UN-Kaufrecht – Teil 14 – Voraussehbarkeit

4.1.2 Voraussehbarkeit

Art. 25 Satz 2 CISG schränkt das Vorliegen einer wesentlichen Vertragsverletzung allerdings weiter ein. Danach sind auch solche Vertragsverletzungen trotz der Schaffung eines wesentlichen Nachteils für die geschädigte Partei nicht abgedeckt, die für die den Vertrag verletzende Partei oder eine vernünftige Person aus ihrem Verkehrskreis nicht vorhersehbar war. Das bedeutet konkret, dass sich aus dem Vertrag oder aus den Umständen des Einzelfalls ergeben muss, dass die Gegenseite die wesentlichen Nachteile für die andere Partei voraussehen hätte müssen. Um hier Konflikte zu vermeiden empfiehlt es sich wie oben dargelegt die Erwartungen an den Vertrag durch eine Auflistung der wesentlichen Vertragsverletzungen in den Vertragstext aufzunehmen. Dadurch kann sich keine der Parteien darauf berufen, dass sie die wesentlichen Nachteile für die Gegenseite nicht vorhergesehen hätte.

4.1.3 Materielle Pflichten der Vertragsparteien

Es liegt in der Natur der Sache, dass eine Vertragsverletzung nur dort auftreten kann, wo die Parteien vertragliche oder gesetzliche Pflichten missachtet haben. Die materiellen Regeln zu den Rechten und Pflichten finden sich im gesamten Teil III der CISG, verteilen sich aber wie in der Übersicht aufgezeigt systematisch auf verschiedene Adressaten. Während sich die exklusiven Verkäuferpflichten in den Art. 30 - 44 CISG befinden, werden die Käuferpflichten in Art. 53 - 64 CISG definiert. Im Teil III abschließenden fünften Kapitel (Fußnote) finden sich schließlich die gemeinsamen allgemeinen Verpflichtungen der Vertragsparteien.

4.2 Verkäuferpflichten (Fußnote)

Da das UN-Kaufrecht insbesondere exportorientierten deutschen Unternehmen viele Vorteile bietet, haben die in Kapitel II des dritten Teils geregelten Pflichten für die Verkäuferseite eine besondere Bedeutung. Dabei werden die Hauptpflichten in Art. 30 CISG überblicksweise zusammengefasst. Danach verpflichtet sich der Verkäufer zur Lieferung der Ware, zur Übergabe der entsprechenden Dokumente und zur Übertragung des Eigentums an der Ware. Damit bestimmt Art. 30 CISG grundsätzlich nichts anderes als die entsprechende Vorschrift im deutschen Zivilrecht (Fußnote). Zwar fehlt es dort an der expliziten Verpflichtung zur Übergabe der entsprechenden Dokumente - durch Auslegung des Vertrags wird man aber in der Regel zu dem Ergebnis kommen, dass es sich dabei um eine implizit vereinbarte vertragliche Nebenpflicht des Verkäufers handelt.

Übersicht

Lieferung der Ware
Dokumentübergabe
Eigentumsübertragung

  • Lieferort, Art. 31 CISG
  • Beförderung, Art. 32 CISG
  • Lieferfrist, Art. 33 CISG
  • Vertragsmäßigkeit, Art. 35 - 44 CISG
  • Art. 30, 34 CISG
  • Art. 30 CISG

4.2.1 Die Warenlieferung

Die Lieferpflichten des Verkäufers umfassen im Wesentlichen vier Elemente. Nach den Regelungen des zweiten Abschnitts muss der Verkäufer die Ware:

  • zum richtigen Ort liefern, Art. 31 CISG;
  • die zur Beförderung erforderlichen Handlungen vornehmen, Art. 32 CISG;
  • rechtzeitig abliefern, Art. 33 CISG;
  • und diese sach- und rechtsmängelfrei sein, Art. 35, 41 CISG.


4.2.1.1 Lieferort

Der richtige Lieferort bestimmt sich grundsätzlich nach der Vereinbarung der Parteien. Zwar können diese auch separat verabredet werden, allerdings wird der Lieferort in der Praxis regelmäßig unter Bezugnahme auf die sog. INCOTERMS bestimmt. Bei den INCOTERMS (Fußnote) handelt es sich um Standardklauseln für internationale Vertragsgestaltungen, die von der Internationalen Handelskammer (Fußnote) entwickelt wurden und Kernaussagen zu Fragen der Warenlieferung wie Lieferort, Gefahrübergang, Versicherung und Transportkosten treffen. Dabei ist darauf zu achten, dass es sich rechtlich um AGB handelt, die von den Parteien durch eine entsprechende Abrede in den Vertrag aufgenommen werden kann (Fußnote). Dabei sind die INCOTERMS praxisfreundlich und sehr flexibel ausgestaltet. So enthalten sie bspw. viele verschiedene Möglichkeiten zur Ausgestaltung des Lieferorts und zur Frage, ob es sich um eine Bringschuld des Verkäufers oder eine Holschuld des Käufers handeln soll.
Dabei lassen sich die INCOTERMS nach dem verabredeten Lieferort, den Lieferpflichten und den Versendungskosten in verschiedene Hauptkategorien unterteilen:

Übersicht

Abholklausel:

  • Verkäufer muss Ware nur bereitstellen
  • Käufer trägt Kosten und Risiken ab Bereitstellung

Absendeklausel:

  • Verkäufer muss Ware an Käufer versenden
  • Gefahr geht mit Übergabe an den Frachtführer des Haupttransporteurs auf Käufer über
  • Käufer trägt Kosten von Haupttransporteur

Absendeklausel:

  • Verkäufer muss Ware an Käufer versenden
  • Gefahr geht mit Übergabe an den Frachtführer des Haupttransporteurs auf Käufer über
  • Verkäufer trägt Kosten von Haupttransporteur

Ankunftsklausel:

  • Verkäufer trägt alle Kosten und Risiken bis zur Ankunft der Ware am Lieferort

Mit Ausnahme des Standardvertrags mit Abholklausel der Gruppe E untergliedern sich alle Gruppen in mehrere Klauseln, die sich insbesondere nach Art der Kostenverteilung, dem gewählten Lieferort und dem Gefahrübergang unterscheiden. Die Einteilung in die oben dargestellte Gruppe ergibt sich aus dem jeweiligen Anfangsbuchstaben der Klausel.


Dieser Beitrag ist zitiert aus dem Buch „Struktur und Praxis des UN-Kaufrechts (CISG)“ von Harald Brennecke, Rechtsanwalt und Tim Hagemann LL.M., Diplomjurist, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht 2020, www.vmur.de, ISBN: 978-3-96696-016-8.


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Über die Autoren:

Harald Brennecke, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz

Portrait Harald-Brennecke

Rechtsanwalt Harald Brennecke ist im Datenschutzstrafrecht als Strafverteidiger tätig.

Rechtsanwalt Brennecke hat zum Datenschutzrecht veröffentlicht:

  • „17 UWG – Betriebsgeheimnisse und Verrat durch (ehemalige) Mitarbeiter“, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-38-0
  • "Einführung in das Datenschutzrecht", Kapitel im E-Business Handbuch für Entscheider, 2. Aufl., ISBN 3.540-43263-9, 2002, Springer-Verlag

Folgende Veröffentlichung von Rechtsanwalt Brennecke ist in Vorbereitung:

  • Einführung in das Datenschutzstrafrecht

Rechtsanwalt Brennecke war an der IHK Karlsruhe als Dozent für Datenschutzrecht tätig. Er ist Dozent für Datenschutzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.

Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zu den Themen:

  • Schutz von Kundenadressen und Geschäftsgeheimnissen – 17 UWG in Theorie und Praxis
  • Datenschutzstrafrecht
  • Datenschutz in Franchisesystemen – Die unterschätzte Gefahr für Franchisesysteme

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