwaltVerein und Dozent für Insolvenzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.  Er moderiert die Gruppe Insolvenz und Insolvenzvermeidung bei XING.
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

  • Insolvenzrecht für Gründer und lebende Unternehmen: Aus Insolvenzen anderer lernen heißtdas eigene Insolvenzrisiko zu vermeiden
  • Unternehmenssanierung: Kopf aus dem Sand! Wer zu spät reagiert, reagiert nie wieder.
  • Insolvenzrecht für Steuerberater – Grundlagen des Insolvenzrechts für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer 
  • Insolvenzrecht für Unternehmensberater – Sanierungschancen erkennen und wahren
  • Insolvenzberatung: das (enorme) Haftungsrisiko des Sanierungsberaters 
  • Selbständigkeit in der Insolvenz – die große Chance des Neustarts


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