Wie kann sich der Hersteller entlasten?

  • Nichtinverkehrbringen des Produktes
    Nur wenn das Produkt mit Wissen und Wollen des Herstellers in den Verkehr gebracht wurde, kann er für einen Fehler auch verantwortlich gemacht werden. Inverkehrbringen bedeutet hierbei „jede Überlassung an einen anderen“. Die wichtigste Fallkonstellation in der ein Produkt nicht in den Verkehr gebracht wurde, ist die in der das Produkt gestohlen bzw. unterschlagen wurde. Die Inverkehrbringung geschieht hier nämlich ohne Wissen und Wollen des Herstellers. Ebenso sind Produkte, die zunächst einem unabhängigen Prüfinstitut übergeben wurden, nicht in den Verkehr gebracht. Unter § 1 Abs. 2 Nr. 1 ProdHaftG fallen aber auch Produkte, die zum „Verschrotten“ gegeben wurden; anders aber, wenn Produkte aussortiert wurden weil sie nicht die erforderliche Qualität aufweisen und diese dann nachher durch ein Versehen doch in den Verkehr gelangen.

  • Fehlerfreiheit bei Inverkehrbringung
    Jede nachträgliche Entstehung einer Fehlerhaftigkeit des Produktes geht nicht zu Lasten des Herstellers. Hier handelt es sich im Normalfall um Produkte, die beispielsweise durch unsachgemäße Aufbewahrung fehlerhaft werden.
    Beispiel: Lebensmittel die durch unsachgemäße Lagerung verderben oder deren Haltbarkeitsdatum abgelaufen ist.
    Auch kann es passieren, dass eine Bedienungsanleitung später abhanden kommt oder vom Händler nicht mitgeliefert wird. Mit § 1 Abs. 2 Nr. 2 ProdHaftG werden alles Fälle aus der Haftung ausgenommen, in denen der Fehler durch unsachgemäße Behandlung in der Vertriebskette oder auch durch den Geschädigten selbst verursacht wurde.
    Beispiel: Der Verbraucher hat die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen am Produkt entfernt um das Produkt besser handhaben zu können.

  • Bestimmung für den privaten Eigenbedarf
    Die Haftung entfällt, wenn das schadenverursachende Produkt weder zum Zwecke einer wirtschaftlichen Betätigung, noch im Rahmen einer beruflichen Tätigkeit hergestellt wurde. Für den Haftungsausschluß ist zu beachten, dass hier beide Voraussetzungen gemeinsam vorliegen müssen. Im Übrigen kommt es auch nicht darauf an, ob das Produkt unentgeltlich vertrieben wurde.

  • Anwendung zwingender Rechtsvorschriften
    Diese Fallgruppe ist in der Praxis nicht von Bedeutung, da es in Deutschland kaum zwingende Rechtsvorschriften gibt, die eine Produktgestaltung regeln. Technische Vorschriften, Normen, Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaften sind keine zwingenden Rechtsvorschriften im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 4 ProdHaftG.

  • Produkt entsprach dem Stand von Wissenschaft und Technik
    Diese Fallgruppe dürfte für die Praxis eine der Wichtigsten sein. Danach entfällt eine Haftung, wenn der Fehler zum Zeitpunkt der Inverkehrbringung nach dem Stand von Wissenschaft und Technik nicht erkannt werden konnte. Entwicklungsrisiken sind insoweit von der Haftung ausgenommen (Fußnote).
    Diese Fallgruppe dürfte im Regelfall im Rahmen der Konstruktion relevant werden. Zu beachten ist aber, das die Haftung nicht für alle Arten von Entwicklungsfehlern ausgeschlossen ist, sondern nur für die Fälle in denen der Fehler nicht erkannt werden konnte. Hierbei kommt es auf die allgemeine Erkennbarkeit an. Irrelevant ist also, dass nur der eine Hersteller den Fehler nicht erkennen konnte.
    Konstruktions-/ Entwicklungsfehler liegen vor, wenn ein durchschnittlicher Benutzer im Rahmen des dem Produkt zugeschriebenen Verwendungszweckes das Produkt nicht gefahrlos gebrauchen kann. Diese Fehler treten üblicherweise als Serienfehler auf, wenn das Produkt unter dem gebotenen Sicherheitsstandard bleibt. Der Sicherheitsstandart wird im Konstruktionsbereich anhand des Standes von Wissenschaft und Technik (Fußnote) gemessen.

    Mit Stand von Wissenschaft und Technik ist das gesamte Fachwissen bezüglich der Herstellung eines bestimmten Produktes gemein. Im Konstruktionsbereich ist mit der technisch-wissenschaftlichen Entwicklung Schritt zu halten.
    Für die Bestimmung des Standes von Wissenschaft und Technik sind vielfach technische Normen ausschlaggebend. Entspricht ein Produkt den überbetrieblichen technischen Normen (Fußnote) oder allgemeinen technischen Standards, so besteht zu Gunsten des Herstellers eine Indizwirkung für die Einhaltung der Verkehrssicherungspflichten. Andersherum wird bei Verletzung solcher Vorschriften in der Regel eine Beweisentlastung des Herstellers für die Fehlerfreiheit des Produktes zum Zeitpunkt der Inverkehrgabe nicht möglich sein. Die Einhaltung von EG-Normen, beispielsweise der Maschinenrichtlinie 98/37 EG, begründet also zu Gunsten des Herstellers die Vermutung, dass das Produkt den betreffenden Anforderungen an Sicherheit und Gesundheit genügt .
    Zu klären ist also im Einzelfall, inwieweit der Stand von Wissenschaft und Technik jeweils zum Zeitpunkt der Inverkehrgabe eingehalten wurde. Die Einhaltung der technischen Normen, beispielsweise der Maschinenrichtlinie wird als starkes Indiz für die Einhaltung der Verkehrssicherungspflichten gewertet. Dennoch, kann auch hier der Entwicklungsstand weiter fortgeschritten sein, so dass ein Gericht im Rückblick zu dem Ergebnis gelangen kann, der Stand von Wissen¬schaft und Technik habe weitere, über die Normung hinausgehende, Sicherheitsanforderungen erfordert.
    Achtung: Das Produkt muss im Zeitpunkt der Inverkehrgabe fehlerfrei gewesen sein. Ein Fortschreiten von Wissenschaft und Technik kann also nicht dazu führen, dass ein Produkt, was ursprünglich fehlerfrei bei Inverkehrgabe war, nachträglich fehlerhaft wird. Der Ausschluss der Haftung ergibt sich hier bereits aus § 3 Abs. 2 ProdHaftG.
    Neue Erkenntnisse, beispielsweise aufgrund verbesserter Prüfmethoden können allerdings dazu führen, dass ein Produkt nicht mehr in den Verkehr gebracht werden darf.

  • Fehlerhaftigkeit durch Anleitung oder Konstruktion des Herstellers
    Nach § 1 Abs. 3 ProdHaftG haften der Zulieferer oder der Hersteller eines Grundproduktes dann nicht, wenn
     durch die Konstruktion des Endproduktes, in welches das Teilprodukt eingebaut wird oder der Grundstoff verwendet wurde oder
     durch die Anleitung des Herstellers des Endproduktes
    die Fehlerhaftigkeit verursacht wurde.
    Beispiel: Der Endhersteller weist seinen Zulieferer an, das Produkt ausschließlich nach seinen (Fußnote) Konstruktionszeichnungen, herzustellen.

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Stand: 03.06.2008


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Portrait Harald-Brennecke Harald Brennecke, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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