Websiten abmahnsicher gestalten – Teil 28 – Fernabsatzvertrag

7. Fernabsatzvertragsrecht im Internet

Mit Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie zum 13. Juni 2014 hat sich das Fernabsatzrecht verändert. Neu gefasst wurden Grundsätze über Verbraucherverträge, Vorschriften über grundlegende vertragliche Informationspflichten für Verbraucherverträge, sowie Regelungen über Verträge, die außerhalb von Geschäftsräumen und im Fernabsatz geschlossen werden[1]. Insbesondere die Regelungen über das Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen wurden in den §§ 355 ff. BGB neu formuliert.

Verbraucherverträge sind gemäß § 310 III BGB Verträge zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher.

7.1. Was ist ein Fernabsatzvertrag?

Ein Fernabsatzvertrag wird zwischen einem Unternehmer oder eine in seinem Namen oder Auftrag handelnde Person und einem Verbraucher über Waren und Dienstleistungen ausschließlich unter der Verwendung von Fernkommunikationsmitteln geschlossen.

Beispiel:

Zu den Fernabsatzverträgen zählen beispielsweise Bestellungen in Online-Shops, der Kauf von Apps für Smartphones oder Tablet-Computer und schriftliche Bestellungen aus einem Versandhandelskatalog.

7.1.1. Vertragsparteien

Bei Abschluss eines Fernabsatzvertrages muss ein Vertragspartner Verbraucher (2.1.1.) sein.

Ein Verbraucher ist gemäß § 13 BGB jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können.

Der Verbraucherbegriff hat sich in Folge der Umsetzung der europäischen Verbraucherrechterichtlinie zum 13. Juni 2014 leicht verändert. Im Gegensatz zur früheren Fassung wurde das Wort „überwiegend“ eingefügt. Somit soll ausdrücklich klargestellt werden, dass es bei Verträgen, die sowohl zu gewerblichen als auch zu nichtgewerblichen Zwecken geschlossen werden, auf den überwiegenden Zweck ankommt.

Beispiel:

Die verbraucherschützenden Sondervorschriften des Fernabsatzrechts gelten gemäß § 312 II BGB beispielsweise nicht bei Bau- und Grundstückskaufverträgen (notariell beurkundete Verträge), Verträgen über Pauschalreisen, Personenbeförderungsverträge, Verträgen über die Lieferung von Lebensmitteln und Getränken sowie medizinischen Behandlungsverträgen[2].

Der andere Vertragspartner muss Unternehmer sein.

Ein Unternehmer ist gemäß § 14 I BGB eine natürliche oder juristische Person (2.1.1.) oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäftes in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit handelt.

Eine rechtsfähige Personengesellschaft ist mit der Fähigkeit ausgestattet, Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen (§ 14 II BGB). Sie kann klagen und verklagt werden.

Beispiel:

Zu den rechtsfähigen Personengesellschaften gehören die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die Offene Handelsgesellschaft (OHG), die Kommanditgesellschaft (KG) und die Partnerschaftsgesellschaft.

7.1.2. Waren und Dienstleistungen

Für die Lieferung von Waren und für Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen gilt das Fernabsatzrecht[3]. Die Erbringung von Dienstleistungen umfasst neben Dienstverträgen, Werkverträge, Geschäftsbesorgungs- und Mietverträge[4]. Telekommunikations- und Internetdienstleistungen werden ebenso den Dienstleistungen zugeordnet[5]. Zu dem weit gefassten Begriff der Dienstleistung zählen keine Bürgschaften[6].

Waren sind alle beweglichen Güter, die einen Geldwert haben und Gegenstand von Handelsgeschäften sind[7].

Dienstleistungen sind selbständige entgeltliche Tätigkeiten, die in der Erbringung einer unkörperlichen Leistung bestehen[8].

7.1.3. Abschluss per Fernkommunikationsmittel

Ein Fernabsatzvertrag ist nur dann gegeben, wenn der Vertrag unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen wird. Die Vertragsparteien eines Fernabsatzvertrages sind somit weder bei den Vertragsverhandlungen, noch bei dem Vertragsabschluss körperlich anwesend.

Beispiel:

Zu den Fernkommunikationsmitteln werden beispielsweise Briefe, Kataloge, Telefonanrufe, E-Mails sowie Rundfunk- und Telemediendienste gezählt.

Das Fernabsatzrecht findet damit keine Anwendung, sobald im Verlauf der Vertragsanbahnung bis zum Abschluss des Vertrages ein direkter Kontakt zwischen den vor Ort gleichzeitig körperlich anwesenden Vertragsparteien stattgefunden hat[9]. Schließlich ist es Sinn und Zweck des Fernabsatzrechts den Verbraucher vor Nachteilen zu schützen, die dadurch entstehen, dass er vor Vertragsschluss weder die angebotene Ware oder Dienstleistung noch den Vertragspartner prüfen kann[10]. Bestand nun die Möglichkeit der Prüfung durch den Verbraucher, so ist auch dann kein Fernabsatzvertrag gegeben, wenn die Vertragserklärung per Fernkommunikationsmittel übermittelt wurde[11]. Liegt zwischen dem persönlichen Kontakt und dem Vertragsabschluss per Fernkommunikationsmittel eine größere Zeitspanne als eineinhalb Monate, ist ein unmittelbar zeitlicher Zusammenhang ausgeschlossen und das Fernabsatzrecht ist anwendbar[12].

Eine Umgehung der Anwendbarkeit des Fernabsatzrechts ist nicht möglich, indem die gesamte Vertragsanbahnung aus der Ferne erfolgt, aber der Vertragsschluss so organisiert wird, dass die Willenserklärung des Unternehmers erst zeitgleich mit der Warenlieferung abgegeben wird[13].

Beispiel:

Damit ist eine Bevollmächtigung des Postbediensteten, der die Ware ausliefert, die vertragliche Annahmeerklärung für den Unternehmer abzugeben, um die Anwendbarkeit des Fernabsatzrechts zu umgehen, unzulässig[14]. Der Postbedienstete ist aufgrund des fehlenden Erklärungsspielraums, als bloßer Erklärungsbote anzusehen. Das Fernabsatzrecht findet Anwendung.

7.1.4. Organisiertes Vertriebs- und Dienstleistungssystem

Nicht jeder zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher geschlossene Vertrag, der ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit geschlossen wurde, ist ein Fernabsatzvertrag im Sinne des § 312 c BGB. Schließlich muss der Unternehmer im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- und Dienstleistungssystems handeln[15], wenn das Fernabsatzrecht Anwendung finden soll. Ein Vertriebs- und Dienstleistungssystem soll es dem Verbraucher ermöglichen, ein ihm unterbreitetes Angebot auf der Basis der ihm übermittelten Informationen verbindlich anzunehmen[16].

Beispiel:

Vertreibt ein Anbieter seine Ware ausschließlich in einem Ladengeschäft und nimmt nur ausnahmsweise eine telefonische Bestellung an, dann handelt es sich hierbei nicht um einen Fernabsatzvertrag, weil dieser Vertrag nicht im Rahmen eines speziell für den Fernabsatz organisiertenVertriebssystems geschlossenen wurde[17].

Der Gesetzgeber möchte damit ausschließen, dass ein Unternehmer, der nur sporadisch Bestellungen per Fernkommunikationsmittel entgegennimmt, die Rechtfolgen des Fernabsatzrechts tragen muss[18]. Im Zweifelsfall ist es Aufgabe des Unternehmers zu beweisen, dass kein für den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- und Dienstleistungssystem vorliegt[19]. Ein Unternehmer erweckt bereits den Anschein eines organisierten Fernabsatzes, wenn ein durchschnittlicher Verbraucher, die ihm mittels Fernkommunikationsmitteln zugespielten Informationen als Verkaufsmethode des Fernabsatzes verstehen kann[20].

Beispiel:

Diese Voraussetzung ist bereits erfüllt, wenn der Verbraucher anhand von Prospekten, Katalogen, Preislisten oder Rundfunkwerbung dazu aufgefordert wird, im Wege der Fernkommunikation Bestellungen vorzunehmen.

Ein systematisches Handeln des Unternehmers im Sinne des Fernabsatzrechts wird nicht bereits angenommen, wenn er einmalig und sporadisch Waren und Dienstleistungen über Internetplattformen wie Ebay oder mobile.de anbietet.

Beispiel:

Bietet ein Kraftfahrzeughändler pro Jahr zehn bis 20 Fahrzeuge über eine Internetplattform an, genügt dies zur Annahme, dass er diesen Vertriebskanal planmäßig nutzt[21]. Das Angebot muss sich dazu auch an Verbraucher richten. Andernfalls greift das Fernabsatzrecht nicht.

7.1.5. Ausnahme bei Dauerschuldverhältnissen

Bei Dauerschuldverhältnissen gilt das Fernabsatzrecht gemäß § 312 V BGB nur für die erste Vereinbarung und nicht für die einzelnen Transaktionen, die im Rahmen des Dauerschuldverhältnisses vorgenommen werden[22]. Damit ist der Unternehmer bei Vertragsverhältnissen über Bankdienstleistungen sowie Dienstleistungen im Zusammenhang mit einer Kreditgewährung, Versicherung, Altersversorgung oder Finanzdienstleistungen bezüglich des Grundvertrags verpflichtet, seinen vorvertraglichen Informationspflichten nachzukommen und dem Verbraucher ein Widerrufsrecht einzuräumen[23].

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Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Websiten abmahnsicher gestalten“ von Harald Brennecke, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz, und Sandra Kuley, Bachelor of Laws (LL.B.), erschienen mit Fußnoten im Verlag Mittelstand und Recht, 2015, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-42-7.


 

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Kontakt: brennecke@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2016


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Über die Autoren:

Harald Brennecke, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz

Portrait Harald-Brennecke

Rechtsanwalt Harald Brennecke ist im Datenschutzstrafrecht als Strafverteidiger tätig.

Rechtsanwalt Brennecke hat zum Datenschutzrecht veröffentlicht:

  • „17 UWG – Betriebsgeheimnisse und Verrat durch (ehemalige) Mitarbeiter“, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-38-0
  • "Einführung in das Datenschutzrecht", Kapitel im E-Business Handbuch für Entscheider, 2. Aufl., ISBN 3.540-43263-9, 2002, Springer-Verlag

Folgende Veröffentlichung von Rechtsanwalt Brennecke ist in Vorbereitung:

  • Einführung in das Datenschutzstrafrecht

Rechtsanwalt Brennecke war an der IHK Karlsruhe als Dozent für Datenschutzrecht tätig. Er ist Dozent für Datenschutzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.

Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zu den Themen:

  • Schutz von Kundenadressen und Geschäftsgeheimnissen – 17 UWG in Theorie und Praxis
  • Datenschutzstrafrecht
  • Datenschutz in Franchisesystemen – Die unterschätzte Gefahr für Franchisesysteme

Kontaktieren Sie Rechtsanwalt Harald Brennecke unter:
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