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Wettbewerbsrecht - Einführung ins Recht des unlauteren Wettbewerbs - UWG - Teil 35 - Schutz der Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse Teil 1

7.2. Schutz der Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse

Der Begriff Geschäfts- bzw. Betriebsgeheimnis im wirtschaftsrechtlichen Sinne ist nicht gesetzlich definiert. Allgemein und nach Rechtsprechung wird darunter jede Tatsache im Zusammenhang mit einem Betrieb verstanden, die nicht offenkundig, sondern nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt ist und nach dem Willen des Betriebsinhabers auf Grund eines berechtigten wirtschaftlichen Interesses geheim gehalten werden soll.

Der Begriff Betriebsgeheimnis bezeichnet Kenntnisse und Tatsachen im technischen Bereich, während unter Geschäftsgeheimnis der kaufmännische Bereich zu verstehen ist. Rechtlich werden jedoch beide Begriffe gleich behandelt.

Maßgeblich für die Frage, ob es sich im Einzelfall bei Kenntnissen oder Tatsachen um Geheimnisse handelt, sind

  • Beziehung des Geheimnisses zum Geschäftsbetrieb

Eine nicht offenkundige bzw. nicht allgemein bekannte Tatsache ist damit nicht automatisch ein Geheimnis. Erforderlich ist ein konkreter Bezug zum betreffenden Betrieb. Insbesondere ist in diesem Zusammenhang die Frage zu klären, ob der Betrieb seine Wettbewerbsposition gerade dank geheimer Kenntnisse und Tatsachen erlangt und gehalten hat.

Beispiele:

Ein an sich bekanntes Verfahren kann für ein bestimmtes Unternehmen Gegenstand eines Betriebsgeheimnisses sein, sofern geheim ist, dass sich dieses Unternehmen dieses Verfahrens bedient und dadurch möglicherweise besondere Erfolge erzielt.

Der Bezug fehlt bei rein privaten Geheimnissen oder Forschungsergebnissen nicht erwerbswirtschaftlich tätiger Institutionen.

  • Nichtoffenkundigkeit

Das betreffende Wissen darf nicht offensichtlich, allgemein bekannt oder beliebig zugänglich sein. Das ist nicht der Fall, wenn für die Erlangung oder Entschlüsselung des Wissens größere Schwierigkeiten und Opfer in Kauf genommen werden müssen.
Für die Offenkundigkeit von Kenntnissen oder Tatsachen reicht nicht aus, dass Konkurrenten durch eigene Arbeit zu ähnlichen Ergebnissen kommen könnten (Fußnote) bzw. ähnliche Produkte hätten herstellen können, ohne auf die fraglichen Unterlagen bzw. Kenntnisse angewiesen zu sein.

Beispiel:

Die Rezeptur eines Reagenzes ist nicht offenkundig, wenn die quantitative Analyse für ausgebildete Chemiker einen mittleren Schwierigkeitsgrad bietet und die sinnvolle Verwendung der Bestandteile nicht ohne Detailkenntnisse und erst nach entsprechenden Überlegungen und Untersuchungen möglich ist.

Der Charakter eines tabellarisch aufgebauten und sich wiederholenden Computerprogramms zur Steuerung eines Geldspielautomaten als Betriebsgeheimnis des Automatenherstellers wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass das Programm durch Beobachtung des Spielablaufs mit einem Zeitaufwand von 70 Stunden und unter Einsatz von ca. 5000 DM Spielgeld entschlüsselt werden kann.

Zur Nichtoffenkundigkeit gehört ebenfalls die Voraussetzung, dass der eingeweihte Personenkreis begrenzt sein muss. Eine genaue, allgemeingültige Zahl zu nennen ist hierbei unmöglich, es kommt auf die genauen Umstände an. Entscheidend ist dabei, dass der Geheimnisinhaber den Kreis unter Kontrolle behält. Für Arbeitnehmer ergibt sich eine Geheimhaltungs- und Schweigepflicht aus dem Arbeitsvertrag.

  • Geheimhaltungswille

Der Geheimhaltungswille ist eine wesentliche Voraussetzung. Der Geheimhaltungswille kann mündlich oder schriftlich (Fußnote) bekundet werden. Ist die Sachlage nicht vollständig klar (Fußnote), ergibt sich das Vorhandensein oder das Nichtvorhandensein des Geheimhaltungswillens aus den Umständen des Einzelfalls.

Beispiel:

An einem Geheimhaltungswille fehlt es, wenn die Information allgemein freigegeben ist oder an bestimmte Personen weitergegeben wurde.

Das soeben genannte gilt jedoch nicht für Arbeitnehmer, da sich diese im Klaren sein müssen, dass im Zweifel alle innerbetrieblichen Vorgänge, Kenntnisse und Tatsachen die außerhalb des Unternehmens unbekannt sind und sich auf die Wettbewerbsposition des Unternehmens auswirken könnten, geheim zuhalten sind.

  • Geheimhaltungsinteresse

Außer dem Geheimhaltungswillen ist ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse seitens des Betriebsinhabers notwendig. Mit diesem Merkmal lässt sich Willkür beim Geheimhaltungswillen ausschließen. Der Unternehmer soll nicht berechtigt sein, aus willkürlichen subjektiven Erwägungen eine Geheimhaltung geltend zu machen, an der er tatsächlich kein berechtigtes Interesse hat. Ein berechtigtes Interesse liegt immer dort vor, wo die Geheimhaltung einer Tatsache spürbare Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit eines Betriebes hat.

Beispiel:

Ein berechtigtes wirtschaftliches Interesse ist anzunehmen, wenn ein Unternehmen zwei Jahrzehnte lang - ersichtlich nicht ohne Erfolg - nach einem Verfahren gearbeitet hat.

7.2.1. Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen

Es gibt drei verschiedene Tatbestände des Verrats von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen, die vom UWG geregelt sind. Diese Tatbestände haben verschiedene Voraussetzungen, führen jedoch zu den gleichen Rechtsfolgen.

  • Das Verraten von Geheimnissen --> 7.2.1.1.
  • Die Verschaffung oder Sicherung eines Geheimnisses --> 7.2.1.2.
  • Die Verwertung des Geheimnisses --> 7.2.1.3.

Bei allen Varianten ist bereits der Versuch strafbar.

Bei allen Tatbeständen muss aus einem der folgenden Gründe gehandelt worden sein, um die Voraussetzung der Strafbarkeit zu erfüllen.

a. Zu Zwecken des Wettbewerbs

Es werden alle Formen des Wettbewerbs erfasst, wie der eigene oder der fremde.

b. Aus Eigennutz

Wenn der Beschäftigte selbst auf einen materiellen oder immateriellen Vorteil aus ist.

c. Zu Gunsten eines Dritten, oder

Der Beschäftigte will durch sein Handeln einen Dritten besser stellen.

d. In der Absicht, dem Inhaber des Geschäftbetriebs Schaden zuzufügen

Der Beschäftigte will den Eintritt eines materiellen oder immateriellen Schadens des Inhabers bewusst herbeiführen.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch "Wettbewerbsrecht - Einführung ins Recht des unlauteren Wettbewerbs - UWG" von Harald Brennecke und Florin Brückner, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-12-0.


 

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Stand: November 2009


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Harald Brennecke, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz

Portrait Harald-Brennecke

Harald Brennecke ist als Strafverteidiger, Anzeigenerstatter, Nebenklagevertreter oder Zeugenbeistand ausschließlich im Wirtschaftsstrafrecht tätig. 
Er verteidigt bei Insolvenzdelikten wie Insolvenzverschleppung, Bankrottdelikten, Buchführungsdelikten, Gläubigerbegünstigung und Schuldnerbegünstigung sowie allen anderen typischen Straftaten im Insolvenzbereich wie Betrug oder Untreue. Als Fachanwalt für Insolvenzrecht und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht kann er Rechtsfragen im materiellen Bereich in einer Tiefe aufbereiten, die für Richter und Staatsanwälte nicht immer leicht zu durchdringen ist.    
Als Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz ist er im Bereich der UWG-Straftaten tätig, unter anderem bei Strafbarer Werbung, 16 UWG oder Verrat von Geschäftsgeheimnissen, 17 UWG, wie z.B. die unberechtigte Verwendung von Kundendaten.
 
Häufig kann bereits im Laufe eines Ermittlungsverfahrens durch fundierte Stellungnahme der Verdacht einer Straftat vermieden und die Einstellung des Verfahrens erreicht werden. 
Der Umgang mit den erheblichen Datenmengen im Wirtschaftsstrafrecht erfordert spezielle Arbeitstechniken. Die vielschichtigen und tiefen rechtlichen Probleme der typischen wirtschaftsstrafrechtlichen Fragestellungen samt ihrer Verquickung mit insolvenzrechtlichen, gesellschaftsrechtlichen und steuerrechtlichen Themen erforderte fundierte Fachkenntnis der materiellrechtlichen Zusammenhänge und die Bereitschaft zu einer sehr intensiven Auseinandersetzung mit dem konkreten Sachverhalt.
In den komplexe wirtschaftsstrafrechtlichen Sachverhalten ist eine umfassende strategische Orientierung und vollständige Durchdringung des Sachverhalts schon vor der ersten Stellungnahme entscheidend.  

Rechtsanwalt Brennecke unterstützt auch Strafverteidiger durch rechtliche Zuarbeit im Hintergrund oder offene Begleitung in Bezug auf materiellrechtliche Themen.
   

Harald Brennecke hat im Wirtschaftsstrafrecht und angrenzenden Gebieten veröffentlicht:

  • „17 UWG - Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen“, 2015, ISBN 978-3-939384-38-0, Verlag Mittelstand und Recht
  • "Einführung in das Datenschutzrecht", Kapitel im E-Business Handbuch für Entscheider, 2. Aufl. ISBN 3.540-43263-9, 2002, Springer-Verlag
  • „Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers“, 2014, ISBN 978-3-939384-29-8, Verlag Mittelstand und Recht
  • „Gesellschaftsrecht in der Insolvenz“, 2014, ISBN 978-3-939384-26-7, Verlag Mittelstand und Recht

sowie etliche weitere Veröffentlichungen im Gesellschafts- und Insolvenzrecht.

Weitere Veröffentlichung von Rechtsanwalt Brennecke sind in Vorbereitung, unter anderem:

  • Einführung in das Datenschutzstrafrecht
  • Compliance
  • Insolvenzstraftaten

Harald Brennecke ist Dozent für Wirtschaftsstrafrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie. 
Im Bereich Wirtschaftsstrafrecht bietet er Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

  • Insolvenzstrafrechtliche Risiken für Geschäftsführer
  • Compliance im Mittelstand – Strafrisiken vermeiden durch kluge Unternehmensführung
  • Insolvenzstrafrecht für Steuerberater und Sanierungsberater  
  • Geschäftsführerhaftung – Die Geschäftsführung von Kapitalgesellschaften: das letzte große Abenteuer der westlichen Zivilisation
  • Das (enorme) Haftungsrisiko des Sanierungsberaters
  • Insolvenzrecht für Steuerberater und Unternehmensberater
  • Datenschutzstrafrecht
  • Schutz von Kundenadressen und Geschäftsgeheimnissen – 17 UWG in Theorie und Praxis


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