UN-Kaufrecht – Teil 19 – Untersuchung

4.2.1.4.4.1 Untersuchung

Die Untersuchungsobliegenheit wird in Art. 38 CISG näher definiert. Im Gegensatz zum deutschen Handelsrecht bestimmt das UN-Kaufrecht nicht, dass der Käufer die Ware unverzüglich zu untersuchen hat - das wäre gerade in Ländern mit weniger entwickelter Infrastruktur wohl kaum praktikabel. Der Käufer hat die Ware vielmehr "innerhalb einer so kurzen Frist zu untersuchen oder untersuchen zu lassen, wie es die Umstände erlauben." In der Praxis zeigt sich das UN-Kaufrecht also flexibler als das HGB und stellt auf die Umstände des Einzelfalls ab. Die Untersuchungsfrist beginnt gem. Art. 38 Abs. 2 CISG bei Versendungskäufen - also in der Regel - erst mit Eintreffen der Ware beim Käufer. Soll die Ware vom Käufer an einen Dritten weitergeleitet oder -versendet werden, beginnt die Frist gem. Art. 38 Abs. 3 CISG erst mit Eintreffen beim Dritten, wenn der Käufer keine Zeit zur Untersuchung hatte oder der Verkäufer von der Weiterleitung Kenntnis hatte oder hätte haben müssen.

Ziel der Untersuchung muss das Auffinden von Mängeln iSd Art. 35 CISG sein. Daher reicht es nicht, nur die Beschaffenheit der Ware selbst zu untersuchen - die Untersuchung muss sich vielmehr auch darauf richten, ob die Verpackung Mängel aufweist, die richtige Ware geliefert wurde und ob die Dokumente korrekt sind. Zum Umfang der Untersuchungsobliegenheit trifft das UN-Kaufrecht keine ausdrücklichen Aussagen. Daher ist bei der Lückenfüllung wie gewohnt auf die vertraglichen Abreden und in deren Abwesenheit, auf die zwischen den Parteien geltenden Handelsbräuche und -gepflogenheiten abzustellen. In der Regel wird vom Käufer verlangt werden, dass er die Ware entsprechend ihrer Art und den Umständen des Einzelfalls verkehrsüblich und fachmännisch untersucht. Dabei gilt grundsätzlich die folgende Faustregel: Umso komplexer, mangelanfälliger und gefährlicher eine bestimmte Ware im Einzelfall ist, desto strenger sind die Anforderungen an die Untersuchungsobliegenheit des Käufers. Dabei muss allerdings auch berücksichtigt werden, welche individuellen Möglichkeiten der Käufer hat. Dies macht auch Sinn, denn an einen kleinen Importeur aus einem Entwicklungsland können sicher nicht die gleichen Anforderungen gestellt werden wie an ein börsennotiertes deutsches Unternehmen mit vielen spezialisierten Mitarbeitern.

Im Detail wird von der Rechtsprechung regelmäßig eine sensorische Prüfung der Ware verlangt. Die Ware ist also abhängig von der ihrer Art vom Käufer in Augenschein zu nehmen, zu schmecken, zu riechen, anzufassen, anzuhören, zu wiegen, zu zählen oder zu messen. In besonderen Fällen kann es auch erforderlich sein, dass die stoffliche Zusammensetzung der Ware überprüft wird oder die waren bestimmten Praxistests unterzogen wird.

Beispiel
D bestellt sich für die Spielwarenabteilung des Supermarkts 200 sprechende Spielzeugroboter vom japanischen Elektronikhersteller J. Direkt, nachdem diese bei ihm eingetroffen sind nimmt D einen der Roboter stichprobenartig in Augenschein und schaltet diesen ein und aus. Dabei bemerkt er keine offensichtlichen Schäden an dessen Hülle und keine Unregelmäßigkeiten beim Hoch- und Runterfahren des Roboters. Nach ein paar Wochen häufen sich jedoch die Reklamationen der Kunden. Es stellt sich heraus, dass alle Roboter aufgrund eines Programmierungsfehlers bei der Ausführung eines bestimmten Kommandos unwiderruflich abstürzen. D möchte nun, dass J für die mangelhafte Ware einsteht und ihm Schadensersatz bezahlt. Zurecht?

  • D kann den Mangel geltend machen, wenn er seine Untersuchungsobliegenheit nicht verletzt hat. Zeitlich ist dies nicht zu beanstanden, weil er die Ware direkt nach ihrem Eintreffen überprüft hat. Allerdings ist bei technisch anspruchsvolleren Waren auch ein entsprechend erhöhter Maßstab an die Überprüfung der Ware durch den Käufer anzusetzen. Durch die in der Regel recht strenge Auslegung der Vorschrift durch die Rechtsprechung hätte man von D zumindest erwarten können, dass er einige der Kommandos des Roboters ausprobiert. Dies hat er jedoch unterlassen. Daher hat er vorliegend seine Untersuchungsobliegenheit verletzt und kann sich folglich nicht gegenüber J auf die Mangelhaftigkeit der Ware berufen.

4.2.1.4.4.2 Rüge

Der Käufer muss die Ware wie im deutschen Handelsrecht nicht nur untersuchen, sondern einen hierdurch festgestellten Mangel auch gegenüber dem Verkäufer rügen. Unterlässt er dies, verliert er gleichfalls wie bei der Untersuchungsobliegenheit gem. Art. 39 Abs. 1 CISG das Recht, sich auf die Mangelhaftigkeit der Ware zu berufen. Nicht ausreichend ist dabei die Mitteilung der bloßen Unzufriedenheit mit der Beschaffenheit der Ware. Vielmehr muss der Käufer den gerügten Mangel so genau bezeichnen, dass er vom Verkäufer klar identifiziert werden kann. Bei mehreren Lieferungen des Verkäufers ist zudem die genaue Lieferung zu bezeichnen.

Beispiele

  • Der gestern gelieferte Computer lässt sich nicht einschalten;
  • Die am 09.05.2020 bestellten Orangen haben nicht die geforderte Qualitätsklasse A;
  • Der Gehalt an Weichmachern in der Plastikdosen aus Lieferung "R-200317" überschreitet den vereinbarten Grenzwert.

Dieser Beitrag ist zitiert aus dem Buch „Struktur und Praxis des UN-Kaufrechts (CISG)“ von Harald Brennecke, Rechtsanwalt und Tim Hagemann LL.M., Diplomjurist, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht 2020, www.vmur.de, ISBN: 978-3-96696-016-8.


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Über die Autoren:

Harald Brennecke, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz

Portrait Harald-Brennecke

Rechtsanwalt Harald Brennecke ist im Datenschutzstrafrecht als Strafverteidiger tätig.

Rechtsanwalt Brennecke hat zum Datenschutzrecht veröffentlicht:

  • „17 UWG – Betriebsgeheimnisse und Verrat durch (ehemalige) Mitarbeiter“, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-38-0
  • "Einführung in das Datenschutzrecht", Kapitel im E-Business Handbuch für Entscheider, 2. Aufl., ISBN 3.540-43263-9, 2002, Springer-Verlag

Folgende Veröffentlichung von Rechtsanwalt Brennecke ist in Vorbereitung:

  • Einführung in das Datenschutzstrafrecht

Rechtsanwalt Brennecke war an der IHK Karlsruhe als Dozent für Datenschutzrecht tätig. Er ist Dozent für Datenschutzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.

Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zu den Themen:

  • Schutz von Kundenadressen und Geschäftsgeheimnissen – 17 UWG in Theorie und Praxis
  • Datenschutzstrafrecht
  • Datenschutz in Franchisesystemen – Die unterschätzte Gefahr für Franchisesysteme

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