Wettbewerbsrecht - Einführung ins Recht des unlauteren Wettbewerbs - UWG - Teil 15 - Gezielte Behinderung Teil 1

4.2.4. Gezielte Behinderung

Insbesondere unlauter handelt gemäß § 4 Nr. 10 UWG, wer „Mitbewerber gezielt behindert“.

Der freie Wettbewerb gründet auf dem Prinzip, dass sich Unternehmen über Qualität und Preise der eigenen Leistungen gegenüber ihren Konkurrenten durchsetzen. Im Verlauf des Konkurrenzkampfes behindern sich die Unternehmen zu einem gewissen Grad zwangsläufig, schon indem sie versuchen Kunden zu halten oder von der Konkurrenz zu gewinnen. So hat z. B. Werbung, wenn sie erfolgreich ist, für die konkurrierenden Unternehmen am Markt einen nachteiligen Effekt. Eine solche Behinderung ist dem Wettbewerb eigen und aus rechtlicher Sicht unbedenklich. Für das Wettbewerbsrecht relevant wird eine Behinderung dann, wenn ein Mitbewerber individuell und gezielt in seinen Entfaltungsmöglichkeiten unlauter eingeengt wird.

Eine gezielte Behinderung liegt vor, wenn bei objektiver Würdigung aller Umstände die Maßnahme in erster Linie auf die Störung des fremden Wettbewerbs gerichtet ist und nicht auf die Förderung des eigenen Wettbewerbs.

Erforderlich für eine gezielte Behinderung sind:

1. Eine geschäftliche Handlung gegen Mitbewerber innerhalb eines konkreten Wettbewerbsverhältnis im Sinne von § 2 I Nr. 3 UWG.

2. Eine Behinderung, dies ist jede Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeit eines Mitbewerbers.

3. Eine Zielgerichtetheit, dies bedeutet die Handlung muss mit einer Verdrängungsabsicht geschehen. Eine Behinderung, die als bloße Folge von Wettbewerb auftritt ist nicht relevant.

4. Die Behinderung muss zudem erheblich sein.

Die Behinderung muss darüber hinaus so groß sein, dass sie die Erheblichkeitsschwelle aus § 3 UWG überschreitet. Dies ist dann erfüllt, wenn der beeinträchtigte Mitbewerber seine Leistung am Markt nicht mehr durch eigene Anstrengungen in angemessener Weise anbieten kann.

Weiterhin kommt eine Anwendung dieser Normen nur in Frage, wenn eine geschäftliche Handlung vorliegt.

Im Folgenden soll eine nicht abgeschlossene Liste praktisch relevanter Fallgruppen der gezielten Wettbewerbsbehinderung kurz betrachtet werden:

4.2.4.1. Absatzbehinderung
4.2.4.2. Nachfragebehinderung
4.2.4.3. Behinderung durch Werbung
4.2.4.4. Behinderung d. Kennzeichenverwendung
4.2.4.5. Behinderung durch Mitarbeiterabwerbung
4.2.4.6. Behinderung durch Boykott
4.2.4.7. Behinderung durch Störung des Betriebes
4.2.4.8. Behinderung durch Preisunterbietung
4.2.4.9. Behinderung durch Diskriminierung
4.2.4.10. Behinderung durch Domaingrabbing
4.2.4.11. Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung

4.2.4.1. Absatzbehinderung

Eine unlautere Behinderung des Absatzes eines Mitbewerbers kann kundenbezogen, produktbezogen oder vertriebsbezogen erfolgen.

  • Kundenbezogen

Durch unlauteres Abwerben oder Abfangen von Kunden.

Da das Abwerben und Abfangen von Kunden ein Merkmal des freien Wettbewerbs in Deutschland ist, müssen Unlauterkeitsbegründende Handlungen hinzukommen, die das Abwerben unzulässig machen.

Ein unlauteres Abfangen liegt vor, wenn sich der Werbende zwischen den Mitbewerber und dessen Kunden drängt, um ihm eine Änderung des Kaufentschlusses aufzudrängen.

Beispiele:

Werbung in den Geschäftsräumen des Mitbewerbers ist unlauter. Durch Gewalt oder Druckausübung den Kunden daran zu hindern die Geschäfträume des Mitbewerbers zu betreten.

Für ein unlauteres Abwerben müssen besondere Umstände hinzukommen, die das Abwerben unlauter machen.

Beispiele:

Unlauter ist die Handlung, wenn sie die Voraussetzung aus einem anderen Fall des UWG erfüllt. Die Werbung eines Mitarbeiters noch während seines Vertragsverhältnisses für sich selber.

  • Produktbezogen

Unlauter ist die unmittelbare Einwirkung auf die Ware eines Mitbewerbers. Dazu zählt die Vernichtung, Beiseiteschaffung, Veränderung oder Beschädigung der Ware mit dem Ziel, den Absatz zu erschweren oder zu vereiteln oder den guten Ruf des Mitbewerbers zu beeinträchtigen.

  • Vertriebsbezogen

Vertriebsbezogene Störungen durch einen Mitbewerber sind stets unlauter, wenn sie keinen sachlichen Grund haben. Denn eine Vertriebsstörung kann nur den Grund haben, den Mitbewerber zu behindern.

Beispiel:

Der Erwerb einer Internet-Domain, wenn man weiß, dass diese durch einen Mitbewerber bereits Markenrechtlich geschützt ist.

4.2.4.2. Nachfragebehinderung

Eine unlautere Behinderung der Nachfrage eines Mitbewerbers kann erfolgen durch

  • über eine Liefersperre
  • den Erwerb von nicht benötigten Waren und sonstigen Wirtschaftsgütern

Dem Erwerb nicht benötigter Waren steht das Hochtreiben des Preises gleich.

4.2.4.3. Behinderung durch Werbung

Eine unlautere Behinderung über die Werbung geschieht durch:

  • Beeinträchtigung fremder Werbung

Beispiele:

o Abreißen oder Überkleben fremder Werbeplakate
o Beiseiteschaffen fremder Werbeprospekte

Dagegen ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn eigene Werbemaßnahmen mittelbar dazu führen, dass eine fremde Werbung nicht mehr so zur Geltung kommt wie zuvor.

  • Nachahmen oder Ausnutzen fremder Werbung

Dies ist unlauter, wenn die Maßnahme einen der folgenden Punkte erfüllt:

  • den Verkehr irreführt,
  • den Umständen nach darauf zielt, die Werbung des Mitbewerbers auszuschalten oder zu behindern,
  • eine unlautere Nachahmung im Sinne des Kapitels 4.2.3. darstellt.

4.2.4.4. Behinderung durch Kennzeichenverwendung

Hier kommen die Fälle der Anmeldung einer Marke zu Spekulationszwecken und des Erwerbs von Sperrzeichen in Betracht.

  • Anmeldung einer Marke zu Spekulationszwecken

Dies ist der Fall, sofern die Anmeldung ohne eigene Benutzungsabsicht und nur zu dem Zweck erfolgt, einen Dritten durch Abwehransprüche zum Kauf der Marke zu erpressen. Nichts einzuwenden ist jedoch, wenn die Marke auf Vorrat registriert wird und innerhalb der Schonfrist der Nichtbenutzung der Marke verkauft wird.

  • Erwerb von Sperrzeichen

Hierunter fällt die Anmeldung einer im Ausland geschützten Marke, deren Inhaber sie im Inland bisher weder genutzt noch angemeldet hat, wenn eine inländische Nutzung durch den Berechtigten beabsichtigt ist und der Anmelder das weiß oder wissen muss.

Ähnliches gilt für das so genannte „Domaingrabbing“ (siehe dazu 4.2.4.10.).

Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch "Wettbewerbsrecht - Einführung ins Recht des unlauteren Wettbewerbs - UWG" von Harald Brennecke und Florin Brückner, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-12-0.


 

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Stand: November 2009


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Über die Autoren:

Harald Brennecke, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz

Portrait Harald-Brennecke

Rechtsanwalt Harald Brennecke berät und vertritt als Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz bei Verstößen im Bereich des unlauteren Wettbewerbs, sei es im außergerichtlichen Bereich der Abmahnungen und Abschlussschreiben, im Bereich der einstweiligen Verfügungen oder in gerichtlichen Hauptsacheverfahren und wehrt unberechtigte Abmahnungen ab. Er verhandelt Vertragsstrafevereinbarungen zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr zwischen Verletzern und Verletzten.
Er prüft Werbeauftritte und Werbemaßnahmen wie Internetseiten, Onlineshops, Firmenauftritte, Prospekte und AGB auf wettbewerbswidrige Inhalte zur Vermeidung von Abmahnrisiken. 
Rechtsanwalt Brennecke berät Unternehmer beim Schutz ihrer Geschäftsgeheimnisse und Kundendaten.  Er ist im Bereich der UWG-Straftaten als Srafverteidiger und bei der Ermittlung und Dokumentation von Straftaten und der Erstellung von Strafanzeigen tätig, unter anderem bei Strafbarer Werbung, 16 UWG oder Verrat von Geschäftsgeheimnissen, 17 UWG, wie z.B. die unberechtigte Verwendung von Kundendaten.

Harald Brennecke hat im unter anderem veröffentlicht:

  • "Wettbewerbsrecht - Einführung in das Recht des unlauteren Wettbewerbs und das UWG", Harald Brennecke und Florin Brückner, 2010, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-12-0.
  • "17 UWG - Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen“, 2015, ISBN 978-3-939384-38-0, Verlag Mittelstand und Recht
  • "Urheberrecht - eine Einführung", von Harald Brennecke und Simon Hofmann, 2011, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-23-6
  • "Lizenzrecht - eine Einführung. Lizenzarten und Lizenzverträge.“ von Harald Brennecke und Florin Brückner, 2010, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-08-3
  • "Markenrecht - eine Einführung Markenformen, Markenschutz und Markenanmeldung ", Harald Brennecke und Florin Brückner, 2010, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-22-9

Weitere Veröffentlichungen von Harald Brennecke sind in Vorbereitung, unter anderem zum Thema

  • Recht im Marketing

 Harald Brennecke ist Dozent für Wettbewerbsrecht, Urheberrecht und Lizenzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie. 
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

  • Schutz von Kundenadressen und Geschäftsgeheimnissen – 17 UWG in Theorie und Praxis
  • Strategische Ausrichtung von Unternehmen aus wettbewerbsrechticher Sicht
  • Markenschutzstrategien als betriebswirtschaftliches Instrument
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  • Vertriebslizenzen in Recht und PraxisK

Kontaktieren Sie Rechtsanwalt Harald Brennecke, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz, unter: 
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