UN-Kaufrecht – Teil 21 – Dokumentübergabe

Beispiel
D bestellt bei dem auf den deutschen Markt spezialisierten Technologieunternehmen C aus China LCD-Fernseher der hauseigenen Marke von C. Es stellt sich allerdings heraus, dass C - ohne davon in Kenntnis zu sein - bei der Herstellung ein Verfahren verwendet hat, das in Deutschland von E als Patent eingetragen wurde. E erwirkt daraufhin eine gerichtliche Verfügung, durch die der Handel mit den LCD-Fernsehern des C unterbunden wird. Liegt eine Vertragsverletzung durch C vor?

  • C hatte hier zwar keine Kenntnis von dem Patent des E. Allerdings liegt es im Sorgfaltsbereich eines auf den deutschen Markt spezialisierten Technologieunternehmens sich darüber zu informieren, ob der Herstellungsprozess gegen in Deutschland geltende Immaterialgüterrechte verstößt. Daher sind die LCD-Fernseher mit einem Rechtsmangel behaftet. Er muss gegenüber D also für den Mangel einstehen.

Eine Berufung des Käufers auf Art. 42 CISG ist gem. Abs. 2 wiederum nur dann möglich, wenn er bei Vertragsschluss keine Kenntnis von den Schutzrechten Dritter hatte oder hätte haben müssen oder in denen das Recht oder der Anspruch sich daraus ergibt, dass der Verkäufer sich nach technischen Zeichnungen, Entwürfen, Formeln oder sonstigen Angaben gerichtet hat, die der Käufer zur Verfügung gestellt hat, bspw. bei der Auslagerung der betriebseigenen Produktion an einen Sub-Unternehmer im Ausland. Schließlich ist unbedingt zu beachten, dass auch die Verletzung von Rechtsmängeln gegenüber dem Verkäufer gerügt werden muss. Dessen im Rahmen des Sachmangels erörterten Grundsätze gelten parallel auch für den Rechtsmangel.

4.2.2 Dokumentübergabe

Gem. Art. 30, 34 CISG ist der Verkäufer überdies verpflichtet, dem Käufer die die Ware betreffenden Dokumente zu übergeben. Dies hat gem. Art. 34 CISG zu dem Zeitpunkt, an dem Ort und in der Form zu geschehen, die im Vertrag vorgesehen ist. Welche Dokumente dies konkret betrifft ist abhängig vom Einzelfall. Diese können etwa durch die INCOTERMS Standardklauseln festgelegt werden oder sich aus der Ware selbst oder den Handelsbräuchen und -gepflogenheiten der Parteien ergeben. Im Prinzip werden alle Dokumente erfasst, die der Käufer vom Verkäufer für eine reibungslose Einfuhr der Ware und ihre vorgesehene Verwendung benötigt.

Dies umfasst in der Regel also die folgenden Dokumente:

  • Transportdokumente
  • Versicherungsdokumente
  • Lager- und Lieferdokumente
  • Spediteurdokumente und -bescheinigungen
  • Ursprungs-, Gewichts-, Prüfungs- und Qualitätsnachweise


4.2.3 Eigentumsübertragung

Zu den in Art. 30 CISG aufgeführten Verkäuferpflichten gehört schließlich die Verschaffung des Eigentums an der Ware. Zu beachten ist hier, dass die Eigentumsübertragung zu den Bereichen des Kaufrechts gehört, die gem. Art. 4 Satz 2 lit b) CISG explizit nicht durch das UN-Kaufrecht geregelt werden. Wie im Fall der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist die dadurch entstandene Lücke auf Grundlage des anwendbaren nationalen Rechts zu schließen. Da es sich bei der Eigentumsverschaffung um eine sachenrechtliche und nicht um eine kaufrechtliche Fragestellung handelt findet die Rom II-VO in diesem Fall keine Anwendung. Da es keine entsprechende Regelung auf europäischer Ebene gibt sind die in Art. 43 - 46 EGBGB enthaltenen deutschen Vorschriften ausschlaggebend. Der in Art. 43 Abs. 1 EGBGB aufgestellte Grundsatz, nach dem das Recht des Staates anzuwenden ist, in dem sich die Ware befindet (Fußnote) beschreibt derweil ein weltweit anerkanntes Rechtsprinzip. Daher kann man sich im internationalen Warenverkehr als Faustregel merken, dass die Modalitäten der Eigentumsverschaffung nach den Regeln des Landes erfolgen, in dem die Sache belegen ist, also in der Regel das Land des Käufers. Für deutsche Unternehmer bedeutet das, dass deutsches Sachenrecht Anwendung findet, das Eigentum also dann übergeht, wenn die Parteien sich gem. § 929 Satz 1 BGB sachenrechtlich über den Übergang der Ware geeinigt haben und dem Käufer der Besitz an der Sache verschafft wurde.

Ausnahmsweise ist allerdings auch das Land des Verkäufers ausschlaggebend, nämlich dann, wenn die Eigentumsübertragung nach dem nationalen Recht des betroffenen Landes bereits mit Versendung der Ware erfolgt: In diesem Fall geht das Eigentum an der Sache bereits zu diesem Zeitpunkt über, da sich die Ware zum maßgeblichen Zeitpunkt der Versendung regelmäßig noch im Land des Verkäufers befindet und nach der lex rei sitae daher noch das Recht des Verkäuferstaates angewendet wird.


4.3 Rechtsbehelfe des Käufers (Fußnote)

Die Feststellung einer Vertragsverletzung durch den Verkäufer eröffnet dem Käufer die Möglichkeit, mittels der in Art. 45 - 52 CISG dargelegten Rechtsbehelfe gegen den Verkäufer vorzugehen. Dabei dient Art. 45 CISG als Überblick über die verfügbaren Rechtsbehelfe und Kombinationsmöglichkeiten. Der Käufer hat danach die Wahl zwischen vier unterschiedlichen Rechtsbehelfen:

  • Erfüllung und Nacherfüllung, Art. 46 f CISG
  • Vertragsaufhebung, Art. 49 CISG
  • Kaufpreisminderung, Art. 50 CISG
  • Schadensersatz, Art. 45 lit b) iVm Art. 74 - 77 CISG

Im Gegensatz zum deutschen Zivilrecht (§ 437 BGB) besteht zwischen den Rechtsbehelfen des UN-Kaufrechts kein Vorrang der Nacherfüllung. Der Käufer muss dem Verkäufer also nicht erst erfolglos eine Frist zur vertragsgemäßen Lieferung der Ware gestellt haben, sondern kann frei zwischen den ihm zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfen der Art. 45 ff CISG wählen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass die Rechtsbehelfe der Erfüllung / Nacherfüllung, Vertragsaufhebung und Minderung in einem Alternativverhältnis zueinanderstehen, also nicht kombiniert werden können. Das leuchtet ein, da es einen Widerspruch darstellen würde, wenn derjenige, der bspw. den Vertrag aufheben möchte gleichzeitig Erfüllung der Leistungspflicht aus dem Vertrag verlangen könnte. Allerdings kann der Käufer alternativ oder in Kombination mit den vorgenannten Rechtsbehelfen Schadensersatz vom Verkäufer gem. Art. 45 Abs. 1 lit b) CISG verlangen.


Dieser Beitrag ist zitiert aus dem Buch „Struktur und Praxis des UN-Kaufrechts (CISG)“ von Harald Brennecke, Rechtsanwalt und Tim Hagemann LL.M., Diplomjurist, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht 2020, www.vmur.de, ISBN: 978-3-96696-016-8.


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Über die Autoren:

Harald Brennecke, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz

Portrait Harald-Brennecke

Rechtsanwalt Harald Brennecke ist im Datenschutzstrafrecht als Strafverteidiger tätig.

Rechtsanwalt Brennecke hat zum Datenschutzrecht veröffentlicht:

  • „17 UWG – Betriebsgeheimnisse und Verrat durch (ehemalige) Mitarbeiter“, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-38-0
  • "Einführung in das Datenschutzrecht", Kapitel im E-Business Handbuch für Entscheider, 2. Aufl., ISBN 3.540-43263-9, 2002, Springer-Verlag

Folgende Veröffentlichung von Rechtsanwalt Brennecke ist in Vorbereitung:

  • Einführung in das Datenschutzstrafrecht

Rechtsanwalt Brennecke war an der IHK Karlsruhe als Dozent für Datenschutzrecht tätig. Er ist Dozent für Datenschutzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.

Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zu den Themen:

  • Schutz von Kundenadressen und Geschäftsgeheimnissen – 17 UWG in Theorie und Praxis
  • Datenschutzstrafrecht
  • Datenschutz in Franchisesystemen – Die unterschätzte Gefahr für Franchisesysteme

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