Umweltstrafrecht für Geschäftsführer – Teil 43 – Schwere Umweltstraftat

10.6 Täterschaft und Teilnahme

Die Gefährdung schutzbedürftiger Gebiete durch Immissionen nach § 329 Abs. 1 StGB, die Gefährdung eines Wasser- und Heilquellenschutzgebiets durch Betreiben einer betrieblichen Anlage zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen sowie Betreiben einer Rohrleitungsanlage zum Befördern wassergefährdender Stoffe nach § 329 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 Alt. 1 StGB sind Betreiberdelikte (zum Begriff des Anlagebetreibers siehe 4.5) und damit Sonderdelikte, sodass sich nur der Betriebsinhaber als Täter strafbar machen. Weil dies im Fall einer GmbH diese selber ist, wird die Strafbarkeit über § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB auf den Geschäftsführer übergewälzt. Der beteiligte Angestellte kann nur Teilnehmer (Anstifter oder Gehilfe) sein. Die Gefährdung eines Wasser- und Heilquellenschutzgebiets durch Beförderung wassergefährdender Stoffe nach § 329 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 StGB, die Gefährdung eines Wasser- und Heilquellenschutzgebiets durch Abbau von Kies, Sand, Ton oder andere feste Stoffen nach § 329 Abs. 2 Nr. 3 StGB, die Gefährdung eines Naturschutzgebietes, einer als Naturschutzgebiet einstweilig sichergestellten Fläche oder eines Nationalparks nach § 329 Abs. 3 StGB sowie die Schädigung eines Lebensraums oder eines Lebensraumtyps von bestimmter Arten wildlebender Tiere und Pflanzen in einem Natura 2000-Gebiet nach § 329 Abs. 4 StGB sind Allgemeindelikte, sodass sich jedermann als Täter strafbar machen kann (vgl. Witteck, in: BeckOK-StGB § 329 Rn. 30).

10.7 Strafrahmen

Die Gefährdung schutzbedürftiger Gebiete durch Immissionen und nach § 329 Abs. 1 StGB und die Gefährdung eines Wasser- und Heilquellenschutzgebiets nach § 329 Abs. 2 StGB sehen einen Strafrahmen von Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe vor. Die Gefährdung eines Naturschutzgebietes, einer als Naturschutzgebiet einstweilig sichergestellten Fläche oder eines Nationalparks und § 329 Abs. 3 StGB und die Schädigung eines Lebensraums oder eines Lebensraumtyps von bestimmter Arten wildlebender Tiere und Pflanzen in einem Natura 2000-Gebiet nach § 329 Abs. 4 StGB besitzen einen höheren Strafrahmen, nämlich Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe. Die fahrlässige Begehungsweise des § 329 Abs. 3 StGB sowie ein leichtfertiges Handeln im Falle des § 329 Abs. 4 StGB werden mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Fahrlässiges Handeln in den Fällen des § 329 Abs. 1 und Abs. 2 StGB sieht einen niedrigeren Strafrahmen von Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe vor.

10.8 Weitere Strafvorschriften

Die schutzbedürftigen Gebiete werden neben § 329 StGB durch

  • §§ 71, 71a Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG), der das Stören des Lebensraums und der Entwicklung eines wildlebenden Tieres einer besonders geschützten Art sanktioniert
  • § 37 Abs. 1 Umweltschutzprotokoll-Ausführungsgesetz (UmweltSchProtAG; siehe 3.5) und
  • § 69 PflSchG(siehe 7.7; vgl. Alt, in: MüKo-StGB, § 329 Rn. 62 - 64)

geschützt.

11 Besonders schwerer Fall einer Umweltstraftat

In § 330 StGB sind besonders schwere Fälle von Umweltstraftaten geregelt. § 330 besitzt drei Absätze:

  • Abs. 1: besonders schwere Fälle einer Umweltstraftat
  • Abs. 2: Qualifikationen
  • Abs. 3: minderschwere Fälle einer Umweltstraftat.

§ 330 Abs. 1 und Abs. 3 StGB sind keine Tatbestände, sondern sog. Strafzumessungsregeln (vgl. BGH, NJW 1970, S. 1196, 1197). Strafzumessungsregeln legen fest, wann eine Strafe zu schärfen oder zu mildern ist. Voraussetzung ist, dass eine der in den §§ 324 bis 329 StGB normierten Umweltstraftaten vorsätzlich begangen wurde.

11.1 Besonders schwere Fälle einer Umweltstraftat

Liegt ein besonders schwerer Fall einer Umweltstraftat vor, ist die Strafe zu schärfen. Hierfür zählt § 330 Abs. 1 S. 2 StGB folgende Regelbeispiele auf:

  • ein Gewässer, den Boden oder ein Schutzgebiet im Sinne des § 329 Abs. 3 derart beeinträchtigt, dass die Beeinträchtigung nicht, nur mit außerordentlichem Aufwand oder erst nach längerer Zeit beseitigt werden kann,
  • die öffentliche Wasserversorgung gefährdet,
  • einen Bestand von Tieren oder Pflanzen einer streng geschützten Art nachhaltig schädigt oder
  • aus Gewinnsucht handelt.

Die Regelbeispiele habe jedoch nur Indizwirkung. Erfüllt der Täter eines dieser Regelbeispiele, so wird die Strafe grundsätzlich geschärft. Die Regelbeispiele sind nicht abschließend, sodass stets ein unbenannter besonders schwerer Fall in Betracht kommen kann. Dazu muss das Gericht eine Gesamtbewertung der wesentlichen tat- und täterbezogenen Umstände anstellen. Ergibt die Bewertung, dass die betreffende Tat eine Strafschärfung rechtfertigt, wird ein unbenannter besonders schwerer Fall bejaht. Wegen der bloßen Indizwirkung kann umgekehrt eine solche Gesamtabwägung dazu führen, dass eine Strafschärfung abgelehnt werden muss, obwohl eines der in § 330 Abs. 1 S. 2 StGB benannten Beispiele vorliegt (vgl. BGH, NJW 1970, S. 1196, 1197).

Beispiel
Die GumChem-GmbH verzeichnet - seit gelegentlich mal Ausschussproduktionen in Bächen und kleinen Seen verschwinden - schwarze Zahlen. Der Geschäftsführer und Gesellschafter G will jedoch noch mehr erreichen und beschließt ab sofort keinerlei Entsorgungskosten mehr aufzuwenden und bundesweit die umweltschädlichen Ausschussproduktionen bei der Kunststoffherstellung ausschließlich in großen Seen zu entsorgen und die ersparten Entsorgungskosten in neues Material zur weiteren Produktion zur Gewinnmaximierung zu investieren. Schließlich kann die GmbH sich kaum noch vor Abnehmern ihrer Produkte retten. G holt sich die erforderliche behördliche Gestattung hierfür bewusst nicht ein, da er weiß, eine solche nicht erhalten zu können. Die 15 großen See trüben ein, das Wasser weist erkennbar überall einen Schmierfilm auf, an den Ufern sammelt sich angespülter Schaum und aufgequollene Fischkadaver. Diese Folgen hat G einkalkuliert, aber gleichsam gebilligt. Schließlich müssen Opfer für den Erfolg der Gesellschaft und seinem Reichtum als Gesellschafter erbracht werden.

  • G macht sich wegen eines besonders schweren Falles der Gewässerverunreinigung aufgrund seines Handelns aus Gewinnsucht nach §§ 324 Abs. 1 Alt. 1, 330 Abs. 1 Nr. 4 strafbar. G ist der Täter, auch wenn seine Arbeiter die Stoffe in die Gewässer kippen. Die Täterschaft ergibt sich aus der Verantwortungsvervielfachung durch Aufgabendelegation und dem Umstand, dass der Stellung eines Geschäftsführers die Generalverantwortlichkeit und Allzuständigkeit für Umstände zukommt, die das Unternehmen betreffen. Die Seen lassen nach ihrem äußeren Erscheinungsbild erkennen, dass sie infolge der jeweiligen Einwirkung durch die Stoffe in ihren Eigenschaften nachteilig verändert wurden. Dies bewirkte G zudem vorsätzlich. Da G zudem keine behördliche Gestattung für das Kippen der Stoffe in die Seen besaß, handelte er rechtswidrig. Daneben bestehen keine Bedenken gegen seine Schuld. Schließlich wird bei der Strafzumessung erschwerend berücksichtigt, dass G über die bloße Bereicherungsabsicht hinaus ein ungewöhnliches und sittlich anstößiges Maß an Erwerbsstreben aufgewiesen hat. Das Handeln aus Gewinnsucht ist ein besonderes subjektives Merkmal, d. h. es muss bei der Tat lediglich in der Vorstellungswelt des Täters vorgelegen haben (vgl. Witteck, in: BeckOK-StGB, § 330 Rn. 10, 14).

Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Verantwortung des GmbH-Geschäftsführers im Umweltstrafrecht“ von Harald Brennecke, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, und Alexander Becker, wissenschaftlicher Mitarbeiter, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-79-3.


Kontakt: brennecke@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2017


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Harald Brennecke, Rechtsanwalt

Portrait Harald-Brennecke

Rechtsanwalt Harald Brennecke ist Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Fachanwalt für Insolvenzrecht.

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    Harald Brennecke ist seit 1999 im Bereich der Unternehmenssanierung tätig. Als Fachanwalt für Insolvenzrecht berät und begleitet er Sanierungen und betreut Geschäftsführer und Gesellschafter bei Firmeninsolvenzen. Er unterstützt Geschäftsführer in der Unternehmenskrise hinsichtlich der für sie bestehenden Haftungsrisiken sowie Gesellschafter im Interesse der Wahrung der Unternehmenswerte. Er unterstützt bei der Suche nach Investoren und Wagniskapitalgebern (venture capital), begleitet Verhandlungen und erstellt Investorenverträge.


Rechtsanwalt Harald Brennecke hat im Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht veröffentlicht:

  • "Das Recht der GmbH", Verlag Mittelstand und Recht, 2015, ISBN 978-3-939384-33-5
  • "Der Gesellschaftsvertrag der GmbH - Die GmbH-Satzung in Theorie und Praxis", 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-40-3
  • "Der Unternehmenskauf -  Rechtliche Risiken bei Kauf und Verkauf mittelständischer Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-18-2
  • "Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-29-8
  • "Gesellschaftsrecht in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-26-7
  • "Die Limited in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-34-2
  • "Der Insolvenzplan – Sanierungsinstrument in der Insolvenz", 2007, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-03-8
  • "Die Regelinsolvenz - Insolvenz für Unternehmer und Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-07-6
  • "Gesellschafterinteressen in der Publikums-KG: Auskunftsrechte der Kommanditisten einer Publikums-KG gegen Treuhänder“, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-28-1
  • "Die Gesellschafterversammlung: Ein Leitfaden", Harald Brennecke und Dipl.-Jur. Marc Schieren, M. L. E., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-50-2
  • "Arztpraxis – Kauf und Übergang", Harald Brennecke und Michael Kaiser, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-54-0

Folgende Veröffentlichungen von Rechtsanwalt Brennecke sind in Vorbereitung:

  • Die Due Diligence – Rechtliche Prüfung beim Unternehmenskauf
  • Die Liquidation der Kapitalgesellschaft
  • Die Unternehmergesellschaft (UG)

Harald Brennecke ist Dozent für Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht im DeutscherAnwaltVerein.  
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

  • Gesellschaftsrecht für Steuerberater und Unternehmensberater – Grundlagen des Gesellschaftsrechts
  • Gesellschaftsvertragsgestaltung – Grundlagen und Risiken
  • Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) – kleine Chance, großes Risiko
  • Welche Gesellschaftsform ist die Richtige? Vor- und Nachteile der Rechtsformen für Unternehmer
  • Geschäftsführerhaftung – Geschäftsführung von Kapitalgesellschaften; das letzte große Abenteuer der westlichen Zivilisation
  • Insolvenzrecht für Gründer und lebende Unternehmen: Aus Insolvenzen anderer lernen heißt das eigene Insolvenzrisiko zu vermeiden
  • Unternehmenssanierung: Kopf aus dem Sand! Wer zu spät reagiert, reagiert nie wieder.
  • Insolvenzrecht für Steuerberater – Grundlagen des Insolvenzrechts für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer
  • Insolvenzrecht für Unternehmensberater – Sanierungschancen erkennen und wahren
  • Insolvenzberatung: das (enorme) Haftungsrisiko des Sanierungsberaters

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