Steuerrechtliche Aspekte in der Insolvenz, Teil 1: 2.1. Die steuerliche Rechtsstellung der Beteiligten - Der Schuldner (1)
Die grundsätzliche rechtliche Stellung des Schuldners nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ergibt sich aus § 80 InsO. Nach dieser Vorschrift geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über dieses zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über. Ebenso die Prozessführungsbefugnis für Aktiv- und Passivprozesse. Bei Insolvenzverfahren über das Vermögen von juristischen Personen oder Personengesellschaften endet in diesen Fällen die Ge-schäftsführungs- und Vertretungsbefugnis der vertretungsberechtigten Organe bzw. der Geschäftsfüh-rer.Der Schuldner ist rechtlich Berechtigter und Verpflichteter aus den Handlungen des Insolvenzverwal-ters. Der Insolvenzverwalter tritt faktisch und rechtlich in die Rechtsstellung des Schuldners ein. Dies bedeutet jedoch nicht auch gleichzeitig, dass der Schuldner auch seine Rechts- oder Geschäftsfähig-keit verliert. Diese bleibt unberührt. Er bleibt auch unabhängig von der Verfahrenseröffnung Eigentü-mer der Massegegenstände und materiell Berechtigter. Das mit der Eröffnung des Insolvenzverfah-rens einhergehende Verfügungsverbot verhindert aber alle Maßnahmen des Schuldners, die materiell-rechtliche Wirkungen entfalten.
Diese zivilrechtliche Ausgangssituation führt dazu, dass der Schuldner für alle Steuerarten Steuersub-jekt ist und bleibt. War der Schuldner vor Insolvenzeröffnung Unternehmer, bleibt er es auch nach Insolvenzeröffnung bezüglich der Umsätze hinsichtlich der Insolvenzmasse. Denn die unternehmeri-sche Tätigkeit endet erst, wenn keine auf Einnahmeerzielung gerichtete Tätigkeit mehr ausgeübt wird.
Der Schuldner ist danach Steuerschuldner im Sinne des § 43 AO und Steuerpflichtiger im Sinne des § 33 AO. Dies folgt daraus, dass für die Stellung als Steuerschuldner und Steuerpflichtiger nicht Vo-raussetzung ist, dass die betreffende Person auch Inhaber der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis ist. Der Schuldner bleibt materiell Berechtigter. Die zur Masse gehörenden Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten sind ihm daher auch steuerrechtlich zuzuordnen. Zuzurechnen sind ihm in die-sem Zusammenhang auch die von dem Insolvenzverwalter erfüllten Steuerrechtstatbestände. Auch insoweit ist er Steuerschuldner und Steuerpflichtiger.
Das Insolvenzverfahren hat keinen Einfluss auf die Entstehung von Steueransprüchen, die steuer-rechtliche Art der Einkünfte sowie deren Berechnung. Auch Außenprüfungen sind weiterhin möglich. Aus steuerlicher Sicht findet keine Trennung des Vermögens des Schuldners und der Insolvenzmasse statt. Von der steuerlichen Veranlagung werden daher sämtliche Einkünfte eines Kalenderjahres er-fasst, die der Schuldner unabhängig von der Insolvenzeröffnung bezogen hat.
2.1.1.1. Besonderheiten im Hinblick auf die Einkommensteuer
Aus den vorgenannten Gründen unterliegen grundsätzlich alle positiven und negativen Einkünfte, damit auch die aus der Insolvenzmasse, der Einkommensteuer gemäß § 2 EStG. Der Schuldner bleibt daher auch weiterhin als Steuerpflichtiger und Steuerschuldner zur Abgabe einer Einkommensteuer-erklärung verpflichtet, sofern er seinen Wohnsitz (§ 8 AO) oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AO) im Inland hat. Gemäß § 2 Abs. 7 EStG werden die Grundlagen für die Festsetzung der Einkom-mensteuer jeweils für ein Kalenderjahr ermittelt. Daran ändert auch die Eröffnung des Insolvenzver-fahrens nichts. § 155 Abs. 2 InsO bestimmt zwar, dass mit der Insolvenzeröffnung ein neues Ge-schäftsjahr beginnt. Bei § 2 Abs. 7 EStG handelt es sich aber um eine auch in der Insolvenz vorrangi-ge steuerrechtliche Regelung. Ermittlungs- und Veranlagungszeitraum ist daher auch im Falle des Insolvenzverfahrens das Kalenderjahr.
Im Ergebnis ist daher in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass die Eröffnung des Insolvenzver-fahrens auf die Ermittlung des steuerpflichtigen Einkommens keinen Einfluss hat.
Zu beachten ist allerdings, dass im Insolvenzrecht eine Zuordnung der Schulden zu den insolvenzbe-hafteten Verbindlichkeiten und den insolvenzfreien Verbindlichkeiten zu erfolgen hat. Für das Insol-venzverfahren muss daher die einheitlich ermittelte Einkommensteuerjahresschuld in diesem Sinne aufgeteilt werden in Insolvenzforderungen für die Zeit vor Verfahrenseröffnung und in sonstige Masse-verbindlichkeiten hinsichtlich der zu erhebenden Steuern vom Insolvenzverwalter auf die erzielten Gewinne aus der Masse. Dies hat insbesondere für den Steuergläubiger eine hohe Bedeutung, da die Masseverbindlichkeiten aus der Insolvenzmasse gemäß § 53 InsO vorweg zu berichtigen sind und daher die Chancen der Forderungsrealisierung hier größer sind als bei denen der Gläubiger einer Insolvenzforderung.
Eine besondere Erhebungsform der Einkommensteuer stellt die Lohnsteuer dar. Gemäß § 38 Abs. 2 EStG ist Schuldner der Lohnsteuer der Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber hat die Lohnsteuer nach § 38 Abs. 3 EStG bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn einzubehalten und an das zuständige Finanzamt abzuführen.
Im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers geht diese Ver-pflichtung auf den Insolvenzverwalter über, § 80 InsO i.V.m. § 34 AO. Der Insolvenzverwalter rückt dann in die Stellung des Arbeitgebers. Er hat damit auch alle Pflichten des Arbeitgebers zu erfüllen. Seine Verpflichtungen erstrecken sich dabei auch auf den Zeitraum vor Eröffnung des Insolvenzver-fahrens.
Wesentlich ist in diesem Zusammenhang, dass der Insolvenzverwalter nach §§ 34, 69 AO für seine eigenen Pflichtverletzungen auch haftet. So kann zum Beispiel die Verletzung lohnsteuerlicher Pflich-ten einen Zahlungsanspruch des Finanzamtes gegenüber dem Insolvenzverwalter begründen. Insoweit ist hier die Haftung nach § 42d EStG zu beachten.
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Kontakt: kontakt@fasp.deStand: Dezember 2025
Normen: § 80 InsO; § 155 InsO; § 8 AO; § 9 AO; § 33 AO; § 34 AO; § 43 AO; § 69 AO; § 2 EStG; § 42d EStG
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